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Verkauf Kleider / Twint-Einnahmen

Veröffentlicht:
11.02.2020
Kanton:
Wallis
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Im Januar 2020 hat sich eine alleinerziehende Mutter bei uns angemeldet und möchte ihren Anspruch auf Sozialhilfe klären lassen. Auf den Kontoauszügen der letzten drei Monate waren diverse Twint-Einnahmen ersichtlich. Laut Klientin hat sie Sachen von den Kindern verkauft,  die sie nicht mehr braucht um neue bzw. passende Sachen zu kaufen. (Kleider, Stoffwindeln etc.) Die Twint-Einnahmen belaufen sich auf durchschnittlich 700.00 pro Monat. Die jüngsten drei Kinder sind zwischen 2-4 Jahre alt. Die Frau besitzt ein Barvermögen von rund 800.00 und die Kinder haben Jugendsparkonti (Sperrkonti) mit einem Vermögen von insgesamt 7'000.00. Der Vermögensfreibetrag für dieses Familiensystem liegt bei 10'000.00.

Müssen diese Einnahmen aus den Verkäufen dem Sozialhilfebudget angerechnet werden? Oder sind diese Einnahmen dem Vermögen anzurechnen? (Barvermögen 7'800.00 bei Anmeldung / Plus Einnahmen der letzten drei Monate à 700.00 somit 2'100.00)

Freundliche Grüsse

A. Heinzmann

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Herr Heinzmann

Gerne beantworte ich Ihre Frage. Leider hat sich die Antwort aus krankheitsbedingten Gründen etwas verzögert.

Kleider, Stoffwindeln sind Güter des alltäglichen Bedarfs und gehören zum sog. Schonvermögen (Begriff aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht). Dieses Vermögen ist gemäss Ziff. 16 der Weisung des Departements für Gesundheit, Soziales und Kultur vom 1.7.12 zur Berechnung des Sozialhilfebudgets (Stand 1.1.16; Nachfolgend: GSK-Weisung) von Sozialhilfe unberücksichtigt zu lassen. Dabei erklärt die GSK-Weisung die entsprechende Regelung der SKOS-RL zu Hausrat und persönliche Effekte als anwendbar (Kap. E.2.1 SKOS-RL). Dies hat zur Folge, dass der vom Gesetz über die Eingliederung und Sozialhilfe (GES) erklärte Vorrang des Vermögens gegenüber der Sozialhilfe (Art. 2 Abs. 3 GES) hier seine Grenzen hat.

Veräussert aber jemand seinen Hausrat, stellt sich die Frage, wie mit den betreffenden Einnahmen umzugehen ist. Dem Zuflussprinzip folgend sind die Einnahmen als Einkommen einzustufen und deshalb grundsätzlich anzurechnen zum Zeitpunkt, zu dem sie eingehen (siehe Guido Wizent, Sozialhilferecht, Dike 2020, Rz. 616 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung Urteil Bundesgericht 8C_79/2012 vom 10.5.12). Handelt es sich aber um Vermögen, das vor Aufnahme der Unterstützung vorhanden war, sind diese Erträge als Ersatzleistungen für dieses Vermögen zu betrachten. Unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, den Erlös soweit unberücksichtigt zu lassen, als er sich im Rahmen des zu Unterstützungsbeginn zugestandenen Vermögensfreibetrags bewegt, dies unter Einbezug des übrigen anrechenbaren Vermögens (siehe Guido Wizent, Sozialhilferecht, Dike 2020, Rz. 620). Dieses Ergebnis lässt sich auch auf Schonvermögen bzw. Hausrat und persönliche Effekte anwenden. Es stellt sich aber aus meiner Sicht die Frage, wie damit zu verfahren ist, wenn damit neues Schonvermögen angeschafft wird, wie in dem von Ihnen geschilderten Fall, wo die Klientin angibt, den Erlös von zu kleinen Kinderkleider für passende zu verwenden. Aus meiner Sicht würde sich rechtfertigen, diese Fälle etwas kulanter zu halten. Soweit die Ersatzanschaffung notwendig, aus Sicht der Sozialhilfe sinnvoll und sich in einem finanziellen Rahmen (keine Luxusgüter) bewegt, erachte ich es dann als legitim, den Erlös aus Schonvermögen gänzlich unberücksichtigt zu lassen, in den übrigen Fällen im Rahmen des Vermögensfreibetrags wie oben erwähnt.

An diesem Ergebnis ändert auch nicht, wenn die Kinderkleider zum Kindesvermögen gezählt würden. Denn sobald die Eltern Kindesvermögen für den alltäglichen Bedarf antasten, verliert es den Sparcharakter und geniesst meiner Meinung nach nicht mehr den Schutz nach Art. 318 ff. ZGB (siehe dazu meine Antwort auf Sozialinfo vom 21.1.20 zum Thema «Vermögen auf Konto von Minderjährigen»).

In Ihrem Fall wären aus meiner Sicht die Erlöse nicht anzurechnen, wenn sie für die angegebenen Ersatzanschaffungen verwendet wurden. Wurden sie für anderes verwendet, dann käme man zum selben Ergebnis, da diese Erlöse in den Vermögensfreibetrag fallen (dazu im letzten Abschnitt).

Dabei fällt aber noch ins Gewicht, dass die Erlöse in die Zeit vor Unterstützungsbeginn fallen und offensichtlich nicht mehr vorhanden sind. So wäre eine Anrechnung nur unter dem Aspekt des Verzichtsvermögens (Art. 2 Abs. 3 GES) möglich. Das wäre jedoch nur bei Vermögen über dem Vermögensfreibetrag zulässig (soweit es nicht zum Schonvermögen zählt) und, soweit keine adäquate Gegenleistung dafür erbracht wurde (Art. 2 Abs. 3 lit. a ARGES). Bereits die Voraussetzung der fehlenden adäquaten Gegenleistung scheint nicht erfüllt zu sein, hat die Klientin doch eine Gegenleistung für diese Kleider erhalten und den Erlös hat sie nicht verschenkt, sondern ihren Angaben zufolge für Neuanschaffungen eingesetzt.

Nach dem Gesagten bin ich der Meinung, dass diese Erlöse nicht berücksichtigt werden dürfen. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch zum Kindesvermögen Stellung nehmen. Das Kindesvermögen von vorliegend Fr. 7000 (Jugendsperrkonti) ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen Art. 318 ff. ZGB geschützt und darf von der Sozialhilfe nicht berücksichtigt werden - ausser mit Zustimmung der KESB (siehe dazu meine Antwort auf Sozialinfo vom 21.1.20 zum Thema «Vermögen auf Konto von Minderjährigen»). Deshalb ist das Kindesvermögen auch bei der Feststellung, ob Vermögen über dem Vermögensfreibetrag vorhanden ist, gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Zwar wird in der GSK-Weisung unter Ziff. 19 erwähnt, dass den Kindern ein Vermögensfreibetrag von Fr. 4000 zuzugestehen ist, womit jedoch der Aufbau von blockiertem Vermögen während des Sozialhilfebezugs gemeint ist. Im Generellen wird in der GSK-Weisung das ZGB und Kap. E.2.1 der SKOS-Richtlinien für anwendbar erklärt – wobei das ZGB aufgrund des Bundesrechtscharakters auch ohne Anwendbarkeitserklärung zwingend zu beachten ist. D.h. die Fr. 7'000 dürfen ohne Einwilligung der KESB nicht berücksichtigt werden. Mit anderen Worten im vorliegenden Fall dürfen nur die Fr. 800 für den Vermögensfreibetrag von Fr. 10’000 für die 4-köpfige Familie berücksichtigt werden. Andernfalls würde man nicht dem Sinne und Zweck des Vermögensfreibetrags gerecht werden, wenn Vermögen einbezogen würde, das gar nicht angetastet werden darf.

Ich hoffe, mit den Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder