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Unterstützungswohnsitz bei Platzierung im Schulheim

Veröffentlicht:
04.06.2025
Kanton:
Aargau
Status:
Neu
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Fragestellung

Erfüllt die Platzierung in einem Schulheim die Voraussetzungen für einen eigenen Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 7 Abs. 3 ZUG bei einem Kind? Oder erfüllt lediglich eine Kindesschutzrechtliche Fremdplatzierung (angeordnet/freiwillig) diese Voraussetzung?

Fallbeschreibung

Die Platzierung wurde durch die Schule angeordnet und die Mutter (Elternteil, bei welchem das Kind vor Platzierung gelebt hat) hat zugestimmt. Die Platzierung wurde über mind. 1 Jahr durch die Schule angeordnet. Das Kind ist Wochentags im Schulheim und übernachtet vor Ort. Der Elternbeitrag beträgt CHF 25.-/Nacht. Das Kind verbringt die Wochenenden im 14-Tage-Turnus sowie die Schulferien bei der Mutter (Elternteil, bei welchem das Kind vor Platzierung gelebt hat). Infolge der zeitlichen Komponente wird von einer dauernden Fremdplatzierung ausgegangen (mehr als 6 Monate). Die Ausführung von Wizent (2020) Rz. 264 "nur vorübergehend bei auswärtiger Schulbildung" würde dies jedoch wieder aufheben (ebenso Werner Thomet, 1994, S. 88, Rz. 132).

Vielen Dank für Ihre Präzisierung in dieser komplexen Thematik.

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Frage. Wie Sie zutreffend schreiben, ist die Frage nach der Zuständigkeit der Unterstützung oft komplex und in jedem einzelnen Fall nach sorgfältiger Klärung des Sachverhalts zu entscheiden.

Vorneweg sei festzuhalten, dass im Kanton Aargau nach 6 Abs. 3 SHG die Zuständigkeit sich auch innerkantonal gestützt auf das ZUG bestimmt. Dieses ist deshalb sowohl bei Fragen zur inter- wie auch innerkantonalen Zuständigkeit massgebend.

Nach Art. 7 Abs. 3 ZUG hat das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz am letzten gemeinsamen Wohnsitz mit den Eltern bzw. dem Elternteil, mit dem es überwiegend zusammenlebt, wenn es dauernd nicht bei den Eltern wohnt. Bereits aus der Formulierung «dauernd nicht bei den Eltern wohnen» wird klar, dass es sich nicht zwingend um ein behördlich angeordnetes sondern auch um ein freiwilliges Getrenntleben handeln kann (so auch das Bundesgericht z.B. in BGE 8C_195/2014 vom 25.01.2025 Erw. 4.3).

Wie aber ist der Begriff «dauernd» zu verstehen? Die Auslegung dieses Begriffes ist zentrales Thema in Lehre und Rechtsprechung. So schreibt Thomet in seinem Kommentar zum ZUG in RZ 132, dass meist dann nicht von einer Fremdplatzierung auszugehen sei, wenn das Kind Ferien an einem anderen Ort als bei den Eltern verbringt, wenn das Kind im Spital sei oder einen Kuraufenthalt mache, IV-Abklärungen vorgenommen würden oder ein Elternteil unpässlich sei. Kinder in einem Wocheninternat, die am Wochenende bei den Eltern seien, würden auch nicht dauerhaft nicht bei den Eltern wohnen. Grundsätzlich könne aber bei einer Fremdplatzierung von mehr als 6 Monaten von einer dauerhaften Fremdplatzierung ausgegangen werden. In Kapitel 3.1.4 lit. c des Sozialhilfehandbuchs des Kantons Aargau finden sich ebenfalls Ausführungen zu Art. 7 Abs. 3 ZUG. Dort wird ergänzend zu Thomet präzisiert, dass Massnahmen aufgrund der Gefährdung des Kindeswohls für eine dauernde Fremdplatzierung sprechen. Gegen ein «dauernd nicht bei den Eltern wohnen» spreche zudem, wenn das Kind eine auswärtige Schul- oder Berufsbildung absolviere. Auch Fremdaufenthalte, bei denen ein enger Kontakt mit den Eltern besteht und die Absicht besteht, dass das Kind nach einer bestimmten Zeit wieder zum Elternteil ziehe, würden gegen ein «dauernd nicht bei den Eltern wohnen» sprechen. Dahingehend äussert sich z.B. auch das Verwaltungsgericht Zürich in seinem Entscheid vom 01.10.2010 (VB.2019.00206), präzisiert aber, dass in diesen Fällen bei einer Platzierung von mehr als 6 Monaten von einer dauernden Fremdplatzierung auszugehen ist. Im – für den Kanton Aargau nicht massgeblichen – Sozialhilfehandbuch des Kantons Zürich und dem Sozialhilfehandbuch des Kantons Solothurn wird ausgeführt, dass eine dauernde Fremdplatzierung insbesondere dann vorliege, wenn ein Kind wegen persönlichen, schulischen und/oder familiären Problemen einer speziellen Betreuung bedürfe, die bei einem Verbleib bei den Eltern bzw. dem Elternteil nicht sichergestellt sei. Da die identische Formulierung im Sozialhilfehandbuch von Zürich und Solothurn vorkommt, gehe ich davon aus, dass diese gestützt auf einen Gerichtsentscheid erfolgt ist, den ich allerdings nicht gefunden habe. Allerdings finde ich diese Definition sehr überzeugend.

Wie oben ausgeführt, braucht es keine kindesschutzrechtliche Fremdplatzierung der KESB, damit die Voraussetzungen des «dauernd nicht beim Elternteil Lebens» gegeben sein können. Vorliegend ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass das Kind dauerhaft nicht beim Elternteil lebt, auch wenn keine Massnahme der KESB besteht. Die Platzierung in einem Schulheim ist für 1 Jahr – also länger als 6 Monate - angeordnet. Dies spricht grundsätzlich für ein «dauernd nicht bei Elternteil Wohnen». Zwar verbringt das Kind jedes zweite Wochenende und die Ferien bei der Mutter und eine Rückkehr zur Mutter ist grundsätzlich geplant. Aufgrund der Schilderung des Sachverhalts gehe ich aber davon aus, dass es persönliche, schulische und/oder familiäre Probleme gibt, die eine Betreuung ausserhalb der Familie notwendig erscheinen lassen. Ansonsten hätte die Schule die Platzierung im Schulheim nicht angeordnet. Gestützt auf den mir bekannten Sachverhalt komme ich deshalb zum Schluss, dass das Kind vorliegend dauernd nicht bei seiner Mutter wohnt und einen eigenen Unterstützungswohnsitz nach Art. 7 Abs. 3 ZUG hat. Eine abschliessende Einschätzung ist mir jedoch nicht möglich. Dafür müsste meiner Ansicht nach geklärt sein, weshalb genau die Platzierung im Schulheim erfolgte. Waren es andere Gründe als Probleme, die eine spezielle Betreuung notwendig machen, die vom Elternteil nicht sichergestellt werden kann?

Ich hoffe, Sie mit meiner Antwort unterstützen zu können.

Freundliche Grüsse