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Unterstützungswohnsitz

Veröffentlicht:
12.03.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Der Klient X wird zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Schwyzer Gemeinde finanziell nach SKOS unterstützt. Sie bewohnen eine Notunterkunft der Gemeinde und sind auf Wohnungssuche (Auflage der Fürsorgebehörde).
Der Familienvater ist in der Finanzbranche tätig und sieht keine Chancen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Die FB genehmigte ihm einen monatlichen Maximalbetrag für Fahrtkosten zu Interviews im Ausland (gegen Vorlage von Belegen und Terminbestätigungen).
Nun stellt sich bei Klientengesprächen mit der Frau heraus, dass er jeweils bis zu 4 Monaten ununterbrochen im Ausland bleibt, Zweck unbekannt. Ab und zu komme er wieder in die Schweiz, um administrative Angelegenheiten zu regeln. Der Kontakt sei jeweils eingeschränkt. Die monatlich geforderten Unterlagen werden jeweils per Mail eingereicht.
Die Frau widmet sich der Stellensuche und Erziehung der Kinder, welche die Primarschule am Wohnort besuchen.
Fragen:

  • Wie viele Tage pro Woche/Monat muss jemand am Wohnort anwesend sein, um dort einen Unterstützungswohnsitz zu begründen?
  • Kann die Sozialhilfe (unter Berücksichtigung von Art. 4 ZUG) für den Ehemann eingestellt werden?
  • wie muss die FB konkret vorgehen, um die Sozialhilfe für den Ehemann einzustellen und rechtlich korrekt zu handeln?
  • Unter welchen Bedingungen muss die FB den Ehemann die Fürsorgebehörde den Mann weiterunterstützen (z.B. Meldepflicht wöchentliche Präsenz beim Sekretariat)?

