Guten Tag,
wir haben eine Anfrage über den SD des Spitals A erhalten. Demnach muss eine Einwohnerin der Gemeinde W auf Grund einer sehr anspruchsvollen Pflegebedürftigkeit nach einem Spitalaufenthalt in ein Pflegeheim eintreten, da die zu leistende Pflege nicht im Rahmen der Spitex geleistet werden kann.
Die betreffende Patienten stammt ursprünglich aus Deutschland und kam vor acht Jahren bereits im AHV-Alter ind ie Schweiz. Ihre Söhne, welche ebenfalls hier leben haben damals eine Bürgschaft für die Mutter unterschrieben, da diese den Lebensunterhalt mit der kleinen deutschen Rente nicht selbstständig finanzieren kann. Für die Situation in der eigenen Wohnung sei dies bisher problemlos gelaufen und die Söhne haben die betroffene Person regelmässig finanziell unterstützt.
Wie ist es nun aber im Fall des wahrscheinlich vorübergehenden Aufenthalts im Pflegeheim. Müssen die Söhne die Eigenleistung im Rahmen der Bürgschaft vollumfänglich selbst tragen oder muss sich die Gemeinde an den Kosten beteiligen und wenn ja, in welchem Umfang?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
F. Müller
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre Frage. Darf ich vor Beantwortung Ihrer Frage einige Rückfragen stellen?
- Haben die beiden Söhne die im Internet abrufbare "Verpflichtungserklärung"des Kantons Zug unterzeichnet? Falls nein, zu was haben sie sich genau verpflichtet?
- Falls die Söhne die "Verpflichtungserklärung" unterzeichnet haben: Haben sie sich somit verpflichtet, für alle mit dem Aufenthalt zusammenhängenden Kosten aufzukommen, maximal aber Fr. 30'000.--?
- Haben die Söhne die Verpflichtungserklärung nur bei Einreise unterzeichnet oder wurde die Verpflichtung in der Zwischenzeit erneuert? Falls ja, wann wurde die letzte Verpflichtungserklärung unterzeichnet?
- Über was für eine Bewilligung verfügt die pflegebedürftige Person? Wann wurde diese zuletzt erneuert?
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Ich habe mich entschieden, Ihnen bereits jetzt eine Antwort zu geben und diese aufgrund Ihrer Antwort auf meine Fragen allenfalls zu ergänzen.
Nach Paragraph 19 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zug (SHG ZG) hat Anspruch auf Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe, wer für seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend oder rechtzeitig aufkommen kann. Sozialhilfe wird nach Paragraph 2bis SHG ZG allerdings nur solange gewährt, bis eine hilfesuchende Person sich selbst helfen kann oder Hilfe von dritter Seite erhältlich ist.
Daraus folgt, dass die Frau dann von der Sozialhilfe in einem ersten Schritt finanziell zu unterstützen ist, wenn sie Bedürftigkeit anmeldet, ohne die Unterstützung der Söhne nach sozialhilferechtlichen Kriterien bedürftig ist und die Söhne nicht bereit oder nicht in der Lage sind, ihre Lebenskosten inklusive Heimkosten aktuell alle zu bezahlen.
In einem zweiten Schritt ist von der Sozialhilfe zu prüfen, ob die Söhne gestützt auf die Garantieerklärung und/oder gestützt auf Art. 328f. des Zivilgesetzbuches (ZGB) zu Verwandtenunterstützung verpflichtet sind (Paragraph 24 SHG ZG). Im Falle der Verwandtenunterstützung hat die Sozialhilfe den errechneten Verwandtenunterstützungsbeitrag direkt beim Zivilgericht geltend zu machen, wenn er nicht freiwillig geleistet wird.
Allenfalls kann die bedürftige Frau auch gestützt auf Art. 4 Abs. 1 Lit. b Ziff. 1 Ergänzungsleistungsgesetz Ergänzungsleistungen beantragen.
Sowohl im Fall der Erbringung von Sozialhilfeleistungen wie auch im Fall der Erbringung von Ergänzungsleistungen besteht aber die erhebliche Gefahr, dass das Migrationsamt die Voraussetzungen nach Art. 28 des Ausländergesetzes nicht mehr als erfüllt erachten könnte (der Lebensunterhalt kann nicht mehr aus eigenen Mitteln finanziert werden) und die Aufenthaltsbewilligung entzieht. Möchte die Frau in der Schweiz wohnen bleiben, wäre es deshalb wichtig, dass ihre Söhne oder sonstige Dritte den Heimaufenthalt bezahlen.
ich hoffe, Ihnen mit dieser vorläufigen Antwort vorerst weiterhelfen zu können.
Freundluche Grüsse
Anjs Loosli Brendebach
Guten Tag Frau Loosli,
vielen Dank für Ihre bsiherigen Ausführungen. Ich konnte in der Zwischenzeit die Nachfragen bei den Söhnen der Klientin platzieren und habe die entsprechenden Antworten erhalten.
1. Die Söhne haben diese Erklärung nicht unterschrieben. Es wurde lediglich ein formloses Schreiben aufgesetzt, in welchem die Söhne deklariert haben, dass sie für die für die Mutter anfallenden Kosten aufkommen werden (Miete, Lebensunterhalt, KK).
2. ---
3.Es wurde keine Aktualisierung vorgenommen.
