Sehr geehrte Angeschrieben
Ein Klient von uns muss gegenüber der Sozialhilfe als einziger einen Arbeitsnachweis bringen, obwohl klar ist das sein Arbeitgeber (Gassenküche) bei einer übersteigung des Verdienstes gemäss URL für Sozialhilfevollbezüger vom Betreib aus melden würde. Die für unseren Klienten zuständige Sachbearbeiterin der Sozialhilfe droht unserem Klienten regelmässig mit dem Zurückbehalten des Grundbedarfs, bis er diesen NAchweis bringt. Wir, die Wohnbegleitung und die Leitung der Gassenküche, haben verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, dass unser Klient gar nicht in der LAge ist, dies zu machen und die Gassenküche zwecks Verrechnung mit dem Grundbedarf bei Überschreitung des Freibetrages Meldung machen wird. Frage: Ist dies zulässig? Müsste dies nicht auch schriftlich verfügt werden? Es ligt uns keine Verfügung vor.
Antwortmail nach unserer zweiten Intervention; Gemäss Rücksprache mit Frau (Name uns bekannt, Temaleiterin u. Vorgesetzte der Sachbearbeiterin) werden wir die Sozialhilfe Januar mit einem Pauschaleinkommen von CHF 150.00 (entspricht dem Freibetrag), automatisch, ohne Einkommensnachweis, verbuchen.
Die Antwort kam, als wir mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht haben, dass unser Klient körperlich und Psychisch gar nicht in der LAge sei, eine eigene Liste für den Arbeitsnachweis zu führen.
Wie können wir / kann der Klient mit unserer Unterstützung vorgehen, dass diese Forderung vom Tisch ist? Er ist der einzige, der dies als Angestellter in der Gassenküche machen soll - Der administrative Leiter hat dies ebenfalls mehere Male selbst gegenüber der Sozialhilfe Basel-Stadt bemängelt.
Mit freunldichen Grüssen
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Morgen
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Wie Sie schildern, geht es darum, dass Ihr Klient gegenüber der Sozialhilfe Basel-Stadt jeden Monat nachweisen muss, in welchem Umfang er Erwerbseinkommen bei der Gassenküche erzielt hat. Sie hinterfragen diese Pflicht aus im Wesentlichen drei Gründen:
- Der Klient sei körperlich und psychisch nicht in der Lage, monatlich diesen Nachweis zu erbringen (eine Liste für die Arbeitsnachweise zu führen)
- Die Arbeitgeberin, die Gassenküche, würde der Sozialhilfe Meldung machen, wenn das monatliche Einkommen den Einkommensfreibetrag von Fr. 150 überschreiten würde.
- Andere Klienten der Sozialhilfe Basel-Stadt, die bei der Gassenküche tätig seien, würden diesen Nachweis nicht erbringen müssen.
Ausserdem stellen Sie in Frage, ob die von der Sozialhilfe angekündigte pauschale Anrechnung eines Erwerbseinkommens von Fr. 150 unter Verzicht auf den Nachweis rechtens ist. Sie möchten schliesslich wissen, wie das verfahrensrechtlich korrekte Vorgehen ist.
Generell sind Sozialhilfebeziehende verpflichtet, ihre Einkommensverhältnisse zu deklarieren. Da die wirtschaftliche Hilfe monatlich ausgelegt ist, muss der Nachweis monatlich erfolgen. Wie dieser Nachweis erfolgen muss, steht im Ermessen der Sozialhilfe. Bei schwankendem Einkommen wird der Nachweis klassischerweise mit Lohnbelegen, welche vom Arbeitgeber ausgehändigt werden, erbracht. Bei der Gassenküche handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Arbeitgeber. Das Konzept ist, dass Gäste der Gassenküche gegen ein kleines Entgelt mitarbeiten können. Ich nehme an, es geht um dieses Entgelt – falls dem nicht so wäre, lassen Sie es mich wissen. Die Entgelte aus solchen Einsätzen sollte Ihr Klient demnach monatlich deklarieren.
