Guten Tag
Ich bin Sozialarbeiterin in Ausbildung. Im Rahmen der Sozialberatung stellt sich mir die folgende Frage:
Der Klient (ganze IV-Rente und Hilflosenentschädigung schwer aufgrund von Demenz) ist verheiratet und ist Bauer und Hofbesitzer. Er wohnt mit seiner Frau auf dem Hof. Da er dement ist, arbeitet er seit einem Jahr nicht mehr auf dem Hof, sondern nur noch seine Ehefrau. Durch seine Erkrankung hat er im vorletzten Jahr sehr unwirtschaftlich gearbeitet und hat so ca. 500'000 Fr. Schulden angehäuft. Nun möchten er und seine Frau den Hof abgeben, da sie den Hof nicht mehr alleine unterhalten kann. Sie möchten den Hof an ihren Sohn abgeben, damit sie weiterhin auf dem Hof wohnen könnten.
Der Finanzberater der Familie hat einen Kaufvertrag aufgesetzt, in dem der Sohn den Hof zum Ertragswert (440'000) inkl. Schulden (500'000) übernehmen würde. Würde man den Hof regulär verkaufen könnte man ca. 1,6 Mio erzielen, schätzt der Finanzberater.
Da das Ehepaar von der Rente des Mannes lebt und die Frau ihn pflegt und nicht arbeiten kann, müssen die beiden sich für Ergänzungsleistungen anmelden.
Frage: Hat das Ehepaar, wenn die Hofübergabe wie vom Finanzberater geplant über die Bühne geht, auf Vermögen verzichtet (im Verständnis der Ausgleichskasse)? Sprich, wird das Ehepaar Nachteile haben, wenn die Hofübergabe so abgewickelt wird?
Besten Dank!
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Schödler
Gerne gebe ich Ihnen eine Antwort. Diese ist nicht ganz einfach:
Von einem Vermögensverzicht, der dann wieder den anrechenbaren Einnahmen anteilmässig zugerechnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) geht die EL unter anderem aus, wenn gemischte Schenkungen gemacht werden. Wenn also Sachwerte oder auch Liegenschaften unter dem erzielbaren Wert weitergegeben werden.
Im Einzelnen gilt bei einer Veräusserung einer Liegenschaft Folgendes (vgl. Rz. 3483.02 ff. WEL, Stand 1.1.2017):
3483.02 Bei der Veräusserung einer Liegenschaft ist zur Prüfung, ob ein Verzicht vorliegt, der Verkehrswert (Marktwert) ausschlaggebend. Dieser gelangt nur dann nicht zur Anwendung, wenn von Gesetzes wegen ein Rechtsanspruch auf den Erwerb zu einem tieferen Wert besteht (Vgl. Art. 17 Abs.5 und 6 ELV). Anstelle des Verkehrswerts können die Kantone auch auf den Repartitionswert abstellen (was aber im Kanton Schwyz nicht geschehen ist, vgl. Gesetz zu Ergänzungsleistungen zur AHV Kt. Schwyz).
Es stellt sich also die Frage, ob hier ein Anspruch des Sohnes besteht zur Übernahme zu einem bestimmten Preis. Dann wäre der entsprechende Verkaufspreis KEIN Vermögensverzicht:
Ein solcher Anspruch zur Übernahme der Liegenschaft zu einem tieferen Wert als dem Verkehrswert kann nach dem Bundesgesetz über das Bäuerliche Bodenrecht unter Umständen vorliegen. Es stellt sich dabei für die Modalitäten die Frage, ob es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb als Ganzes handelt oder um die Übernahme von landwirtschaftlichen Grundstücken (vgl. zum Ganzen BGE 138 III 548 E. 7).