4.Die Klientin verfügt über eine C-Bewilligung, letztmalig erneuert am 21.10.2019
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben und dass es ausreicht, um die Frage abschliessend zu beurteilen.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Franziska Müller
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre Abklärungen. Damit kann ich meine Antwort ergänzen, wenn auch noch gewisse Eventualitäten bleiben.
Damit eine ausländische nichterwerbstätige EU-Bürgerin eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erhält, muss sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen (Art. 24 des Anhangs I zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaf). Es darf keine Gefahr bestehen, dass sie sozialhilfeabhängig wird. Diese MIttel können gemäss Lehre und Rechtsprechung auch von Dritten zur Verfügung gestellt werden. Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Drittmittel ausreichend gesichert sind. Eine ausreichende Sicherheit stellt in den meisten Fällen eine Bankgarantie, die Errichtung eines Sperrkontos oder ähnliches dar (u.a. Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht vom 7. August 2013 (810 13 19)). Eine Garantie ist ein Vertrag zu Lasten Dritter. Der Garant verpflichtet sich für Schäden aufzukommen, die durch die Nichterfüllung des Dritten entstehen (Art. 111 des Obligationenrechts, OR).
Vorliegend haben die Söhne sich offenbar verpflichtet, für den Lebensunterhalt der Mutter aufzukommen, wenn diese nicht dafür aufkommen kann, damit die Mutter nicht sozialhilfeabhänig wird und die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung so gegeben waren.
Damit sind die Söhne verpflichtet, den Lebensunterhalt der Mutter soweit zu bezahlen, als diese finanzielle Mittel benötigt, um nicht sozialhilfeabhängig zu werden.
Sind die Söhne bereit und in der Lage, ergänzend zu den finanziellen Mitteln der Mutter sämtliche Heimaufenthaltskosten, Krankheitskosten und sonstige Lebenshaltungskosten zu übernehmen, so wird die Mutter nicht sozialhilfeabhängig bzw. ist nicht bedürftig. Die Sozialhilfe muss die Unterstützung nicht aufnehmen. Sind die Söhne nicht bereit bzw. in der Lage, die Kosten sofort zu übernehmen, so muss die Mutter - wie ich in meiner ersten Antwort ausgeführt habe - von der Sozialhilfe finanziell unterstützt werden (siehe auch Unterstützung von Personen aus dem EU/EFTA-Raum der SKOS, S. 14).
In diesem Fall ist zu prüfen, ob mittels Garantieerklärung durchgesetzt werden kann, dass die Söhne bezhahlen bzw. für den ganzen Lebensunterhalt der Mutter aufkommen. Es ist dann zu prüfen, ob bei fehlender Hinterlegung von Sicherheiten - wie vorliegend - der Rechtsweg zu beschreiten ist und wer diesen als Partei zu beschreiten hat (allenfalls kann hier das Migrationsamt, das wohl die Garantieerklärung verfasst hat, Auskunft erteilen). Solange dies nicht geklärt ist und die Mutter bedürftig ist, muss sie weiterhin von der Sozialhilfe finanziell unterstützt werden (§ 2bis i.V.m. § 6 SHG ZG).
Ich möchte an die Söhne gerichtet aber einen wichtigen Hinweis machen. Wie ich bereits in meiner ersten Antwort geschrieben habe, wird die Aufenthaltsbewilligung, die nach meiner Berechnung noch bis 20.10.2024 gültig sein müsste, allenfalls aufgrund der Sozialhilfeabhängigkeit nicht mehr verlängert.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Sehr geehrte Frau Loosli,
vielen Dank für Ihre Ergänzungen. Ich bin nun heute vom Gemeinderat noch auf die Kosten für Restfinanzierung Pflege angesprochen worden. Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Kosten ohne weitergehende Konsequenzen für die Klientin von uns übernommenw erden müssen?
Freundliche Grüss
Franziska Müller
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre weitere Nachfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Die KVG-pflichtigen Pflegekosten bei einem Pflegeheimaufenthalt werden anteilsmässig durch die Krankenkasse (Art. 7a Abs. 3 der Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV, SR 832.112.31]), die Heimbewohnerin (nach Art. 25a Abs. 5 KVG maximal 20% des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrags an die nicht gedeckten Pflegekosten, aktuell maximal 20% von Fr. 108.--) und die Gemeinde bzw. der Kanton (mittels Restfinanzierung) geteilt. Im Kanton Zug ist im Spitalgesetz (BGS 826.11) in § 10 Abs. 2 festgehalten, dass die Gemeinden für ihre Einwohner*innen die ungedeckten Pflegekosten der stationären Langzeitpflege übernehmen.
Daraus folgt, dass die Sozialhilfe den Anteil der Heimbewohnerin an den Pflegekosten nach Art. 25a Abs. 5 KVG zu übernehmen hat, wenn diese bedürftig ist. Meiner Meinung nach muss sie aber nicht die Restfinanzierung durch die Gemeinde bzw. den Kanton übernehmen, auch wenn eine Person bedürftig ist. Dies hat die Gemeinde mittels einer anderen Kostenstelle zu tun (es sei denn, die Gemeinde hat mit rechtlichen Grundlagen auf Gemeindeebene geregelt, dass diese Kosten die Sozialhilfe zu tragen hat, was mir persönlich aber sachfremd erscheinen würde, denn diese Kosten sind unbesehen der Bedürftigkeit bzw. der finanziellen Situation einer Person von der Gemeinde zu tragen. Damit würde mit sachfremden Gründen das Budget der Sozialhilfe belastet).
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach