Zum Inhalt oder zum Footer

Unklarer Wohnsitz Patientin, Kanton bezahlt Kantonsanteil an Krankheitskosten nicht

Veröffentlicht:
10.03.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Ich betreue zurzeit eine Patientin, die stationär am 26.2.20 in die Klinik A eingetreten ist und die Finanzierung des Aufenthaltes nicht gewährleistet ist. Die Patientin hat eine Krankenversicherung (wurde von der Mutter der Patientin regelmässig bezahlt) aber keinen Wohnsitz, weshalb der Kanton X den Kantonsanteil von 55% nicht übernimmt.

Bis zum 30.9.15 war die Patientin in der Stadt B gemeldet. Sie meldete sich dort nicht ordnungsgemäss ab, sondern wurde per 30.9.15 von der Stadt B rückwirkend abgemeldet, da sie ins Ausland ging. Seit ihrer Rückkehr aus dem Ausland hielt sie sich sporadisch beim Vater (wohnt in der Gemeinde G., dort hat die Patientin auch ihren Heimatort), bei ihrer Mutter (wohnt in der Gemeinde S.) auf oder kam bei Kollegen unter. Die Patientin ist bei uns zurzeit hoch psychotisch und ein klärendes Gespräch mit ihr ist nicht möglich. Auch ist eine Entlassung in diesem Zustand aktuell nicht möglich. Vor dem Aufenthalt bei uns war sie im Gefängnis, kam aber aufgrund ihrer Psychose nach Klinik A.

Gemäss Telefonat mit ihrem Vater heute morgen wisse er nicht, wo und bei welchen Kollegen sie sich vor dem Gefängnisaufenthalt aufhielt. Er erhalte komischerweise jedoch jährlich noch die Steuererklärung seiner Tochter vom Steueramt der Stadt B zugestellt. Bei der Einwohnerkontrolle Stadt B erhielt ich heute morgen die Auskunft, dass sich die Patientin ihres Wissens nach wie vor im Ausland aufhalte und sie sich seit ihrer Rückkehr nicht bei der Stadt B gemeldet habe. Eine rückwirkende Anmeldung müsste persönlich und mit dem Beleg eines Mietvertrages erfolgen. Das die Patientin noch in der Stadt B steuerpflichtig sei, wisse die Einwohnerkontrolle nicht, da dies über das Steueramt gehe.

Meine Frage wäre nun, wie ich weiter vorgehen soll. Wo soll versucht werden, die Patientin anzumelden (evtl. auch rückwirkend seit Klinikeintritt)? Hinzu kommt, dass die Patientin zurzeit nicht in der Lage ist, sich bei einer Gemeinde persönlich anzumelden.

Für eine kurze Rückmeldung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Frau Bucher

Entschuldigen Sie die den besonderen Umständen geschuldete Wartezeit.

1. Entscheidend dafür, welcher Kanton bezahlen muss ist der Wohnsitz im Sinne des zivilrechtlichen Wohnsitzes (Art. 3 Abs. 1 KVG; Art. 13 ATSG; Art. 23 bis 26 ZGB)).

Gemeint ist damit der Lebensmittelpunkt, verbunden mit der Absicht des dauernden Verbleibens. Der Aufenthalt zu einem speziellen Zweck, etwa im Spital oder in einer Strafanstalt schafft dabei grundsätzlich keinen Wohnsitz.

Ein einmal begründeter Wohnsitz geht nicht ohne Weiteres verloren, sondern bleibt im Inladn bestehen bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes.

Art. 24 Abs. 2 ZGB besagt weiter, dass wenn ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar ist oder ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben wurde und in der Schweiz kein neuer begründet wurde, dass dann der Aufenthaltsort als Wohnsitz gilt.

2. Wichtig scheint mir im vorliegenden Fall, dass mittels der möglichst schriftlichen Auskunft des Vaters (z.B. unterschriebenes Protokoll seiner Aussage dazu) gezeigt werden kann, dass und wann in etwa die Betroffene in die Schweiz zurückkam, und dass sie danach sporadisch bei Vater und Mutter und bei Kollegen war, ohne je Wohnsitz zu nehmen.

Es ist daraus zu schliessen, dass hier der Aufenthaltsort den Wohnsitz begründet. Und so auch der Kanton X zuständig ist für den Spitalkostenanteil. 

Dies ist so dem Amt, das über die Kostenübernahme entscheidet mitzuteilen unter Verweis darauf, dass ansonsten eine anfechtbare Verfügung verlangt werde seitens des Spitals.

3. Gleichzeitig kann für die Betroffene versucht werden eine polizeiliche Anmeldung zu machen. Zu verweisen ist mittels Arztzeugnis darauf, dass sie dazu nicht in der Lage ist persönlich zu erscheinen, und es ist mit Vollmacht eine Meldung über Aufenthalt und Wohnsitz dem Einwohneramt am Sitz der Klinik mit Kopie nach X ans Einwohneramt und auch ans Steueramt mit Bitte um Korrektur.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot