Ich habe einen Abklärungsauftrag für die KESB gemacht. Es ging darum, dass ein 11-jähriger Junge sich wegen des neuen Partners der Mutter beschwert hatte. Er fühlte sich von diesem bedroht und beantragte eine Umplatzierung zum Vater. Einerseits musste abgeklärt werden, wie die Lebenssituation des Jungen aussah, ob der Verbleib bei der Mutter zumutbar sei, wie die Entwicklung des Jungen in den Bereichen Familie, Schule, Gesundheit, usw. aussah. Zudem musste die Lebenssituation der Eltern abgeklärt werden und es wurde angefragt, wie der Partner der Mutter sich über die Situation des Kindes äussert und welche Unterstützungsmassnahmen er bereit wäre anzunehmen.
Ich habe die Abklärung durchgeführt. Habe mit dem Kind, der Mutter, dem Vater, dem Partner der Mutter und der Hausärztin (Einwilligung der Mutter war vorhanden) gesprochen. Die Schule wurde nicht abgeklärt, da die Mutter dies nicht wollte.
Als ich den Bericht fertig hatte und meine Empfehlungen im Grossen und Ganzen standen, fragte ich die Mutter und den Partner an, ob sie damit einverstanden seien (Beistandschaft für das Kind, Familien- oder Paarberatung für sie, den Lebenspartner und evtl. dem Kind, SPF zur Erziehungsunterstützung der Mutter) oder ob andere Vorschläge vorhanden seien. Die Mutter zeigte sich nicht einverstanden. Der Partner war teilweise einverstanden, äusserte sich nicht über die Beistandschaft für das Kind.
Nun hat mich die Mutter angezeigt wegen Datenschutzverletzung, weil ich dem Partner nichts über die Beistandschaft für ihr Kind hätte sagen sollen.
Die Kindsmutter und der Partner haben ein gemeinsames Kind, das 1-jährig ist. Sie leben jedoch offiziell nicht zusammen. Der Partner wurde regelmässig über die Gespräche, die ich mit der Mutter hatte von ihr informiert.
Wie soll ich nun reagieren? Habe ich da einen Fehler gemacht? Ist die Anzeige berechtigt?
Danke für das Feedback
S. F.
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau F.
Vorweg, ich kann Ihnen leider die Fragen, ob Sie einen Fehler gemacht haben und die Anzeige berechtigt ist, nicht abschliessend beantworten. Dazu müsste ich den Sachverhalt konkreter prüfen können.
Als Erstes empfehle ich Ihnen, mit der KESB Kontakt aufzunehmen und um Beratung und Unterstützung zu ersuchen. Als Abklärende waren Sie für die KESB tätig.
Sie haben im Auftrag der KESB einen Abklärungsauftrag durchgeführt. Der Abklärungsauftrag muss klar formuliert sein und konkrete Fragestellungen enthalten.
Wenn ich die Sachverhaltsschilderung richtig verstehe, war im Auftrag auch enthalten, beim Partner der Mutter Informationen einzuholen und Abklärungen zu treffen. Nach Art. 448 Abs. 1 ZGB sind die am Verfahren beteiligten Personen und Dritte zur Mitwirkung bei der Abklärung des Sachverhalts verpflichtet. Ich kann nicht beurteilen, ob der Partner als Verfahrensbeteiligter qualifiziert werden kann und empfehle Ihnen, sich darüber mit der KESB zu unterhalten. Da der Auftrag auch darin bestand, mit ihm abzuklären, welche Massnahmen er unterstützten könne, erfordert das ja auch Gespräche darüber. Abklärung und Geheimhaltung gleichzeitig, geht m.E. so nicht.
Ansonsten gilt: Der Partner ist nicht Vater des Jungen und er ist auch nicht mit dessen Mutter verheiratet. Von daher können Informationen, die den Jungen und die Mutter betreffen, nicht an ihn weitergegeben werden. Haben Sie mit dem Partner alleine gesprochen, so hätten Sie ihm nur die ihn betreffenden Resultate mitteilen dürfen.
Wenn Sie die Abklärungsergebnisse in einer Runde mit der Mutter und dem Jungen besprochen haben, dürfte man wohl davon ausgehen, dass sie mit der Weitergabe der Informationen an den Partner einverstanden waren. Zwar regelt Art. 320 StGB, dass es sich vom Amtsgeheimnis nur mit schriftlicher Einwilligung der vorgesetzten Behörde entbinden lässt, jedoch kann das auch mit dem übergesetzlichem Rechtfertigungsgrund der Einwilligung der Privatperson geschehen (Aldo Elsener, Das Vormundschaftsgeheimnis, Diss Zürich 1993, S. 80 f.). Es empfiehlt sich also in so einer Runde immer, zu Beginn das Einverständnis abzufragen.
Nach Rücksprache mit der KESB, welche Ihnen allenfalls rechtliche Unterstützung zukommen lässt, können Sie die weiteren Schritte planen. Eventuell besprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber den Beizug einer Rechtsvertretung.
Ich hoffe, die Angaben sind trotzdem nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Karin Anderer
Luzern, 14.9.2017