Info Alimenteninkasso:
Wir informieren Sie darüber, dass J. die Lehre im Herbst 2020 erneut auf Anraten der Ärzte abbrechen musste und im August 2021 eine neue Lehre angefangen hat. Mit der neuen Lehre im Büro ist er nicht mehr dermassen dem Staub ausgesetzt wie in seiner abgebrochenen Lehre. Er war innerhalb eines Jahres dreimal im Krankenhaus und musste sich im Oktober und Mai 2021 zweier Operationen an der linken Lunge unterziehen. Bis im Sommer 2021 hat er dann zur Überbrückung ein Praktikum absolviert, wo er einen bescheidenen Lohn erhalten hat. Im August 2021 hat er eine Lehre als Gebäudetechniker Sanität EFZ in Angriff genommen. Diese wird bis zum 31. Juli 2025 dauern. Nach Rücksprache mit meiner Vorgesetzten sind wir zum Schluss gekommen, dass die Unterhaltspflicht weiterhin bestand, da dem Lehrabbruch gesundheitliche Gründe zugrundelagen.
Besteht die Unterhaltspflicht bei Lehrabbruch/Lehrunterbruch infolge Krankheit weiterhin oder wäre der Unterhalt ab Lehrabbruch bis zum Start des Praktikums nicht mehr geschuldet gewesen? Leider wurden wir erst jetzt, ein Jahr nach Abbruch, über die ganze Situation informiert. Könnten wir die Unterhaltszahlungen zurückfordern?
Frage beantwortet am
Urs Vogel
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Erwägungen
Vorliegend handelt es sich nicht um eine spezifische Frage zum Kindes- und Erwachsenenschutz, sodass die Antwort nur allgemein beantwortet werden kann. Sollten Sie eine vertiefte Beurteilung benötigen, wäre die Rechtsberatung des Schweizerischen Verband Alimentenfachleute eine empfehlenswerte Adresse.
Volljährigenunterhalt ist so lange zu leisten, bis die angemessene Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann. Diese Verpflichtung zur Unterhaltsleistung ist Ausfluss der elterlichen Ausbildungspflicht (Art. 302 Abs. 2 ZGB, BK-Affolter/Vogel, Art. 302 ZGB N 36 ff.). Der Unterhalt ist grundsätzlich nur geschuldet, wenn sich das volljährige Kind in Ausbildung befindet.
Ein nicht schuldhafter Abbruch der Ausbildung oder eine Neuorientierung lässt die Unterhaltspflicht nicht erlöschen, sondern lediglich ruhen. Dies lediglich deshalb, da das Kind bei einem Ausbildungsunterbruch durch Aushilfetätigkeit für den laufenden Unterhalt aufkommen können sollte (OGer ZH, 7.11.2016, RT160113-O/U, E. 3.4.2; BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277 N 13; vgl. auch BGer 5A_563/2008 vom 4. Dezember 2008, E. 4).
Vorliegend jedoch steht der Unterbruch im Zusammenhang mit einer Krankheit, die durch die bisherige Ausbildung entstanden oder mindestens mit-verursacht wurde. So musste sich die betroffene Person sowohl im Oktober20 wie auch im Mai 21 einer Operation unterziehen, in dieser Zeit war eine Aushilfstätigkeit zur eigenen Sicherung des Unterhaltes nicht angezeigt respektive nicht möglich. Soweit erkennbar hat die betroffene Person anschliessend ein Praktikum absolviert und nahtlos eine Ausbildung begonnen. Damit ist der vom Gesetzgeber geforderte Wille, die Ausbildung zielstrebig und ernsthaft zu verfolgen nachgewiesen. Somit ruhte die Unterhaltspflicht während dem krankheitsbedingten Unterbruch nach der hier vertretenen Auffassung nicht, da keine Möglichkeit bestand, die Eigenversorgungskapazität aufgrund der Krankheit wahrzunehmen (siehe dazu auch im Anhang: Thomas Brändli, Unterhalt bei Abbruch und Wiederaufnahme einer Ausbildung, in: plädoyer 4/17, S. 43).
Kulmerau, 30. September 2021/Urs Vogel