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Verhältnis Beistandsperson - Willensvollstrecker

Veröffentlicht:
10.05.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi Frau Anderer
Folgender Sachverhalt präsentiert sich:
Erblasserin A hinterlässt ihren Ehegatten B als allein begünstigter Erbe. Für B besteht eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung, wobei die Handlungsfähigkeit in finanziellen Belangen eingeschränkt wurde (Art. 394 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 und 3 ZGB).
In der letztwilligen Verfügung im Ehe- und Erbvertrag zwischen A und B wurde D als Willensvollstrecker eingesetzt. D hat gemäss Ehe und Erbvertrag zwischen A und B die Hälfte des im Zeitpunkt des Todesfalls vorhandenen Gesamtgutes sicher anzulegen. Sollte B für seinen eigenen Lebensunterhalt auf Mittel aus diesem sichergestellten Betrag angewiesen sein, soll die Sicherstellung in diesem Umfang aufgehoben werden.
Es stellt sich nun die Frage, wie das Verhältnis Willensvollstrecker - Beistand auszulegen ist. D verlangt von C, dass er das Vermögen teilt (damit D die Hälfte des Vermögens sicherstellen kann). C kann das Vermögen zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der fehlenden Erbbescheinigung nicht teilen, da das Konto nach wie vor auf A und B lautet, somit ein Einzelkonto für B aufgrund der fehlenden Erbbescheinigung noch nicht errichtet werden konnte.
Hat nun der Beistand oder der Willensvollstrecker Zugriff auf das Konto? Welche Aufgaben kommen nun dem Willensvollstrecker bzw. dem Beistand zu? Gibt es parallele Zuständigkeiten?
Besten Dank für Ihre Antwort!
MfG, N. Giger

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Erwägungen
Aufgrund der knappen Schilderung des Sachverhaltes erfolgt die Antwort unter Annahmen.
Ich gehe davon aus, dass die Ehegatten mittels Ehe- und Erbvertrag den Güterstand der Gütergemeinschaft gewählt haben und dass keine Nachkommen vorhanden sind. Ich gehe weiter davon aus, dass aus güterrechtlicher Auseinandersetzung gestützt auf Art. 241 Abs. 1 ZGB dem überlebenden Ehegatten die Hälfte des Gesamtgutes zusteht. Möglich wäre auch, dass gestützt auf Art. 241 Abs. 2 ZGB bei der Auflösung der Ehe durch Tod die gesetzlich vorgesehene Teilung des Gesamtgutes abgeändert werden könnte. Aus dem Sachverhalt geht aber dies nicht hervor.
B steht unter obiger Annahme die Hälfte des Gesamtgutes aus güterrechtlicher Auseinandersetzung zu, während die andere Hälfte des Gesamtgutes den Nachlass darstellt, an welchem B als alleiniger Erbe berechtigt ist. Ehevertraglich wurde vereinbart, dass die andere Hälfte des Gesamtgutes, also der gesamte Nachlass, sicher anzulegen ist und nur dann aus der Sicherung zu entlassen ist, wenn es für die Bestreitung des Lebensunterhaltes des überlebenden Ehegatten notwendig ist. Für diesen Teil wurde der Willensvollstrecker eingesetzt.
Weiter nehme ich an, dass A und B das Geld auf einem Gemeinschaftskonto haben, welches grundsätzlich eine Einzelverfügungsberechtigung jedes Kontoinhabers beinhaltet (Anwendungsfall der Gläubigersolidarität [Art. 150 OR; BGE 112 III 98]). In der Praxis aber gewähren die Banken bei Nachlasssituationen dem überlebenden Kontoberechtigten regelmässig nur eingeschränkten Zugriff zu diesem Konto, bis die erbrechtlichen Verhältnisse geklärt sind (z.B. Zahlung von Miete, KK, Lebensunterhalt etc.). Ebenso kann der Willensvollstrecker in dieser Konstellation nicht selbstständig auf dieses Konto greifen.
Dem Willensvollstrecker stehen gemäss Art. 518 Abs. 1 ZGB die gleichen Rechte und Pflichten zu, wie dem Erbschaftsverwalter. Diese Rechten gelten gegenüber den Erben. Den Erben sind die Verfügungs- und Besitzrechte, soweit diese zur Erfüllung der Aufgabe des Willensvollstreckers in seinem Besitz stehen, vollständig entzogen (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, Art. 518 N 6). Das bedeutet, dass der Willensvollstrecker verlangen kann, dass ihm die Hälfte des Kontoguthabens (also der gesamte Nachlass) zur sicheren Anlage übertragen wird. Die andere Hälfte fällt aus Güterrecht dem überlebenden Ehegatten B zu.
Fazit:
Die Haltung der Bank, dass trotz Einzelzeichnungsbefugnis der Einzelzugriff des überlebenden Ehegatten auf das Gemeinschaftskonto beschränkt wird, ist herrschende Praxis. Sobald der Zugriff möglich ist, hat der Beistand als gesetzlicher Vertreter von B Zugriff auf die Hälfte des Kontoguthabens, da dieses B aus Güterrecht zusteht und somit nicht unter den Nachlass fällt. Bezüglich dieses Vermögensteils bestehen keine konkurrierenden oder parallelen Zuständigkeiten. Der Beistand verwaltet diesen Teil des Vermögens alleine.
Die andere Hälfte des Kontoguthabens (gesamte Nachlass) ist gemäss erbvertraglicher Vereinbarung durch den Willensvollstrecker sicher anzulegen. Diesbezüglich besteht ebenfalls keine konkurrierende Zuständigkeit, da der Willensvollstrecker diesen Teil mit den Rechten und Pflichten eines Erbschaftsverwalters verwaltet und jegliches Verfügungsrecht B entzogen ist. Der Willensvollstrecker entscheidet damit nach pflichtgemässem Ermessen, in welcher Form und nach welchem Sicherheitsstandard das Vermögen anzulegen ist. B hat aber einen Anspruch auf Freigabe von Vermögensteilen, wenn dies zur Sicherung seines Unterhaltes notwendig ist. In diesem Bereich wird B durch den Beistand vertreten.
Der Beistand hat zudem in Vertretung von B Anspruch auf die aus der Willensvollstreckung entstehenden Auskunftsrechte. So muss der Willensvollstrecker den Erben, also B respektive den Beistand, die notwendigen Auskünfte erteilen, Informationen liefern, Akteneinsicht gewähren und periodisch gegenüber B Rechenschaft abzulegen (siehe dazu (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, Art. 518 N 17). Mit diesen Informationen kann dann der Beistand auch die entsprechenden Deklarationen (z.B. Steuererklärung, Stand Vermögen gegen über KESB etc.) vornehmen.
Kulmerau, 12.5.2017
Urs Vogel

