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Unterhaltsvertrag bei Mankofall?

Veröffentlicht:
18.05.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Die Kindsmutter bezieht eine volle IV Rente und EL im Kanton Aargau, sie hat keine Ersparnisse. Der Kindsvater ist erwerbstätig. Das gemeinsame Kind lebt beim Kindsvater. Ein Unterhaltsvertrag wurde bisher nicht abgeschlossen. Da die Kindsmutter finanziell nicht leistungsfähig ist, handelt es sich um einen Mankofall. Soll trotzdem ein Unterhaltsvertrag abgeschlossen werden, damit der Kindsvater damit die Alimentenbevorschussung auf der Wohngemeinde beantragen kann?

Guten Tag. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Frage zu ungenau ist. Welche Informationen werden zur Beurteilung noch benötigt? Besten Dank, Daniel

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrter Herr Beuggert

Entschuldigen Sie bitte die verzögerte Bearbeitung Ihrer Anfrage.

Art. 286a ZGB sieht folgendes vor:

1 Wurde in einem genehmigten Unterhaltsvertrag oder in einem Entscheid festgestellt, dass kein Unterhaltsbeitrag festgelegt werden konnte, der den gebührenden Unterhalt des Kindes deckt, und haben sich seither die Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils ausserordentlich verbessert, so hat das Kind Anspruch darauf, dass dieser Elternteil diejenigen Beträge zahlt, die während der letzten fünf Jahre, in denen der Unterhaltsbeitrag geschuldet war, zur Deckung des gebührenden Unterhalts fehlten.

2 Der Anspruch muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der ausserordentlichen Verbesserung geltend gemacht werden.

3 Dieser Anspruch geht mit allen Rechten auf den anderen Elternteil oder auf das Gemeinwesen über, soweit dieser Elternteil oder das Gemeinwesen für den fehlenden Anteil des gebührenden Unterhalts aufgekommen ist.

Nach Art. 287a lit. c ZGB ist in einem Unterhaltsvertrag u.a. anzugeben, welcher Betrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts jedes Kindes fehlt.

Wenn die Kindesmutter eine IV-Rente und EL bezieht, ist sie wahrscheinlich (teil)leistungsfähig. Sie hat eine IV-Kinderzusatzrente zugute und kann, sofern die vermögensrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, EL für das Kind beziehen (vgl. dazu WEL 3143.01; betreffend Legitimation WEL 1120.01; zum Vorgehen Koch/Carigiet, Ergänzungsleistungen zur AHV, IV, 2. Auflage 2009, 129 f., siehe Anhang  [2021 erscheint eine Neuauflage]). Diese Leistungen sind dafür bestimmt, dass die Mutter ihrer Unterhaltspflicht nachkommen kann.

Nach einer Berechnung des gebührenden Unterhalts des Kindes und unter Abzug der IV-Kinderzusatzrente und allfälliger EL-Leistungen für das Kind, verbleibt allenfalls ein Mankobetrag. Dieser kann, unter den Voraussetzungen von Art. 286a ZGB, vom Kind ggf. zurückgefordert werden. Aus diesem Grund ist es jedenfalls empfehlenswert, einen Unterhaltsvertrag abzuschliessen.

Wenn die Mutter, abgesehen von der IV-Kinderzusatzrente und der EL für das Kind, nicht leistungsfähig ist, kann nur ein Mankobetrag im Unterhaltsvertrag festgehalten werden. Die Festlegung eines fiktiven Unterhaltsbetrags, damit ein Bevorschussungstitel vorliegt, ist unzulässig. Der zu Unterhalt verpflichteten Person ist in jedem Fall das Existenzminimum zu belassen (vgl. BSK ZGB -I Fountoulakis, Art. 285 N 29 ff.).

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 4.6.2021

Karin Anderer

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Guten Tag Frau Anderer

Herzlichen Dank für die Antwort. Sie ist ausführlich und hilft mir sehr. 

Freundliche Grüsse

Daniel Beuggert