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Verhalten führt zu Programmabbruch - Kürzungsgrund?

Veröffentlicht:
29.08.2022
Kanton:
St. Gallen
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Mein Klient erhielt vor einem Jahr die Auflage an einem Integrationsprogramm teilzunehmen, was er auch lückenlos getan hat. Er erhielt auf der Grundlage seiner geleisteten Stunden eine Integrationszulage von max. Fr. 300.00 por Monat. Diese Integrationszulage verwendete er, um die Differenzmiete von Fr. 322.00 pro Monat auszugleichen. Nur mit der Integrationszulage ist es ihm möglich die Wohnung mit dem erhöhten Mietzins von Fr. 1'422.00 zu tragen (Referenzmiete Fr. 1'100.00 für 1 P. in 1 P. HH.). Es wurde einerseits die Auflage zur Suche einer günstigeren Wohnung sowie die Reduktion der Miete auf unsere Referenzmiete im Laufe des letzten Jahres verfügt. 

Nun wurde von Seiten des Integrationsprogrammes die Teilnahme meines Klienten am Programm per sofort beendet. Es liegt ein Whatsapp vor, indem der Klient difuse Drohungen an die Programmleitung ausspricht. Die Programmleitung nimmt diese Drohungen als Rufschädigung und Vertrauensmissbrauch wahr und möchte nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten. 

Da der Klient nun nicht mehr an einem Programm teilnimmt, erhält er auch keine Integrationszulagen mehr und muss mit seinem Grundbedarf die Differenzmiete von Fr. 322.00 wieder vollständig selber tragen. 

Meine Frage: Kann der Klient aufgrund des Programmabbruchs sanktionsweise gekürzt werden, obwohl die Zahlung der Differenzmiete aus dem Grundbedarf bereits die 30% Kürzungslimite übersteigt (Grundbedarf liegt bei Fr. 997.00)? Und welcher Gesetzesartikel aus dem St. Galler Sozialhilfegesetz würde Sie mir zur Begründung empfehlen, könnte ich eine sanktionsweise Kürzung aufgfrund des selbst verschuldeten Programmabruchs vornehmen?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Melanie Studer

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Die Frage, ob in der von Ihnen beschriebenen Konstellation (Miete liegt über den Mietzinsrichtlinien und der Differenzbetrag wird aus dem Grundbedarf getragen ) eine sanktionsweise Kürzung des GBL möglich ist, ist nicht ganz unumstritten. Handelt es sich wie in Ihrem Fall um eine andere Pflichtverletzung, als das Wohnen in einer zu teuren Wohnung, sind sanktionsweise Kürzungen des Grundbedarfs in der Regel als zulässig zu betrachten, da ansonsten weitere Pflichtverletzungen ungeahndet bleiben müssten. Dies hat zumindest das Verwaltungsgericht des Kantons Bern so festgehalten (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, 100.2018.292U vom 19.02.2019, E. 5.3.1 – Rechtsprechung aus dem Kanton St. Gallen zu dieser Frage ist mir nicht bekannt). Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, dass mit der Ausrichtung der gekürzten Miete und dem Wissen, dass ein beträchtlicher Teil des GBL für die Miete eingesetzt werden muss, ein Eingriff ins absolute Existenzminimum verbunden sein könnte (siehe zur Diskussion Schnyder Ruth, Wohnen und Sozialhilfe – eine rechtliche Auslegordnung, Jusletter vom 25. März 2019, Rz. 77); dies ist gerade auch in Ihrem Fall i.S. der Verhältnismässigkeit einer allfälligen Sanktion zu bedenken.

Eine sanktionsweise Kürzung der Sozialhilfe ist gem. Art. 17 Abs. 1 lit. c SHG/SG u.a. dann möglich, wenn eine unterstützte Person Bedingungen und Auflagen missachtet. Ein anderer Kürzungstatbestand kommt m.E. im vorliegenden Fall nicht in Frage. Gem. den SKOS-Richtlinien und dem KOS-Handbuch (integriert in die SKOS-Richtlinien unter F.2.) haben Auflagen so formuliert zu sein, dass die Folgen der Nichtbeachtung klar sind, insbesondere haben allfällige Leistungskürzungen ausdrücklich angedroht sein. Allfällige Kürzungen müssen dem Verhältnismässigkeitsprinzip Rechnung tragen und dem Verschulden der betroffenen Person angemessen sein. In Ihrem Fall stellt sich aus meiner Sicht v.a. die Frage, ob sie den Programmabbruch seitens der Programmleitung durch die «diffusen Drohungen» als gerechtfertigt erachten und ob die unterstützte Person mit einem Programmabbruch und allenfalls mit Leistungskürzungen zu rechnen hatte, bzw. diesen in Kauf genommen hat. Hat er mit seinem Verhalten in ihm vorwerfbarer Weise gegen die Auflage verstossen? Das wäre im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs vor einem allfälligen Kürzungsentscheid zu klären.

Zu prüfen wäre m.E. im Weiteren, in welchem Rahmen allenfalls ein erneuter Einsatz in einem (anderen) Integrationsprogramm zweckmässig wäre und dem Klienten erneut die Möglichkeit eine IZU und eine Integrationsperspektive zu erwirtschaften, zu geben wäre.

Ich hoffe, diese Hinweise helfen Ihnen weiter.

Beste Grüsse

Melanie Studer