Das Einfordern eines Nachweises muss dem Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV) Rechnung tragen. Das heisst der Nachweis muss geeignet, notwendig und der betroffenen Person zumutbar sein. Die geforderten Arbeitsnachweise sind geeignet, um das monatliche Einkommen zu deklarieren. Ob diese notwendig sind, scheint im vorliegenden Fall nicht so klar zu sein. Denn die Gassenküche hat der Sozialhilfe offenbar zugesichert, Meldung zu machen, wenn die monatlichen Entgelte insgesamt die Höhe des Einkommensfreibetrages von Fr. 150 (Ziff. 12.1 der URL) übersteigen. Insoweit ist die Arbeitgeberin bereit, relevantes Einkommen direkt gegenüber der Sozialhilfe zu melden. Angesichts dessen, dass es laut Ihren Angaben dem Klienten psychisch und physisch nicht zumutbar ist, über die Entgelte Buch zu führen und die Liste fristgerecht der Sozialhilfe zu unterbreiten, scheint mir das Festhalten am monatlichen Nachweis als unverhältnismässig, wenn die Sozialhilfe keine besonderen Gründe anführen kann, weshalb gerade bei Ihrem Klienten der monatliche Arbeitsnachweis erforderlich ist, wo sie offenbar bei anderen Klienten darauf verzichtet. Bei der Gassenküche handelt es sich zudem nicht um eine unbekannte Arbeitgeberin, sondern sie ist eine wichtige Anlaufstelle für in Not geratene Menschen, damit sie sich gratis bzw. günstig verpflegen können. Darüber hinaus leistet die Gassenküche einen niederschwelligen Beitrag an die Arbeitsintegration dieser Menschen. Sie ist also eine wichtige Partnerin für die Sozialhilfe Basel-Stadt. Insoweit scheint es mir gerechtfertigt, dass bei diesem Klientel nicht die Regelnachweise für ihre Entgelte verlangt, sondern die Meldung der Gassenküche als ausreichend erachtet wird. Falls diese Meldung für die Sozialhilfe Basel-Stadt nicht ausreichend sein sollte, stünde es ihr frei, die Modalitäten mit der Gassenküche auszuhandeln, die dann aber für alle Klienten gelten.
Da meiner Meinung nach der geforderte Arbeitsnachweis als unverhältnismässig einzustufen ist, ist die standardmässige Anrechnung von Fr. 150 ab Januar 2022 nicht zulässig. Die Anrechnung von Fr. 150 würde im Übrigen bedeuten, dass der Klient im Monat Fr. 300 an Entgelten verdienen würde, wovon er Fr. 150 behalten dürfte (4. Abschnitt von Ziff. 12.1 URL). Die Sozialhilfe müsste eine solche Pauschalisierung detailliert begründen können. Denn grundsätzlich darf die Sozialhilfe nur die tatsächlich verfügbaren Einnahmen anrechnen (SKOS-RL D.1 Abs. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 URL).
Die bisherige Handhabung, wonach der Grundbedarf zurückbehalten wird, wenn der Nachweis nicht erbracht wird, stufe ich als unzulässig ein, da ich den geforderten Arbeitsnachweis aufgrund Ihrer Angaben als unverhältnismässig einstufe.
Verfahrensrechtlich muss die Sozialhilfe diesen in Aussicht gestellten Abzug von Fr. 150 verfügen (im Rahmen einer Budgetverfügung oder Abrechnungsverfügung). Diese Verfügung könnte dann mit Rekurs (siehe dazu die Rechtsmittelbelehrung auf der Verfügung) angefochten werden. Falls die aufschiebende Wirkung in der Verfügung entzogen würde, dann wäre zudem eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu beantragen. Dies bedeutet, dass während des Rekursverfahrens der Abzug nicht vorgenommen werden darf. Ist in der Verfügung nichts zum Entzug der aufschiebenden Wirkung erwähnt, dann wirkt der Rekurs automatisch aufschiebend, d.h. der Abzug darf während des Rekursverfahrens nicht vollzogen werden. Es müsste dazu nichts weiteres mehr im Rekurs erwähnt werden.
Parallel wäre zu überlegen, dass die Angelegenheit auch der Abteilungsleitung, Bereichsleitung oder dem Amtsleiter der Sozialhilfe Basel-Stadt unterbreitet würde, da offenbar der Einbezug der Teamleitung nicht weiterbrachte. Auch bestünde die Möglichkeit, die Ombudsstelle zu involvieren, welche vermittelnd mit der Sozialhilfe in Kontakt treten kann.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Ich wünsche Ihnen eine frohe Festtagszeit.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder