Sehr geehrte Damen und Herren
Wir unterstützen eine Frau mit zwei Kinder seit der gerichtlichen Trennung vom Ehemann bzw. Vater der Kinder.
Die Krankenkassenrechnungen der Frau und Kinder wurden bisher immer bezahlt. Der Ehemann hat Ausstände. Nun verweigert die Krankenkasse der Frau und Kinder die Umversicherung, wegen Ausständen des Ehemannes. Ist dieses Vorgehen von der Krankenkasse korrekt?
Freundliche Grüsse
Gaudenz Heeb
Soziale Dienste Brügg
Frage beantwortet am
Jürg Gschwend
Expert*in Schuldenberatung
Guten Tag
Meines Erachtens ist diese Vorgehen nicht korrekt, denn in Art. 64a Abs. 6 KVG steht: «In Abweichung von Artikel 7 kann die säumige versicherte Person den Versicherer nicht wechseln, solange sie die ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen sowie die Verzugszinse und Betreibungskosten nicht vollständig bezahlt hat. Artikel 7 Absätze 3 und 4 bleibt vorbehalten.» Gleich klingt es in der Verordnung über die Krankenversicherung in Art. 105l KVV: «Säumig im Sinne von Artikel 64a Absatz 6 des Gesetzes ist die versicherte Person ab Zustellung der Mahnung nach Artikel 105b Absatz 1.» Auch im Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates von 2009 zur Parlamentarischen Initiative betr. Artikel 64a KVG und unbezahlte Prämien (09.425) steht zu Art. 64a Abs. 6: « […] Solange eine säumige Person die geschuldeten ausstehenden Beträge nicht vollständig bezahlt hat, soll sie unter Vorbehalt von Artikel 7 Absätze 3 und 4 KVG den Versicherer nicht wechseln können. Mit dieser Bestimmung sollen zahlreiche, aus finanzieller und verwaltungstechnischer Sicht aufwändige Verfahren bei den Versicherern vermieden werden. Es sollen nicht mehrere Versicherer gegenüber einer und derselben versicherten Person ein Verfahren einleiten müssen. […].
Diese Bestimmungen und Aussagen deuten m.E. klar darauf hin, dass das Wechselverbot bei Krankenkassenausständen nur für die betreffende versicherte Person, sprich vorliegend für den Ehemann gilt. In einen Gerichtsentscheid des Kantons St. Gallen vom 18.10.2011 wird ebenfalls festgehalten: «Mit dem Beitritt einer Person zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung ist nur sie allein versichert
Dem Prinzip der Individualversicherung entspricht auch, dass bei einer Kündigung nur diejenige Person nicht aus dem obligatorischen Krankenpflegeversicherungs-Vertrag entlassen werden kann, die mit Prämien und/oder Kostenbeteiligungen sowie allfälligen Kostenentschädigungen säumig ist (vgl. Eugster, Krankenversicherung, a.a.O., S. 440 Rz 131, mit dem Beispiel, dass Eltern, die nur die Prämien für ihre Kinder nicht bezahlt haben, den Versicherer trotzdem wechseln können, nicht aber ihre Kinder).»
Ich empfehle Ihnen, diesen Sachverhalt der Krankenkasse schriftlich mitzuteilen. Sollte Sie auch danach an Ihrer jetzigen Position festhalten, würde ich die Ombudsstelle Krankenversicherung kontaktieren.
Freundliche Grüsse
Jürg Gschwend