Guten Tag
Eine Klientin von mir hat im April 23 (ich war damals noch nicht zuständig) von der Ausleichskasse Bern eine Verfügung erhalten, dass sie ab 1.1.23 keinen Anspruch mehr auf EL habe.
Die Klientin hätte im 2022 einen Teil eines Grundstücks geerbt, hat aber zugunsten der Nichte darauf verzichtet. Nun rechnet ihr aber die Ausgleichskasse logischerweise ein Verzichtsvermögen von CHF 190'000.- an.
Meine Klientin hat psychische Probleme, sie kennt und kannte sich nicht aus mit der Rechtslage rund um die EL. Sie war der Meinung, ihr würde die kleine Rente und die EL schon reichen und sie benötige dieses Grundstück nicht, deswegen hat sie darauf verzichtet. Da sie ja die EL nun verloren hat bis auf weiteres, von der Nichte aber gar keinen Gegenwert für das Grundstück erhalten hat, wäre es finanziell sehr knapp geworden. Deswegen konnte die Klientin mit ihrer Nichte ausmachen, dass diese ihr CHF 120'000.- in drei Raten à CHF 40'000.- bezahlt.
Meine Fragen:
- Die Verfügung der Ausgleichskasse ist vom 2023, das Erbe vom 2022, kann man überhaupt noch etwas am Sachverhalt ändern? Würde allesnfalls ein Arztzeugnis hier weiterhelfen?
-Wenn die Nichte meiner Klientin nun fast zwei Jahre später meiner Klientin noch Geld überweist, müsste dies zwingend als Gegenleistung für das Grundstück deklariert werden, oder? Müsste dies anhand einem Kaufvertrag gemacht werden? Bestünde sonst nicht noch die Gefahr, dass das Geld als Schenkung deklariert wird und noch Schenkungssteuer erhoben wird (da nicht direkte Linie)?
-Falls es rückwirkend als Verkauf und nicht als als Erbverzicht gehandhabt wird, würde es für die Ausgelichskasse auch nicht als Verzichtsvermögen, sondern einfach als Nettovermögen in die "Rechnung" einfliessen, was für die Klientin Vorteile hätte, oder?
Ich danke vielmals für die Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr gerne beantworte ich Ihre Fragen.
Bzgl. EL kann grundsätzlich mit Blick auf weitere Verfügungen und Leistungen mit dem Argument, es sei kein Verzichtsvermögen einzurechnen argumentiert werden, bzw. eine entsprechende Einsprache vorgesehen werden.
Die von Ihnen genannten psychischen Probleme müssten aber so erheblich die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Betroffenen einschränken, dass diese als urteilsunfähig taxiert werden müsste. So könnte der Erbverzicht wegen Nichtigkeit der entsprechenden Willenserklärung angefochten werden. Die Hürde dafür ist aber sehr hoch. Ich denke nicht, dass das in der vorliegenden Konstellation ein gangbarer Weg ist.
Eher wäre zu argumentieren, es lag bei der Person, welche die Schenkung/den Verzicht vorgenommen hat, ein Willensmangel vor, weil sie die Folgen bzgl. EL nicht erkennen konnte. Insoweit wäre ev. ein entsprechendes Arztzeugnis hilfreich.
Mit Blick auf die Zahlungen der Nichte für das Grundstück lohnt sich schon aus steuerrechtlichen Gründen, dass dies mit einem Berner Notar angeschaut wird, ob und wie hier trotz ursprünglicher Schenkung/Verzicht noch ein Kaufvertrag konstruiert werden könnte, ohne dass steuerrechtlich entsprechende Schenkungssteuern gewährt werden bei den Nachzahlungen der Nichte
Ich bin nicht Steuerrechtsspezialist. Deswegen rate Ihnen, dies mit einer Notarin/einem Notar zu besprechen.
EL-rechtlich ist es grundsätzlich möglich, einen früheren Verzicht durch nachfolgende Zahlungen zu kompensieren. Die Praxis der EL-Stellen ist aber in den Details, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen dies akzeptiert wird, uneinheitlich. Eine höchstrichterliche Praxis besteht nicht.
Sicher ist, dass aus dem neuen Rechtsgeschäft klar sein muss, dass es sich um Zahlungen handelt für die kostenlos/vergünstigt übertragene Liegenschaft. Ein Vertrag, in dem dargestellt ist, dass die Zahlungen erfolgen, weil ihre Klientin aus einem Irrtum auf die Gegenleistung verzichtet hatte, dürfte hier notwendig sein. Und der explizite Hinweis, welche entsprechenden Rechtsgeschäfte von 2002 ersetzt werden.
Ich rate dazu, auf jeden Fall einen solchen Vertrag mit einer Berner Notarin/einem Berner Notaren aufzusetzen, gerade mit Blick auf die steuerrechtlichen Fragen.
Und selbstverständlich muss die betroffene Person dann vom neu erhaltenen Vermögen leben und darf nicht übermässig rasch dieses Vermögen verbrauchen (vgl. RWL 3533.01 ff.).
Hinsichtlich der EL-rechtlichen Komponente rate ich dazu, zur Vorbereitung des Austausches mit der Notarperson bei der Ausgleichskasse (noch anonym) die Praxis in solchen Fällen einzuholen. Also eine Rechtsauskunft, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen eine solche nachträgliche Zahlung akzeptiert würde zur Streichung des Vermögensverzichts in zukünftigen EL-Berechnungen.
Ich hoffe, das dient Ihnen. Peter Mösch Payot