Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag!
Danke für die Beantwortung der Rückfragen. Gerne beantworte ich Ihre Anfrage wie folgt:
a) Zuerst zur Zuständigkeit: Gemäss Ihren Angaben zur Nachfragen haben die Beteiligten eine B-Bewilligung. Dem gemäss ist für die Frage der Zuständigkeit des ZUG anwendbar, anders wäre es, falls die Personen Hilfe für Asylsuchende oder als vorläufig Aufgenommene erhalten würden
Bzgl. der Zuständigkeit ist für die hier interessierende Frage der interkantonalen Zuständigkeit das Zuständigkeitsgesetz (ZUG) anwendbar. Gemäss dessen Art. 20 ist entscheidend, wo die unterstützten Personen Wohnsitz haben, wo jemand also mit der Absicht des dauernden Verbleibens aufhält, mitunter seinen Lebensmittelpunkt hat (vgl. dazu etwa BGE 140 V 499).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um Personen mit B-Bewilligungen, die offensichtlich vor der Heirat eine migrationsrechtliche Bewilligung hatten zum Aufenthalt in unterschiedlichen Kantonen.
Solche Bewilligungen gelten als Indiz für einen Wohnsitz.
Grundsätzlich ist ein sozialhilferechtlicher Wohnsitz in interkantonalen Verhältnissen für Personen mit B-Bewilligung aber nach Massgabe des ZUG zu bestimmen. Unabhängig von der ausländerrechtlichen Bewilligung kann also ein Wohnsitz im neuen Wohnkanton bestehen, auch wenn noch keine Bewilligung zum Wohnsitzwechsel besteht. Wo dann ein laufendes Verfahren bzgl. Wohnsitzwechsel, so kann bereits im neuen Wohnkanton ein Unterstützungswohnsitz begründet werden, und die Sozialhilfe ist gemäss Massgabe der Situation im neuen Wohnkanton zu gewähren.
Damit eine Person neu einen Wohnsitz in einem anderen Kanton hat, muss er vom ursprünglichen Kanton weggezogen sein im Sinne von Art. 9 i.V.m. Art. 20 ZUG.
Gerade in Fällen, wo jemand noch im bisherigen Kanton angemeldet ist, bzw. noch keine migrationsrechtliche Bewilligung hat für den Wegzug (wie sie hier, wegen der B-Bewilligung notwendig wäre), ist nicht vorschnell von einer Begründung eines neuen Wohnsitzes auszugehen (siehe auch Wizent Guido (2023), Sozialhilferecht, Rz. 254 m.w.H.).
Immerhin spricht aber im vorliegenden Fall die Heirat und insbesondere der dokumentierte häufige Aufenthalt bei der Familie, wie er auch durch Drittstellen bestätigt wird, für einen Wohnsitzwechsel. Bei der genannten Situation wäre es also wohl nicht willkürlich, von einem Wohnsitz auch des Ehemannes am Wohnort seiner Familien auszugehen.
Ist der Wohnsitz des Ehemannes bei der Familie wird auch das gesamte Einkommen des Ehemannes im Budget berücksichtigt.
b) Personen mit B-Bewilligungen müssen vor einem Kantonswechsel eine entsprechende Bewilligung der Migrationsbehörden einholen (Art. 12 Abs. 2 AIG). Im Rahmen der Sozialhilfe können Sie im Rahmen der persönlichen Hilfe Ihre Klientschaft darüber informieren und Triagieren zur Migrationsbehörde, damit die notwendigen Schritte eingeleitet werden können. Dazu gehört auch die Information, dass eine Verletzung der Meldepflicht durch die Migrationsbehörden mit Busse geahndet werden kann (vgl. Art. 120 Abs. 1 lit. a AIG).
Auflagen zum Zusammenleben hingegen, wie hier in der Frage erwogen, sind nicht zulässig: Das würde gegen Grundrechte wie die persönliche Freiheit und die Ehefreiheit aus der Bundesverfassung und der EMRK verstossen: Auch Eheleute sind nämlich verfassungsmässig in der Freiheit geschützt, ihr Ehe- und Familienleben frei zu gestalten. Die Minderungspflicht aus der Sozialhilfe genügt nicht, um eine Freiheitseinschränkung und eine entsprechende Auflage zum Zusammenleben zu legitimieren.
Allerdings hat der Sozialdienst von Amtes wegen zu prüfen, ob und wo die Familienmitglieder ihren Wohnsitz haben und entsprechend den Lebensmittelpunkt abzuklären. Diese Informationen sind von Bedeutung für die Zuständigkeit (bzw. die Grösse der Unterstützungseinheit) und die Bemessung der Hilfe.
Diesbezüglich bestehen für die Klientschaft (hier also primär die Ehefrau, aber auch den Ehemann, weil er potentiell mitzuunterstützen ist) Mitwirkungspflichten. Das beinhaltet Angaben zu relevanten Aspekten zur Klärung des Lebensmittelpunktes (siehe dazu SKOS (November 2024). Örtliche Zuständigkeit, insb. Anhang 1:
Die Fragen kann ich darauf basierend wie folgt beantworten:
Bei Vorliegen klarer belegbarer Indizien für die Wohnsitznahme bei der Ehefrau und den Kindern ist von einem Lebensmittelpunkt bei der Familie auszugehen und die Sozialhilfe entsprechend zu bemessen.
Sollte die Sachlage nicht ganz klar sein, so sind von Amtes wegen die notwendigen Abklärungen zum Lebensmittelpunkt vorzunehmen und weitere Indizien zu sammeln vor einem Entscheid zur Zuständigkeit für die Sozialhilfebemessung für den Ehemann.
Die betroffenen Klient:innen trifft diesbezüglich eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht.
Klient:innen sind als Teil der persönlichen Hilfe auf die Meldepflicht des Wohnsitzwechsels an die Migrationsbehörde hinzuweisen.
Sachverhalt:
Ein Ehepaar hat kürzlich geheiratet. Die gemeinsame Familie umfasst insgesamt 7 Kinder, davon 5 gemeinsame und 2 Kinder aus einer früheren Beziehung der Frau. Die Frau und die Kinder wohnen im Kanton A. Sie ist arbeitslos. Der Ehemann lebt im Kanton B, und geht dort einer Teilzeit-Arbeitsstelle nach. Beide verfügen über eine Aufenthaltsbewilligung B. Der Ehemann hält sich überwiegend bei der Familie im Kanton A auf. Ein Kantonswechsel der Wohnsitzbewilligung müsste beantragt werden.
Es besteht ein Unterhaltsvertrag, welcher mittels Alimentenbevorschussung durchgesetzt wird.
Fragen:
- Welche Möglichkeiten bestehen im Rahmen des Sozialhilferechts?
- Welche Auflagen können seitens der Sozialhilfebehörde in diesem Kontext erfolgen - Zusammenlegung Wohnsitz?
- Wird das Einkommen des Ehemannes in der Budgetberechnung der Sozialhilfe berücksichtigt, auch wenn er offiziell im anderen Kanton wohnt und noch keine Bewilligung für einen Kantonswechsel vorliegt?
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag.
Vor einer Antwort habe ich drei Rückfrage zum Sachverhalt:
Für welche Unterhaltsverpflichtungen von wem für wen besteht im Fall eine Unterhaltsvereinbarung und werden Alimentenbevorschussungen gewährt? Und:
Welche Indizien bestehen, dass der Ehemann überwiegend bei der Familie im Kanton A wohnt und inwieweit ist dies dem Migrationsamt bereits bekannt, bzw. wurde dort schon gemeldet? Und:
Haben die Beteiligten eine B-Bewilligung EU/Efta oder haben sie eine andere Aufenthaltsbewilligung?
Danke für die Rückmeldung. Gerne beantworte ich dann die weiteren Fragen.
Guten Tag,
Vielen Dank für Ihre Rückfragen. Gerne beantworte ich diese wie folgt:
- Eine Unterhaltspflicht des Kindsvaters gegenüber den gemeinsamen Kindern besteht aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung; zudem wurde eine Alimentenbevorschussung gewährt.
- Es bestehen Indizien, dass der Ehemann überwiegend bei der Familie im Kanton A wohnt, basierend auf Informationen von involvierten Stellen wie dem SPF; dem Migrationsamt wurde dies bislang nicht gemeldet und ich daher nicht bekannt.
- Die Familie verfügt über eine B-Bewilligung für Drittstaatsangehörige (Eritrea)
Danke für die Beantwortung der Frage.