Guten Tag
Mein Klient ist bei seiner eigenen GmbH angestellt und hat aktuell eine sehr schlechte Auftragslage. Er hat Anspruch auf Corona Erwerbsersatzentschädigung. Obwohl er aktuell kein anderes Einkommen hat, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wird diese Entschädigung von der Ausgleichskasse direkt mit Ausständen der Firma bei der Ausgleichskasse (AHV, ALV-Beiträge) verrechnet, so dass er auf Monate hinaus kein Einkommen haben wird. Gemäss Auskunft der Ausgleichskasse Bern wird das bei allen juristischen Firmen so gehandhabt.
Wie müsste mein Klient vorgehen, damit er die Möglichkeit bekommt, die Corona-Ersatzentschädigung für seinen Lebensunterhalt zu verwenden?
Vielen Dank für eine Einschätzung von Euch!
Freundliche Grüsse
Markus Widmer
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Widmer
Es geht bei den hier in Frage stehenden Leistungen wohl um Leistungen gemäss Art. 2 Abs. 3 und Abs. 3bis der Verordnung über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (SR 830.31).
Die Veordnung und die Basis in Art. 15 des zu Grunde liegende Covid-Gesetz (SR 818.102; https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2020/711/de sieht keinen Verweis auf eine Verrechnungsmöglichkeit vor.
Nach meinen Recherchen besteht zur Frage keine Rechtsprechung.
Nach meiner Ansicht besteht bei dieser Rechtslage aktuell keine Rechtsgrundlage, die Covid-EO-Ansprüche mti Gegenansprüchen nach AHVG oder AVIG zu verrechnen. Es fehlt nämlich jeder Verweis auf entsprechende Verrechnungsgrundlagen des EOG (Art. 20 Abs. 2 EOG) der oder AHVG (Art. 20 AHVG).
Dem entsprechend sieht denn auch das Kreisschreiben über die Entschädigung bei Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus - Corona-Erwerbsersatz (KS CE) in RZ 1078 vor (siehe https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/12721/download), dass die entsprechenden Verrechnungsregeln des EOG NICHT anwendbar sind.
Vor diesem Hintergrund rate ich eine Einsprache, bzw. das Verlangen einer Verfügung und eine Einsprache gegen jede Verrechnung.
Meines Erachtens sind die Erfolgsaussichten relativ gut.
Selbst wenn aber (was ich nicht annehme), das EOG analog anwendbar wäre, können nur Leistungen nach dem EOG, dem AHVG und dem Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (nicht aber nach dem AVIG) mit fälligen Entschädigungen verrechnet werden.
Weiter gilt mindestens: Wie bei der Situation bei einer Betreibung (vgl. Art. 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG; SR 281.1]) sowie in Anwendung von Art. 125 Abs. 2 des Obligationenrechts (OR; SR 220) ist bei der Verrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Verrechnung ausgeschlossen, soweit die Einkünfte des Versicherten das betreibungsrechtlich massgebende Existenzminimum nicht erreichen (siehe schon BGE 107 V 72 = ZAK 1983 S. 70).
Dies gilt aber nicht, wo pfändbares Vermögen vorhanden ist und herangezogen werden kann.Dies ist sowohl in der zweiginternen wie auch in der zweigübergreifenden Verrechnung zu beachten.
In casu lohnt es sich also, Rechtsmittel zu erheben oder wo nötig, weitere juristische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Prof. Peter Mösch Payot