Guten Tag
Am nachfolgenden Beispiel mit vereinfachten Zahlenkombinationen eine generelle Problematik, die sich im Alltag immer wieder stellt und laut Konsultation der gesetzlichen Grundlage zu Fragen führt.
Herr X lebt von der SH. Herr X. ist ein junger Erwachsener, erhält jedoch aufgrund einer abgeschlossenen Ausbildung keinen gekürzten Grundbedarf. Er erhält monatlich eine Unterstützung von CHF 2000.-. Im Rahmen der Integrationsbemühungen erhält Herr X. ein Stellenangebot. Dieses tritt er an und generiert über zwei Monate einen Lohn von CHF 5000.-. Innerhalb der Probezeit verliert Herr X seinen Job und meldet sich hierauf wieder bei der Sozialhilfe, da er sämtliche Einnahmen verwendet hat und sich keinen Betrag ansparen konnte. Buchhalterisch bedeutet dies, dass Einnahmen von CHF 10'000.- zu buche liegen. Gesplittet auf die Monate sieht dies so aus:
Monat Juli: SH --> CHF 2000.-
Monat August: Lohn-Freibetrag-SH (5000.- - 500.- - 2000 = 2500.-)
Monat September: Lohn + Übertrag - Freibetrag - SH (5000.- + 2500.- - 500.- - 2000.- = 5000.-)
Monat Oktober:Übertrag - SH (7500.- - 2000.- = 5500.-)
Der jeweilige Übertrag von Überschüssen führt dazu, dass Herr X bereits im Oktober keinen Anspruch auf SH hat und dies auch für weitere 2 1/2 Monate (mathematisch Betrachtet).
Dem gegenüber steht seine aktuelle Bedürftigkeit. Herr X weist einen kleinen zweistelligen Bankkontosaldo aus, hat keine weiteren Einkommen in Aussicht und es existieren auch keine Subsidiären Ansprüche, die Bevorschusst werden können (bspw. ALV).
- Wie muss eine korrekte Vorgehensweise aussehen, damit die Bedürftigkeit beachtet wird resp. die Existenzsicherung gewährleistet ist?
- Muss und falls ja, wie lange ein Einkommensüberschuss in die Berechnung einbezogen werden?
- Drängen sich hier sanktionierende Massnahmen auf? (im Sinne einer Tilgung des Überschusses?)
Massgebend für die Fragestellung ist die gesetzliche Grundlage im Kanton Wallis.
Ich danke für die Beantwortung der Fragestellung.
Freundlicher Gruss
Uli Truffer
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Truffer
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Diese beschlägt zunächst die Frage der Bedürftigkeit und anschliessend jene der Sanktion. Ihren Angaben zufolge war der Klient während zweier Monate nicht unterstützt, da er ein über seinem Bedarf liegendes Erwerbseinkommen erzielt hat. Bereits während der Probezeit hat er die Arbeit verloren, weshalb sich nun wieder die Frage der Bedürftigkeit stellt. Nicht erwähnt haben Sie, wann er die Stelle angetreten hat.
Da der Lohn für den gearbeiteten Monat im Regelfall am Ende des Monats ausgerichtet wird, wird dieser dem Folgemonat angerechnet (so auch Ziff. 9 der Weisung vom 1.7.12 betreffend die Berechnung des Sozialhilfebudgets [Weisung]). Im gleichen Monat wird der Lohn dagegen angerechnet, wenn er anfangs Monat ausgerichtet wird (ebd.).
In Ihren Ausführungen zufolge bestehen diesbezüglich keine Beanstandungen. Der Klient scheint seinen monatlichen Bedarf korrekt mit seinem Lohn gedeckt zu haben. Im Zentrum stehen die Lohnüberschüsse.
Da der Klient erwiesenermassen aber nicht mehr über die Lohnüberschüsse verfügt, ist seine finanzielle Selbständigkeit nach Art. 10 Abs. 3 SHG nicht mehr möglich. Dieser Bestimmung zufolge ist seine Bedürftigkeit zu bejahen. Dies entspricht dem Grundprinzip der Bedarfsdeckung, das in den SKOS-RL in Kap. A.4 verankert ist, wo darüber hinaus erwähnt wird, dass auf die Ursachen der Notlage nicht abgestellt werden darf (Finalprinzip). Dieses Grundprinzip wird während der laufenden Unterstützung bei Verzicht auf Einkommen eingeschränkt, indem unter bestimmten Voraussetzungen, u.a. der vorgängigen Androhung der Konsequenzen, eine Einstellung als zulässig erachtet wird (Kap. A.8 SKOS-RL).
Im geschilderten Fall neige ich also dazu, die Bedürftigkeit zu bejahen. Es kann offengelassen werden, ob es sich nach einem zweimonatigen Unterbruch nach wie vor um einen laufenden Fall handelt. Dies hängt wohl davon ab, ob die materille Hilfe mit Verfügung offiziell beendet wurde. Diesfalls würde sich bei Neuaufnahme gar die Frage des Vermögensfreibetrages stellen, welche bei solch kurzfristigen Ablösungen gemäss Ihrer Praxis zu entscheiden wäre. Würden Sie einen solchen gewähren, wäre dies auch im vorliegenden Fall zu fingieren, als ob der Klient den Überschuss auf dem Konto angespart hätte.
Wird demnach die Bedürftigkeit bejaht, kann sich demnach nur noch die Frage der Sanktion stellen. Damit diese sich überhaupt stellen kann, ist vorfrageweise zu untersuchen, ob es sich bei den Überschüssen überhaupt um anrechenbare Einnahmen im Sinne der Sozialhilfe handeln kann.
Mit der von Ihnen skizzierten Überschussanrechnung gehen Sie im Endeffekt über die monatliche Bemessungsweise der Unterstützungsleistungen hinaus, indem sie Einnahmen bestimmter Monate auf weitere Monate verteilen. Dieses Vorgehen ist wie bei unregelmässigem Einkommen in der Praxis häufig anzutreffen (vgl. dazu auch das Bundesgericht in BGE 138 V 386). So auch Ziff. 9.1 der Weisung, wonach der Überschuss von Monaten, in welchen der Lohn das Existenzminimum übersteigt, dem Folgemonat anzurechnen ist. Bei schwankendem Einkommen sind bedürftige Personen gehalten, Überschüsse für Folgemonate zu verwenden, in welchen das Einkommen tiefer ausfällt, so wie es auch Personen handhaben müssen, die in engen finanziellen Verhältnissen leben ohne Unterstützung durch die Sozialhilfe (vgl. dazu Markus Morger/Daniela Moro, in ZeSo 1/14, S. 10 https://skos.ch/fileadmin/migrated/contentuploads/2014Zeso01Praxisbeispielunregelm%C3%A4ssigesEinkommen.pdf01.pdf). Mit Durchschnittsberechnungen können Personen u.U. auch abgelöst werden, mit der Erwartung, dass Sie die vorausschauende Einkommensverwendung auch für die Zukunft weiterpflegen.
Es fragt sich, ob mit Personen, die mit regelmässigem Einkommen von der Sozialhilfe abgelöst werden, gleich verfahren werden darf. Insbesondere, wenn es sich dabei um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt und ein Wegfallen oder eine Reduktion des Lohnes somit nicht à priori vorhersehbar ist. Zumindest während der Probezeit ist eine solche Erwartung im Sinne einer vorausschauenden Einkommensverwendung nicht von der Hand zu weisen, jedoch nicht so klar, wie beim schwankenden Einkommen. Eine solche Erwartung wäre dann legitim, wenn der Klient um das vorzeitige Ende des Arbeitsverhältnisses wusste und danach erst den bedarfsüberschiessenden Lohn erhielt. In diesem Fall wäre der Überschuss, der aus dem zweiten Arbeitsmonat resultierte, eine relevante anrechenbare Einnahme.
Geht man davon aus, dass die Überschüsse grundsätzlich anrechenbar sind, darf eine Sanktionierung in Erwägung gezogen werden, wenn eine explizite rechtliche Grundlage vorliegt.
Nach Art. 19a Abs. 3 GES können finanzielle Mittel, auf welche die Person verzichtet oder die sie aufgibt, teilweise oder ganz zum Einkommen gezählt werden. Art. 2 ARGES führt näher aus, was darunter zu verstehen ist. Ob die Voraussetzungen nach Art. 2 ARGES erfüllt sind, kann vorliegend nicht abschliessend beurteilt werden. Hat der Klient jedoch den Überschuss für adäquate Gegenleistungen verwendet, kann meiner Meinung nach grundsätzlich nicht von einem Verzicht ausgegangen werden (e contrario Art. 2 Abs. 3 lit. a ARGES).
Selbst wenn von einem Verzicht ausgegangen würde, wäre der Kann-Bestimmung in Art. 19a Abs. 3 GES und gemäss Konkretisierung von Art. 43 Abs. 1 ARGES (Anrechnung eines hypothetischen Einkommens/Vermögens als Sanktion) Rechnung zu tragen. Dabei wären die Umstände der Überschussverwendung und der Kündigung einzubeziehen.
Eine Sanktion kann letztlich aber erst umgesetzt werden, wenn der Klient vorgängig schriftlich gemahnt und auf die Folgen der Pflichtverletzung hingewiesen wurde (Art. 19c Abs. 1 GES). Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, wird von Ihnen nicht erwähnt. Soweit der Klient um die Konsequenzen nicht wusste, wäre von einer Sanktion abzusehen.
Zu guter Letzt ist auf Folgendes hinzuweisen: Könnte aber eine Kürzung durch Anrechnung der verzichteten Überschüsse umgesetzt werden, muss in jedem Fall Art. 14 ARGES Rechnung getragen werden, wonach die minimale materielle Hilfe keiner bedürftigen Person verweigert werden darf, selbst wenn diese selber für ihre Lage verantwortlich ist.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sanktioniert werden kann (Art. 19b Abs. 3 GES), wobei im vorliegenden Fall kein solches Verhalten geschildert wird – im Übrigen selten der Fall sein dürfte. Wenn weder von Rechtsmissbrauch noch von Verzicht gesprochen werden kann, wäre eine Sanktion gestützt auf Art. 19a Abs. 1 GES in Verbindung mit Art. 41 ARGES infolge Verletzung der allgemeinen Mitwirkung nach Art. 23 ARGES zu prüfen. Auch hier wäre nach Art. 19c Abs. 1 GES eine Mahnung verlangt, ggf. sogar eine vorgängige Auflage (Art. 19a Abs. 5 GES).
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen einen gangbaren Weg aufgezeigt zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Guten Abend Frau Schnyder
Vorweg danke ich Ihnen für Ihre Rückmeldung zu meiner Fragestellung. Ich erlaube mir, im Sinne einer Nachfrage, eine mögliche Präzisierung zu bekommen - evtl. hat es auch einen Diskurscharakter.
Bezugnehmend auf meine zugesellte Fragestellung hierzu ein paar Präzisierungen meinerseits:
- Korrekt und wie Sie es festhalten ist der Umstand eines Lohnüberschusses
- Korrekt aus unserer Sicht ist auch der Umstand, dass der Klient keine finanzielle Selbstständigkeit laut Art. 10 Abs. 3 SHG vorweisen kann womit seine Bedürftigkeit auch aus unserer Sicht gegeben ist.
- Es ist wohl gängige Praxis bei uns, dass die Einstellung materieller Hilfe nicht per Verfügung Klient/innen mitgeteilt wird.
- Auf Ihre Frage nach dem Grund der Einnahmequelle - aus meiner Sicht handelt sich bei einem Lohneinkommen, wie in geschilderten Fall aufgezeigt, um ein anrechenbares Einkommen - vgl. Art. 9.1 der entsprechenden Weisung.
- der Klient hat laut meinen Informationen nicht auf finanzielle Mittel verzichtet - die generierte Lohnsumme beider Monate wurden für den Lebensbedarf verwendet, wobei der Klient hierbei anstehende private Projekte realsieren konnte (bsp. Anschaffung eines Laptops für den persönlichen Bedarf, Erwerb eines Streckenabos, uwm).
- Laut meiner Kenntnis kann dem Kündigungsgrund kein oder nur ein marginales Selbstverschulden abgeleitet werden.
- Der Klient wurde nur mündlich darüber informiert, dass er die finanziellen Mittel sich einteilen soll und mit Ausblick diese bei einem allfälligen Unterbruch zu einem späteren Zeitpunkt als Einnahmen berücksichtigt werden.
- Rechtsmissbrauch kann ich im vorliegenden Fall keinen Erkennen und verneine diesen daher.
