Sehr geehrter Herr Pärli
Eine unserer Klientinnen war ab August 2019 in einem Alters- und Pflegeheim zu 100% im Monatslohn angestellt. Mit Schreiben vom 24.02.2020 wurde ihr das Arbeitsverhältnis per 31.03.2020 vom Arbeitgeber gekündigt. Die Klientin war vom 13.03.2020 bis zum 22.03.2020 aufgrund einer Depression zu 100% arbeitsunfähig. Das Arztzeugnis wurde am 23.03.2020 bis am 06.04.2020 verlängert. Die Klientin hat das Zeugnis am 23.03.2020 dem Arbeitgeber weitergeleitet. Am 25.03.2020 hat der Arbeitgeber ihr mitgeteilt, dass die Kündigungsfrist bis 30.04.2020 verlängert wurde und ihr Lohn bis 30.04.2020 ausgerichtet wird. Im gleichen Schreiben wurde sie von der Arbeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Die Klientin ist weiterhin arbeitsunfähig. Wie ist das genau mit der Verlängerung der Kündigungsfrist? Müsste diese nicht bis Ende Mai weiterlaufen, da sie im Monat April 2020 (mindestens bis am 06.04.2020) auch noch krankgeschrieben war?
Wie ist das mit allfälligem Krankentaggeld? Gemäss Lohnabrechnung wurde eine Prämie für Krankentaggeld abgezogen. Hätte sie bei weiterhin andauernder Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankentaggeld? Wie könnten wir das geltend machen?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Bissig
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Ihre Klientin befand sich am 24.2.2020 im ersten Dienstjahr. Ohne anderslautende vertragliche Vereinbarung beträgt die Kündigung im unterjährigen Arbeitsverhältnis einen Monat. Das Arbeitsverhältnis hätte somit per 31.3.2020 geendet. Nun war Ihre Klientin ab dem 13.3. bis 6.4. arbeitsunfähig. Das hat zur Folge, dass der Ablauf der Kündigungsfrist gemäss Art. 336c Abs. 2 OR während der Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (jedoch längstens 1 Monat, da Ihre Klientin sich noch im ersten Dienstjahr befindet), ruht. Der Ablauf der Kündigungsfrist ruht somit vom 13.3. bis 6.4. , also während 24 Tagen, ab dem 7.4. beginnt der Ablauf der noch verbleibenden Kündigungsfrist (14.3. bis 31.3.) von 18 Tagen, also endet das Arbeitsverhältnis an sich am 27.4., weil Art. 336c Abs. 3 OR jedoch festhält, dass die verlängerte Kündigungsfrist ohne anderslautende Abmachung auf ein Monatsende erstreckt wird, kommt es zum Endtermin 30.4.2020.
Nun schreiben Sie aber, dass Ihre Klientin "weiterhin arbeitsunfähig" ist, ich gehe davon aus, dass Ihre Klientin seit dem 7.4. bis auf weiteres arbeitsunfähig ist. Ihre Klientin hat noch sechs Tage Sperrfirst "zu gut", so dass sich das Arbeitsverhältnis auf den 3. Mai verlängert und mit Blick auf Art. 336c Abs. 3 OR kommt es zu einer Verlängerung bis Ende Mai. Damit diese Rechtsfolge eintritt, muss der Arbeitgeberin umgehend ein Arztzeugnis unterbreitet werden, dass die fortgesetzte Arbeitsunfähigkeit ab dem 7.4.2020 bestätigt. Sollte Ihre Klientin im Mai wieder arbeitsfähig werden, so müsste sie umgehend ihre Arbeit anbieten.
Die Arbeitgeberin wird allenfalls argumentieren, mit der Freistellung wäre sie der Arbeitnehmerin ausreichend entgegengekommen. Zwar gibt es zu dieser Frage keinen grundsätzlichen Bundesgerichtsentscheid, es ist aber davon auszugehen, dass die Freistellung nicht dazu führt, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist nach OR 336c Abs. 2 und 3 aufgehoben wird.
Betreffend Krankentaggeldversicherung: Zu klären ist vorab, ob die Arbeitgeberin überhaupt eine solche Versicherung abgeschlossen hat, gesetzlich verpflichtet dazu ist sie nämlich nicht. Falls eine Krankentaggeldversicherung vorliegt, gilt es aufgrund der vertraglichen Bestimmungen zu klären, wie der Fall geregelt ist, dass ein Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Austretens aus der Firma krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Es gibt Versicherungslösungen, bei denen der Arbeitnehmer in einer solchen Situation weiterhin in der Kollektivversicherung verbleiben kann und auch die entsprechenden Leistungen erhält. Andere Krankentaggeldversicherungen wiederum sehen vor, dass in einer solchen Situation "nur" ein Übertrittsrecht in die Einzeltaggeldversicherung möglich ist (aber dies ohne Gesundheitsprüfung).
Sie müssen also bei der Arbeitgeberin Einblick in die Krankentaggeldversicherungsunterlagen anfordern bzw. um Klärung bitten, was bezüglich Ende des Arbeitsverhältnisses und Krankentaggeldversicherung genau geregelt ist.
Ungünstig wäre, wenn die Arbeitgeberin überhaupt keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, diesfalls würde die Arbeitgeberin bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nämlich nur drei Wochen lang den Lohn schulden (Art. 324a OR). Hier würde auch die Verlängerung der Kündigungsfrist nichts nützen, den die drei Wochen Lohnfortzahlungspflicht wären bereits anfangs April abgelaufen.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli