Sehr geehrte Frau Anderer
Eine volljährige (21) junge Person unterbricht ihre Ausbildung für ein Jahr aufgrund psychischer Probleme. Sie tritt für diesen Zeitraum in eine sozialpädagogische Einrichtung ein, was sie natürlich selbst nicht finanzieren kann.
Es wird ein Sozialhilfeantrag gestellt.
Frage:
Gehe ich richtig von der Annahme aus, dass die Unterhaltspflicht der Eltern gemäss Art. 276 ZGB während dieses Zeitraumes ruht und das Sozialamt nur die Verwandtenunterstützung gem Art 328 ZGB geltend machen kann?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Grüezi
Ja, Sie liegen richtig.
Gemäss Sachverhalt muss die Klientin die Ausbildung aus gesundheitlichen Gründen unterbrechen. Die elterliche Unterhaltspflicht sistiert und wenn die Klientin die Ausbildung wieder aufnimmt, lebt die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auf (BSK ZGB I-Fountoulakis/Breitschmid, Art. 277 N 13).
In der Unterbrechungsphase habe die Eltern somit keine Unterhaltspflicht, weshalb die Sozialhilfe ins Leere laufen würde, wenn sie Unterhalt geltend machen wollte. Sie kann aber mit den Eltern freiwillige Leistungen vereinbaren. Die Prüfung der Verwandtenunterstützungspflicht ist möglich; die Eltern und weitere Verwandte in auf- und absteigender Linie könnten beigezogen werden (Art. 328 Abs. 1 ZGB).
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 28.7.2022
Karin Anderer