Fragestellungen: - Wie beurteilen Sie die Situation generell bezogen auf die Handhabung eines zeitlichen Unterbruchs von Sozialhilfeleistungen? Der Gesetzgeber äussert sich hier aus meiner Sicht nicht präzise, ab wann ein Unterbruch aus zeitlicher Optik dazu führt, dass die Fallbetreuung als solche aberkannt werden muss und die Zuständigkeit der Sozialhilfe verneint werden kann? (Anmerkung: Unsicherheit besteht in der Praxis bezüglich einheitlichem Vorgehen, ab wann eine Ablösung als solche per Gesetz legitim ist - gilt ab 3 Moaten fixem EK ein Fall als abgelöst, oder schon ab 2 Monaten oder erst ab 6 Monaten? oder ist dies gar Abhängig von der Höhe des Einkommens?)
- Ihre Fragestellung nach der Verfahrensweise von regelmässigem Einkommen von SH-Bezüger bedarf aus meiner Sicht und meinem Verständnis einer Präzisierung. Welche Gedanken muss ich mir als Sozialarbeiter stellen, wenn ich wie in der geschilderten Situation eine Beurteilung vornehmen muss, wenn bei einem unbefristeten Lohnverhältnis der Wegfall oder die Reduktion des Lohnes nicht vorhersehbar war? (Vgl. Ausführungen von Ihnen - Abschnitt 6 der Antwortstellung.
- Lässt sich Ihre Rückmeldung bezogen auf die Anrechnung eines Überschusses, der aus dem zweiten Arbeitsmonat resultiert, generalisieren resp. kann diese Berechnung als Relevanz in die Praxis eingeführt werden? (Anmerkung: Fakt ist ja oftmals, dass bei Lohneinkommen, wie im geschilderten Fall, eine Überschussbilanz entstanden ist, deren Tilgung eine längere Zeiteinheit in Anspruch nimmt.
- Hieraus halt rein mathematisch die logische Folgefrage: wie lange muss ein Überschuss als solcher Einberechnet werden? Am Beispiel - der Überschussbetrag von CHF 5500.- bewirkt ja, dass beim geschilderten SH-Anspruch von CHF 2000.- die kommenden zwei Monate direkt und der dritte Monat zum Teil tangiert wird bei einer vollen Anrechnung (ohne Einbezug der Bedürftigkeit). Rechnet man die Bedürftigkeit ein, indem am Beispiel der Person die WOK bezahlt werden und der GB in Form von Nothilfe (bspw. CHF 650 für Wok und CHF 10.- / Tag rsp. CHF 300 / Monat für GB), ergäbe dies CHF 950.- / Monat. Dies würde bewirken, dass die mathematische Differenz zur legitimen Existenzsicherung (CHF 2000.- - CHF 950.-) von CHF 1050.- als Tilgungsrate verwendet werden kann. Hierbei würde der Zeitraum der finanziellen Einschränkung einiges länger dauern. Am Beispiel: CHF 5500.- / CHF 1050.- = mehr als 5 Monate!) In wieweit sind die geschilderten Vorgänge daher also gesetzlich Konform resp. auf Basis welcher gesetzlichen Grundlage kann hier praxisbezogen reagiert werden?
- Festlegung der minimalen materiellen Hilfe: am Beispiel - Anerkennung der Wohnungskosten von CHF 650.- sowie Nothilfe von CHF 10.- / Tag resp. CHF 300.- / Monat: ist dies gesetzlich so legitim?
Sie merken, dass die Fragestellungen z.T. allgemeingültigen Charakter besitzen. Dies, weil in unserem Sozialdienst immer wieder Diskussionen im Umgang mit Überschüssen entstehen. Als Teamleiter bin ich an einer einheitlichen gesetzlich legitimen Praxis interessiert und will auf Basis Ihrer Rückmeldungen die SA's entsprechend informieren.
Ich danke für Ihre Geduld und Bereitschaft beim Aufarbeiten meines Anliegens.
Freundlicher Gruss
Uli Truffer
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Abend Herr Truffer
Ich nehme Ihre ergänzenden Fragen nachfolgend gerne auf und beantworte sie im Anschluss an die jeweilige Frage.
Frage: Wie beurteilen Sie die Situation generell bezogen auf die Handhabung eines zeitlichen Unterbruchs von Sozialhilfeleistungen? Der Gesetzgeber äussert sich hier aus meiner Sicht nicht präzise, ab wann ein Unterbruch aus zeitlicher Optik dazu führt, dass die Fallbetreuung als solche aberkannt werden muss und die Zuständigkeit der Sozialhilfe verneint werden kann? (Anmerkung: Unsicherheit besteht in der Praxis bezüglich einheitlichem Vorgehen, ab wann eine Ablösung als solche per Gesetz legitim ist - gilt ab 3 Moaten fixem EK ein Fall als abgelöst, oder schon ab 2 Monaten oder erst ab 6 Monaten? oder ist dies gar Abhängig von der Höhe des Einkommens?)
Antwort: Sobald feststeht, dass eine Klientin nicht mehr im Sinne des ARGES und der Weisungen zur Berechnung des Sozialhilfebudgets bedürftig ist, hat sie keinen Anspruch mehr auf materielle Hilfe. Die Zuständigkeit bleibt dabei bestehen, ausser der Unterstützungswohnsitz verändert sich. Wenn es sich etwa nur um eine vorübergehende Anstellung handelt und damit die Bedürftigkeit nur vorübergehende behoben wird, ändert das nichts am fehlenden materiellen Hilfeanspruch während dieser Zeit im Sinne des Bedarfsdeckungsprinzips. Fallen bei der nicht mehr unterstützten Person in dieser Zeit etwa situationsbedingte Leistungen an, kann die Sozialhilfe im Sinne von einmaligen situationsbedingten Leistungen (vgl. Ziff. 5.1 der Weisung zur Berechnung des Sozialhilfebudgets) diese übernehmen. Aus meiner Sicht wäre jedoch legitim, wenn zum Voraus bekannt ist, dass die materielle Bedürftigkeit nur kurzfristig entfällt, den Unterstützungszeitraum auf einen grösseren Zeitraum wie üblicherweise ein Monat zu betrachten. Vorgaben der Rechtsprechung, soweit diese im Rahmen dieser Abklärung überhaupt überblickt werden kann, gibt es hierzu aber nicht und es wäre an der Praxis hier einheitliche und sachgerechte Leitlinien aufzustellen.
Frage: Ihre Fragestellung nach der Verfahrensweise von regelmässigem Einkommen von SH-Bezüger bedarf aus meiner Sicht und meinem Verständnis einer Präzisierung. Welche Gedanken muss ich mir als Sozialarbeiter stellen, wenn ich wie in der geschilderten Situation eine Beurteilung vornehmen muss, wenn bei einem unbefristeten Lohnverhältnis der Wegfall oder die Reduktion des Lohnes nicht vorhersehbar war? (Vgl. Ausführungen von Ihnen - Abschnitt 6 der Antwortstellung.
Antwort: Diese Frage kann nicht absolut beantwortet werden. Letztlich müsste im konkreten Einzelfall geschaut werden, ob es während der Probezeit Anzeichen gab, welche den Klienten hätten vorsichtig stimmen sollen. D.h. das Verhalten wäre retrospektiv zu beurteilen. Kam die kurzfristige Kündigung aus heiterem Himmel, so ist es wohl vertretbar, wenn der Klient weniger Wert auf die Vorsorge gelegt hat.
Frage: Lässt sich Ihre Rückmeldung bezogen auf die Anrechnung eines Überschusses, der aus dem zweiten Arbeitsmonat resultiert, generalisieren resp. kann diese Berechnung als Relevanz in die Praxis eingeführt werden? (Anmerkung: Fakt ist ja oftmals, dass bei Lohneinkommen, wie im geschilderten Fall, eine Überschussbilanz entstanden ist, deren Tilgung eine längere Zeiteinheit in Anspruch nimmt.
Antwort: Die Rückmeldung bezieht sich auf den konkreten Fall: Gemäss Ihren Schilderungen hat der Klient zwei Monatslöhne erhalten. Demzufolge hat er erst im zweiten Monat die Kündigung erhalten. D.h. er wusste erst im zweiten Monat um seine drohende Bedürftigkeit Bescheid.
Frage: Hieraus halt rein mathematisch die logische Folgefrage: wie lange muss ein Überschuss als solcher Einberechnet werden? Am Beispiel - der Überschussbetrag von CHF 5500.- bewirkt ja, dass beim geschilderten SH-Anspruch von CHF 2000.- die kommenden zwei Monate direkt und der dritte Monat zum Teil tangiert wird bei einer vollen Anrechnung (ohne Einbezug der Bedürftigkeit). Rechnet man die Bedürftigkeit ein, indem am Beispiel der Person die WOK bezahlt werden und der GB in Form von Nothilfe (bspw. CHF 650 für Wok und CHF 10.- / Tag rsp. CHF 300 / Monat für GB), ergäbe dies CHF 950.- / Monat. Dies würde bewirken, dass die mathematische Differenz zur legitimen Existenzsicherung (CHF 2000.- - CHF 950.-) von CHF 1050.- als Tilgungsrate verwendet werden kann. Hierbei würde der Zeitraum der finanziellen Einschränkung einiges länger dauern. Am Beispiel: CHF 5500.- / CHF 1050.- = mehr als 5 Monate!) In wieweit sind die geschilderten Vorgänge daher also gesetzlich Konform resp. auf Basis welcher gesetzlichen Grundlage kann hier praxisbezogen reagiert werden?
Antwort: Wenn ich Ihre Frage richtig interpretiere, betrifft diese nach wie vor die Thematik der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens. Wie bereits erwähnt, kann ein verbrauchter Überschuss nur relevant werden, soweit es sich um anrechenbares Einkommen überhaupt handelt und zudem ein Sanktionstatbestand erfüllt ist, der die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens im Sinne von Art. 43 ARGES erlaubt. Zur Anwendung von Art. 43 ARGES kann ich auf die entsprechende Weisung betreffend die Sanktionen und Kürzungen der Sozialhilfeleistungen verweisen. In Ziff. 2.3 dieser Weisung wird bezüglich des Umfangs festgehalten, dass die im Einzelfall festzulegen ist und auch bei ausgabenübersteigendem hypothetischem Einkommen eine Anrechnung über den Monat hinaus erfolgen darf - unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips. D.h. es sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen und wie schwer das Verschulden wiegt. Es kann demnach kein schematisches Vorgehen bezüglich der Anrechnung von hypothetischem Einkommen festgelegt werden. Bei der Frage, welche Auswirkungen die Beachtung von Art. 19 Abs. 6 GES (Nothilfeansatz) hat, sehe ich beide Varianten, die Sie schildern:
Man könnte einerseits argumentieren, dass das hypothetische Einkommen nur solange berücksichtigt werden darf, als es in Wirklichkeit den Bedarf gedeckt hätte, ohne dass der Klient bedürftig geworden wäre. D.h. in ihrem obigen Beispiel während 2.5 Monaten. Die Überbrückung des Klienten während dieser 2.5 Monate mit Nothilfeansatz entspricht den Vorgaben von Art. 12 BV, welche die Sozialhilfe bei ausgewiesener (faktischer) Bedürftigkeit zu erbringen hat. Man könnte aber andererseits argumentieren, dass es sich um eine Sanktion handelt, die den Schadensausgleich im Fokus hat, nämlich der Schaden, welcher der Sozialhilfe durch den frühzeitigen Unterstützungsbedarf entstanden ist. Dies würde zu Ihrer 5-monatigen Lösung führen. Ich tendiere zur ersten Lösung durch wortgetreue Auslegung von Art. 43 ARGES, der vom «hypothetischen» Einkommen spricht und nicht vom entstandenen Schaden.
Frage: Festlegung der minimalen materiellen Hilfe: am Beispiel - Anerkennung der Wohnungskosten von CHF 650.- sowie Nothilfe von CHF 10.- / Tag resp. CHF 300.- / Monat: ist dies gesetzlich so legitim?
Antwort: Art. 19 Abs. 6 GES besagt Folgendes:
In allen Fällen muss der Sozialhilfeempfänger über einen Betrag verfügen, welcher der finanziellen Nothilfe für Ausländer ohne ordentliche Aufenthaltsbewilligung entspricht.
Art. 13 Abs. 3 ARGES delegiert die Konkretisierung der Nothilfe dem mit dem Sozialhilfewesen beauftragten Departement. Dieses ist dieser Vorgabe mit der Weisung „Sozialhilfe für ausländische Staatsangehörige“ nachgekommen. Diese Weisung konkretisiert die Nothilfe unter Ziff. 3 als allgemeiner Begriff. Ihre Ausführungen entsprechen diesem Ansatz der Weisungen und sind aus meiner Sicht somit auch konform mit dem GES.
Ich hoffe, Ihnen helfen meine Antworten im Praxisalltag weiter.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Werte Frau Schnyder
Ich danke für Ihre Unterstützung und Stellungnahme und werde die neu gewonnenen Erkenntnisse ins Team einbringen.
Freundlicher Gruss
Uli Truffer