Frau X. ist 100% krankgeschrieben und bei der IV angemeldet. Die Leistungen der Krankentaggeldversicherung sind nächstens ausgeschöpft. Da die IV noch Abklärungen trifft, wird sie zur Überbrückung wirtschaftliche Sozialhilfe beantragen müssen.
Frau X. hat eine minderjährige Tochter, die im Ausland über ein Konto verfügt. Die Mutter hat eine C-Bewilligung und die Tochter ist Doppelbürgerin. Frau X. berichtet, dass dieses Vermögen im Heimatland versteuert werde und sie es in der Schweiz noch nie angeben habe.
Nun stellt sich die Frage, ob das Vermögen der Tochter im Ausland relevant ist für den Anspruch auf Sozialhilfe?
Besten Dank und freundliche Grüsse
K.Kayser
…ein Nachtrag: gemäss Frau X. ist das Vermögen der Tochter in Aktien und Fonds angelegt.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Morgen Frau Kayser
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Sie sprechen mit Ihrer Frage die Thematik der Berücksichtigung von Kindesvermögen in der Sozialhilfe an. Wegleitend in dieser Frage sind im Kanton Uri die SKOS-Richtlinien (vgl. Art. 28 SHG UR und Sozialhilfehandbuch Kt. Uri, Stichwort «SKOS-Richtlinien»). In Kapitel E.2.1 halten die SKOS-Richtlinien fest, dass in der Sozialhilfe das Vermögen von minderjährigen Kinder nur im Rahmen des Kindesrechts verwendet werden darf. Gemeint sind damit die Regeln des Zivilgesetzbuches (ZGB). Neben dem Vermögen sind auch die Erträge massgebend. Keine Differenzierung wird nach dem Standort des Vermögens gemacht. D.h. berücksichtigt wird sowohl in- als auch ausländisches Vermögen.
Erträge aus dem Kindesvermögen dürfen für den Unterhalt, die Erziehung und Ausbildung des Kindes und unter Umständen für den Haushalt verwendet werden darf (Art. 319 ZGB), ausser es handelt sich um freies Kindesvermögen (Art. 321 ZGB). Als freies Kindesvermögen bezeichnet Art. 321 ZGB Vermögen, das mit der Auflage dem Kind zugewendet wurde, Erträge nicht zu verwenden. Wurde es unter Bestimmung als zinstragende Anlage oder als Spargeld zugewendet, gehören auch die daraus resultierenden Erträge zum freien Kindesvermögen. Die Auflage bzw. Bestimmung kann explizit sein, oder sich aus den Umständen ergeben. Sie muss direkt von der zuwendenden Person stammen bzw. von dieser abgeleitet werden können (Kurt Affolter-Fringeli, Urs Vogel [2016], BK- Berner Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Die elterliche Sorge / der Kindesschutz, Art. 296-317 ZGB - Das Kindesvermögen, Art. 318-327 ZGB - Minderjährige unter Vormundschaft, Art. 327a-327c, ZGB, Art. 321/322 ZGB, Rz. 22 ff.).
Das Vermögen selber darf ebenfalls für Ausgaben des Kindes verwendet werden, wenn es sich um Schadenersatz, Abfindungen oder ähnliche Vermögensteile handelt. Übriges Vermögen darf grundsätzlich nicht verwendet werden, jedoch kann, soweit notwendig, die Kindesschutzbehörde um Anzehrung ersucht werden. Das heisst, die Kindesschutzbehörde kann die Verwendung des übrigen Kindesvermögens erlauben. Nach Kapitel E.2.1 SKOS-RL darf von den Eltern die Einholung einer solchen Bewilligung erwartet werden. Zum übrigen Kindesvermögen gehört auch das vorerwähnte freie Kindesvermögen (Kurt Affolter-Fringeli, Urs Vogel, a.a.O., Art. 320 ZGB, Rz. 4 und 28 ).
Nach dem Gesagten ist das ausländische Konto der Tochter für die Sozialhilfe insbesondere im Umfang des auf die minderjährige Tochter entfallenden Unterstützungsanteils relevant. Zinsen sind ohne weiteres für den Bedarf der Tochter zu verwenden, es sei denn, deren Verwendung wurde untersagt bzw. widerspricht dem beabsichtigten Anlagezweck, so dass es als freies Kindesvermögen einzustufen wäre. Das Vermögen selber kann ohne Einwilligung der Kindesschutzbehörde eingesetzt werden, wenn es sich um Schadenersatz oder dergleichen handelt. Aber auch sonst geht es der Sozialhilfe vor, wenn die Kindesschutzbehörde die Anzehrung erlaubt, was auch bei freiem Kindesvermögen möglich ist. Ein Grund für die Bewilligung kann die finanzielle Notlage der Eltern sein (Kurt Affolter-Fringeli, Urs Vogel, a.a.O., Art. 320 ZGB, Rz. 30).
Geht es darum, das Vermögen selber anzutasten, dann ist es nicht vollumfänglich vorrangig zur Sozialhilfe. Der Sozialhilfe vorrangig ist nur der den Vermögensbeitrag übersteigende Anteil. Der Vermögensfreibetrag beträgt gemäss SKOS-RL bei Kindern Fr. 2000 (vgl. Kapitel E.2.1 SKOS-RL, wobei mehrköpfigen Familien zusammen max. 10'000 zugestanden wird).
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Sozialhilfe in kurzen Überbrückungssituationen (max. 3 Monate) einen grösseren Ermessensspielraum hat (vgl. dazu Kap. A.6 SKOS-RL).
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen in der Frage weitergeholfen zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Entschuldigen Sie das Smiley in der Mitte des Textes. Dies wurde automatisch generiert. Darunter steht die Zahl 28. Ich werde intern eine Meldung machen, damit das Smiley entfernt wird.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder