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Urteilsfähigkeit im Bezug auf die Räumung einer Liegenschaft

Veröffentlicht:
16.09.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Guten Tag Frau Anderer

ich gelange mit folgender Frage aus dem Kanton Bern an sie:

Der Klient ist 86 Jahre alt und wohnt seit 23.03.2018 im Altersheim. Er ist verbeiständet gem. Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB. 

Der Klient verfügt über 10 Grundstücke: Haus, Wald, Alp, Weide, Acker und Kuhrechte. Die Grundstücke unterstehen zum Teil dem landwirtschaftlichen Bodenrecht.

Das uralte Holzhaus verfügt weder über ein Badezimmer (es ist ein Plumpskloo im Haus vorhanden) eine Zentralheizung noch über sonstige zeitgemässe Ausstattungen.  Früher fuhr das Postauto beim Haus vorbei, heute nicht mehr. Im Winter ist das Haus nicht einfach erreichbar. Das Haus ist überstellt mit Waren, im Sinne eines Messiehaushaltes. 

 Laut Arztbericht vom 17.10.2018 sind bezüglich der gesundheitlichen Perspektiven, im Rahmen seiner demenziellen Erkrankung, keine wesentliche Besserung seiner kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit zu erwarten. Es liegt ein Arztzeugnis vor, dass er nicht urteilsfähig im Bezug auf die Liegenschaft und dem dazugehörigen Haushalt ist. 

Die KESB hat nun von der fallführenden Beiständin verlangt, dass der Klient unterschreibt, dass die Waren entsorgt werden können. Haushaltsauflösungen ohne Einverständnis seien "heikel".  Ist das Vorgehen korrekt? Der Klient hat schwere Demenz, ist nicht urteilsfähig und kann den Ausführungen der Beiständin nicht folgen. Er hat noch nie etwas unterschrieben. 

Besten Dank für Ihre Einschätzung

Mit freundlichen Grüssen

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Bauer

Für die Liquidation des Haushalts ist die Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde erforderlich, ausser die urteilsfähige betroffene Person erteilt ihr Einverständnis und ihre Handlungsfähigkeit ist durch die Beistandschaft nicht eingeschränkt (Art. 416 Abs. 1 Ziff. 1 und 2).

Gemäss Ihren Angaben ist die Person urteilsunfähig in Bezug auf die Liegenschaft und den Haushalt. Somit kann sie weder der Liquidation rechtsgültig zustimmen noch Ihnen eine Unterschrift im Sinne eines Einverständnisses geben. Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen (Art. 18 ZGB).

Mit der Zustimmung der KESB sind Sie befugt, den Haushalt zu liquidieren. Allerdings ist Ihnen abzuraten, das alleine zu tun. Gibt es Angehörige, die hier miteinbezogen werden können, z.B. die potenziellen Erben? Unter Umständen gibt es Affektionswerte, die man in der Familie belassen möchte oder von denen man weiss, dass der Herr an ihnen hängt. Und vielleicht ist es auch möglich, dass die betroffene Person trotz Urteilsunfähigkeit einbezogen werden kann.

Sind die oben aufgezählten Varianten nicht möglich, empfehle ich Ihnen, die Räumung in einem 4-Augen-Prinzip durchführen zu lassen und ggf. zu dokumentieren.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

 

Luzern, 20.9.2019

Karin Anderer