Besten Dank für die Antwort!
Meinerseits ergibt sich noch die folgende Anschlussfrage:
Darf der Willensvollstrecker seine Aufwendungen gleich selbständig dem von ihm verwalteten Nachlass belasten oder muss er die Rechnung dafür der Beistandsperson zur Zahlung weiterleiten? Darf die Beistandsperson die Abrechnungen des Willensvollstrecker hinterfragen resp. nicht zahlen, wenn sie findet, dass diese überrissen resp. nicht angebracht sind? Leider gestaltet sich die Zusammenarbeit der Beiden eher schwierig..
Freundliche Grüsse, Nicoletta Giger

Frage beantwortet am

Urs Vogel

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Gemäss Art. 517 Abs.- 3 ZGB hat der Willensvollstrecker Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Diese sind grundsätzlich bei der Beendigung der Tätigkeit fällig (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, Art. 517 N 32). Bei Willensvollstreckungen die sich über einen längeren Zeitraum hinwegziehen, hat der Willensvollstrecker das Recht, selbstständig zu Lasten des Nachlasses Akontozahlungen zu beziehen (BGer 5C.69/2006 E. 2.2). In der Regel ist zudem jährlich eine detaillierte Abrechnung über die geleistete Arbeit und die bezogene Entschädigung den Erben einzureichen. Diese Zwischenrechnungen stehen, wenn nichts Anderes ausdrücklich vereinbart wurde, unter dem Vorbehalt der Schlussrechnung. Vergütung und Spesenersatz stellen Erbgangsschulden dar und sind daher dem Nachlass zu belasten. Über die Festsetzung von Vergütung und Spesenersatz entscheidet im Streitfall der Richter (BGE 78 II 123 E. 1a).
Fazit:
Der Willensvollstrecker kann sein Honorar direkt aus dem Nachlass, den er verwaltet beziehen, sei dies als Akontozahlung oder im Fall der Schlussrechnung vor Herausgabe des Vermögens an die Erben. Wird die Höhe des Honorarbezuges bestritten, so ist darüber durch den ordentlichen Richter zu entscheiden.
Kulmerau, 27.5.17
Urs Vogel