Nötig ist, dass der Nachkomme dann Selbstbewirtschafter ist, also den Boden selber bearbeitet und, wenn es sich um
ein landwirtschaftliches Gewerbe handelt, dieses zudem persönlich leitet. Für die Selbstbewirtschaftung geeignet ist, wer die Fähigkeiten besitzt, die nach landesüblicher Vorstellung notwendig sind, um den landwirtschaftlichen Boden
selber zu bearbeiten und ein landwirtschaftliches Gewerbe zu leiten (Art. 9 Abs. 1 und 2 BGBB). Den Boden im Sinne dieser Bestimmung selber bearbeiten bedeutet, die im Betrieb anfallenden Arbeiten auf dem Feld, im Stall, auf dem
Hof (inkl. Administrativarbeiten) und im Zusammenhang mit der Vermarktung der Produkte zu einem wesentlichen Teil selber verrichten (BGE 138 III 548 S. 553 E. 2a S. 183 ff.).
Handelt es sich beim verkauften Grundstück um einen landwirtschaftliches Gewerbe nach Art. 7 BGBB und nach Massgabe des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes war, hatte der Käufer Anspruch auf Übernahme zum Ertragswert und damit zu einem tieferen Wert als der Verkehrswert nach Art. 17 Abs. 5 Satz 2 ELV.
Ist dagegen von einem landwirtschaftlichen Gewerbe auszugehen, auf das nach Art. 8 BGBB die Bestimmungen über die
einzelnen landwirtschaftlichen Grundstücke anzuwenden sind (das ist etwa der Fall, wenn der Betrieb von der Struktur her nicht erhaltenswert erscheint) hat der Sohn nur ein gesetzliches Vorkaufsrecht, wenn er selber auch Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes ist oder wirtschaftlich über ein solches verfügt und das Grundstück im ortsüblichen Bewirtschaftungsbereich dieses Gewerbes liegt (Art. 42 Abs. 2 BGBB). In diesem Fall hätte er Anspruch auf Übernahmen zum (doppelten) Ertragswert und damit allenfalls zu einem tieferen Wert als der Verkehrswert nach Art. 17 Abs. 5 Satz 2 ELV.
Diese Fragen sollten hier unter Umständen unter Einbezug der Fachleute des Schweizerischen Bauernverbandes geklärt werden. Und so soll ein allfälliger Anspruch des Sohnes und der entsprechende gesetzlich vorgesehene Anspruch auf Übernahme des Hofes zu einem bestimmten Kaufbetrag klar im Rahmen der Verkaufsdokumentation festgehalten werden.
Weiter ist zu beachtenn:
3483.03 WEL: Ist eine veräusserte Liegenschaft mit einer Hypothek belastet, die ganz oder teilweise vom neuen Eigentümer übernommen wird, so stellt die Summe der übernommenen Schulden einen Teil der Gegenleistung dar.
3483.04 WEL: Erfolgt die Abtretung der Liegenschaft gegen eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht, so stellt der kapitalisierte Jahreswert des Wohnrechts oder der Nutzniessung einen Teil der Gegenleistung dar. Der Jahreswert entspricht dem Mietwert abzüglich jener Kosten, die vom EL-Bezüger im Zusammenhang mit der Nutzniessung oder dem Wohnrecht tatsächlich übernommen werden. Für die Bemessung des Mietwerts ist von demjenigen Ertrag auszugehen, der bei der Vermietung der Liegenschaft tatsächlich erzielt werden kann, d. h. von einem marktkonformen Mietzins.
3483.05 Die Kapitalisierung von wiederkehrenden Leistungen – insbesondere von Nutzniessungen und Wohnrechten – hat nach der „Tabelle zur Umrechnung von Kapitalleistungen in lebenslängliche Renten“, herausgegeben von der Eidg. Steuerverwaltung, zu erfolgen.
In der von Ihnen geschilderten Situation ist also ratsam, wenn so gewünscht ein Wohn- bzw. Nutzungsrecht klar zu vereinbaren und eventuell im Grundbuch einzutragen. Das vermindert den Betrag des Vermögensverzichts und erhöht die Chance bzw. den Betrag der EL-Leistungen.
Im Weiteren gilt, dass pro Jahr nach dem Vermögensverzicht ein Freibetrag von CHF 10'000 vom Verzichtsvermögen abzuziehen ist.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch