Guten Tag
Ich habe ein Vormundschaftsmandat nach Art. 327a ZGB für einen Vollwaisen geführt. Dieser wurde per 28.02.21 volljährig.
Im November 2020 habe ich den ordentlichen Rechenschaftsbericht eingereicht mit dem Antrag auf Erwachsenenschutzmassnahme - unter anderem mit der Vermögensverwaltung.
Im Bericht wurde speziell darauf hingewiesen, dass sich der Schwächezustand im Sinne eines Entwicklungsrückstandes unverändert zeige. Die Berufsbildung wurde im letzten Jahr von Arbeitgebern (Privatwirtschaft und Berufsbildungszentrum) dreimal wegen Unzuverlässigkeit und unentschuldigter Absenzen aufgelöst. Die Arbeitgeber konstatierten, dass die nötige Reife für eine Berufsbildung fehle. Gemeinsame Vereinbarungen wurden vom Jugendlichen nicht eingehalten. Der Bericht hat auch darauf hingewiesen, dass der Jugendliche noch keinen altersgerechten Umgang mit Finanzen hat und sein wöchentliches Taschengeld aufgrund der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung nicht einteilen könne. Per Ende der Rechenschaftsperiode wies das Kindesvermögen einen Saldo von Fr. 18'000.- aus.
Im Januar 2021 habe ich als Vormund die Abklärungsstelle erneut darauf hingewiesen, dass ein nahtloser Übergang mit einer Erwachsenenschutzmassnahme zum Schutz des Vermögens zwingend sei.
Die KESB hat mit Beschluss vom März 2021 eine Erwachsenenschutzumassnahme, unter anderem mit Einkommens- und Vermögensverwaltung errichtet. In den 10 Tagen dazwischen (Volljährigkeit bis Beschlussdatum) hat der Jugendliche Fr. 8'000.- ab dem Konto abgehoben und innert drei Tagen mit Kollegen verprasst. Ich habe darauf der KESB einen Vermögensschaden, verursacht durch die KESB selber, gemeldet.
Ich gehe davon aus, dass die Behörde es versäumt hat, zeitgerecht eine Erwachsenenschutzmnassnahme zu errichten. Die KESB weist einen Vermögensschaden durch die Behörde von sich mit der Begründung, dass zur Zeit des Schadens, keine Schutzmassnahme bestand. Meine Begründung wiederum basiert auf dem "unterlassenen Handeln während der Kindssschutzmassnahme.
Liegt in vorliegendem Falle ein Vermögensschaden nach Art. 454 ZGB vor?
Ich danke für Prüfung und Beantwortung meiner Frage.
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrter Herr Eichenberger
Ob ein Schaden entstanden ist, kann ich Ihnen, mangels detaillierter Sachverhaltskenntnisse, leider nicht sagen. Gerne gebe ich Ihnen ein paar allgemeine Hinweise, die für die weitere Klärung nützlich sein könnten.
Grundsätzlich kann der junge inzwischen volljährige Herr sein Einkommen und Vermögen verbrauchen, auch unsinnig, daran ändert eine, an die Kindesschutzmassnahme anschliessende, Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung nichts. Die Handlungsfähigkeit muss entsprechend einschränkt werden, wenn man das fragliche Vermögen vollumfänglich schützen will (Art. 394 Abs. 2 ZGB; BSK ZGB I-Biderbost/Henkel, Art. 395, N 23). Eine sogenannte Kontosperre nach Art. 395 Abs. 4 ZGB belässt die Handlungsfähigkeit. Zwar hat hier der Klient faktisch keinen Zugriff mehr auf die Vermögenswerte, er kann sich aber weiterhin rechtlich verpflichten und sein Vermögen haftet für entstandene Schulden (BSK ZGB I-Biderbost/Henkel, Art. 395, N 20).
Wenn Sie die Einschränkung der Handlungsfähigkeit nach Art. 394 Abs. 2 ZGB beantragt haben, dann sehe ich Raum für eine Haftung der KESB. Das Gesetz sieht zwar keinen Anspruch auf eine rechtzeitige Anordnung und Durchführung der erforderlichen Schutzmassnahme vor. Allerdings darf mit einer zeitgerechten Schutzmassnahme gerechnet werden, sobald die KESB von der Schutzbedürftigkeit Kenntnis erlangt hat (BSK ZGB I- Wey, Art. 454, N 20). Spätestens im Januar 2021 wäre das hier der Fall gewesen, als Sie die Abklärungsstelle erneut darauf hinwiesen, „dass ein nahtloser Übergang mit einer Erwachsenenschutzmassnahme zum Schutz des Vermögens zwingend sei.“ Die Voraussetzungen für eine Teilbeschränkung der Handlungsfähigkeit hätte die KESB also rechtzeitig prüfen können und müssen. Ob die Voraussetzungen dazu allerdings vorlagen, das wäre Inhalt der Sachverhaltsabklärungen gewesen. Hier muss die Begründung im KESB-Entscheid konsultiert werden. Erweist sich die Anordnung einer Teilbeschränkung der Handlungsfähigkeit als unverhältnismässig, so ist das „Verprassen“ nicht als Schaden zu taxieren.
Wenn Sie eine Kontosperre beantragt haben, dann sieht es m.E. ähnlich aus. Mit einem Entzug des Zugriffs hätte ein gewisser Schutz erreicht werden können, das Abheben von Geld vom Konto wäre nicht möglich gewesen. Aber auch dafür müssen die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, die sich aus dem Schwächezustand und der Schutzbedürftigkeit ergeben. Volljährig gewordene Personen dürfen, wenn kein qualifizierter Schwächezustand vorliegt, ihr Geld unsinnig verbrauchen.
Im Übrigen ist die Argumentation der KESB abwegig, kann doch bei einer Unterlassung, also der Pflicht zu einem Handeln, nicht auf das Fehlen ebendieser Massnahme abgestellt werden.
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 22.5.2021
Karin Anderer