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrter Herr Fischer
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Jeder Ehegatte hat einen eigenen Unterstützungswohnsitz (Art. 6 ZUG). Demnach ist die Zuständigkeit für jeden separat zu beurteilen. Bei der Frage nach der Zuständigkeit stellt sich vorliegend die Frage, ob Herr X. seinen Unterstützungswohnsitz in der Schweiz aufgegeben hat, indem er aus der Schwyz weggezogen (Art. 9 ZUG) und ins Ausland gegangen ist. Wie ich Ihren Ausführungen entnehme, war der Unterstützungswohnsitz gemäss Art. 4 ZUG bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in Frage gestellt. Daraus folgt, dass der Kanton Schwyz im Sinne von Art. 12 ZUG (bei SchweizerInnen) oder Art. 20 ZUG (bei AusländerInnen) Herrn X. als Wohnkanton unterstützt hat.
Nun stellen Sie diesen in Frage, weil er gemäss Angaben der Ehefrau 4 Monate pro Jahr landesabwesend ist. Die 4 Monate verbringt er ununterbrochen im Ausland und kommt dazwischen nur für administrative Angelegenheiten zurück. Der Kontakt sei in dieser Zeit eingeschränkt. Der Sozialhilfe reicht er die Unterlagen per E-Mail ein.
Eine Landesabwesenheit führt nicht dazu, dass der bisherige Unterstützungswohnsitz untergeht und damit von einem Wegzug ausgegangen werden darf. Unter der Kategorie Sonderzweck anerkennt man Konstellation, wo jemand sich ausserhalb des Unterstützungswohnsitzes aufhält und trotzdem den Unterstützungswohnsitz beibehält. Das sind etwa Fälle von Ferien, Geschäftsreisen, Kuraufenthalte oder auch Vermeidung der Obdachlosigkeit oder Wochenaufenthalt. In diesen Fällen bleibt die rechtliche Verbundenheit mit dem bisherigen Unterstützungswohnsitz bestehen. Dies würde ich auch in Ihrem Fall so sehen. Dass der Klient sich vier Monate im Ausland aufhält, spricht für einen Sonderzweck (Arbeitssuche oder Erholung), zumal sich der Klient immer noch zum überwiegenden Teil in der Schweiz aufhält und bei seiner Familie lebt. D.h. den Unterstützungswohnsitz sehe ich aufgrund der geschilderten Umstände nicht in Frage gestellt. Dies bleibt so lange so, als sich nicht weitere Anhaltspunkte ergeben, wonach sich das Bild verdichtet, dass der Klient seinen Lebensmittelpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr im Kanton Schwyz bzw. Höfe hat. Solche Anhaltspunkte könnten sich allenfalls aus den folgenden Schritten ergeben.
Näher zu überprüfen ist jedenfalls die Bedürftigkeit des Klienten gemäss Art. 15 SHG. Der Klient muss Aufschluss darüber geben, u.a. wo er im Ausland lebt, wovon er im Ausland lebt (seine finanziellen Verhältnisse in dieser Zeit), wie er beispielsweise seine Unterkunft finanziert, was er dort tut, warum er der Sozialhilfe nicht von der längeren Landesabwesenheit berichtet hat. Weisen die Anhaltspunkte, die Sie erhalten, in die Richtung, wonach seine Bedürftigkeit während des Auslandaufenthalts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erstellt ist, hat er während dieser Zeit keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe. Für die rückwirkende Zeit der Landesabwesenheit wäre zudem eine Rückerstattung zu prüfen. Falls Sie die Unterstützungsleistungen einstellen, sollten Sie überlegen bzw. dem Klienten darlegen, unter welchen Bedingungen er wieder aufgenommen wird. Falls eine Präsenzkontrolle zum Nachweis der Bedürftigkeit etwas beitragen kann, können Sie eine solche in Aussicht stellen.
Ist die Bedürftigkeit während des Auslandaufenthalts ganz gegeben, oder noch zu einem Teil, ist fraglich, wie mit dieser Situation zu verfahren ist. Sie finden weder eine Antwort im SHG, in der SHV noch in den SKOS-RL zum Thema Landesabwesenheit. In C.1.6 des Schwyzer Handbuchs wird eine Praxishandhabung für die Dauer von Ferienaufenthalten generell empfohlen. Dabei wird auf die von Heinrich Dubacher in der ZESO 4/13 behandelten Praxisfrage, «Wie lange muss die Sozialhilfe bei einem Auslandaufenthalt zahlen», verwiesen, die Sie bei der SKOS auf der Webseite https://skos.ch/recht-und-beratung/praxisbeispiele/ finden.
Damit eine Sanktionierung im Sinne von § 26a SHG zulässig wäre, müsste der Klient die Rahmenbedingungen für Landesabwesenheiten kennen (Meldepflicht, Dauer), zudem die Folgen, wenn er sich nicht daranhält (an die Meldepflicht und/oder Dauer). Im vorliegenden Fall scheint aber nicht offenkundig zu sein, dass dieser Auslandaufenthalt überhaupt entgegen den Interessen der Sozialhilfe (gewesen) ist. Es müsste in Erfahrung gebracht werden, ob der Klient in dieser Zeit sich nicht doch intensiv um Arbeit bemüht hat. In diesem Fall wäre ausnahmsweise nicht von einer Pflichtverletzung bezüglich der Dauer auszugehen, aber hinsichtlich der Meldepflicht (wie gesagt, soweit bekannt).
Schliesslich könnte geprüft werden, ob die Unterstützungsleistungen gemessen an seinem Bedarf in Deutschland zu hoch waren. Insoweit könnte ebenfalls eine Rückerstattung geprüft werden (jedoch erst nach dem zweiten Monat, da ein Monat Landesabwesenheit gemäss Handbuch zulässig wäre), da die Unterstützungsleistungen auf die hiesigen Verhältnisse ausgelegt sind (Territorialitätsprinzip).
Man kann sich auch auf dem Standpunkt stellen, dass getreu dem Territorialitätsprinzip ab bspw. dem dritten Monat keine Unterstützungsleistungen erbracht werden, wobei der Klient vorgängig Kenntnis von dieser Folge haben sollte.
Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der Wohnkosten die Belange der Familie zu berücksichtigen. Es sollte verhindert werden, dass sie wegen einer allfälligen Einstellung der Unterstützungsleistungen für den Vater die Wohnung verlieren.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen eine Entscheidungshilfe für Ihren Fall gegeben zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder