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Umgang mit Kindsvermögen in der Sozialhilfe

Veröffentlicht:
01.12.2021
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Unsere Frage ist, wie wir mit Kindsvermögen in der Sozialhilfe umgehen. Konkret in Fällen, in denen es zu einer Trennung vom Elterndossier kommt, da ein Kind seinen kopfanteil mit eigenen Einnahmen deckt. Wieweit sind wir verpflichtet, sicherzustellen, dass dieses Geld dem Kind als Vermögen zukommt und nicht von den Eltern in den alltäglichen Lebensunterhalt fliesst? Wie sind diese Fälle in der Praxis zu handhaben? 

Sollen die Eltern aufgefordert werden, für die Kinder ein Sperrkonto zu errichten? Haben wir in der Sozialhilfe überhaupt eine Verantwortung diesbezüglich?

Besten Dank für Ihre Antwort. 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Für den Vollzug der wirtschaftlichen Hilfe werden nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe vom 24. Oktober 2001 (Sozialhilfeverordnung, SHV) die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der Fassung der fünften Ausgabe vom 1. Januar 2021 für verbindlich erklärt, soweit das Sozialhilfegesetz (SHG) und die SHV keine andere Regelung vorsehen. 

Nach Kapitel D.3.4 der SKOS-Richtlinien richtet sich die Anrechnung von Kindesvermögen nach den Bestimmungen des Zivilrechts. Überschüsse und weitere Vermögenswerte des Kindes fallen ins Kindesvermögen. Gemäss den Erläuterungen zu Kapitel D.3.4 der SKOS-Richtlinien dürfen dem Kind zustehende Vermögenswerte von der Sozialhilfe nur im Rahmen des Kindesrechts angerechnet werden (Art. 319 ff. ZGB). Einnahmen, Erträge des Kindesvermögens (Art. 319 ZGB) sowie Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen (Art. 320 Abs. 1 ZGB) dürfen bis zur Höhe ihres Anteils im Budget berücksichtigt werden. Überschüsse fallen ins Kindesvermögen und dürfen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Dazu gehören auch jene Vermögenswerte und deren Erträge, die zum «freien Kindesvermögen» gehören. Dieses untersteht alleine der Verwaltung und Nutzung des Kindes, weil sie diesem – mündlich oder schriftlich – mit besonderer Bestimmung zugewendet werden (Art. 321 ZGB). Es dürfen auch jene Beträge nicht angerechnet werden, die dem Kind als Pflichtteil aus einem Erbe zufallen, der gemäss Testament oder Erbvertrag von der Verwaltung der Eltern ausgenommen ist (Art. 322 ZGB). Das übrige Kindesvermögen darf von den Eltern und der Sozialhilfe nur dann für den Unterhalt, die Erziehung oder die Ausbildung des Kindes angerechnet werden, wenn die Kindesschutzbehörde einem entsprechenden Antrag zustimmt (Art. 320 Abs. 2 ZGB). Der Antrag erfolgt in ausdrücklicher Absprache mit den Eltern durch das zuständige Sozialhilfeorgan. Geschütztes Kindesvermögen ist auf einem separaten Konto, das auf dem Namen des Kindes lautet zu verwalten (regelmässig werden solche Konten von den Banken für die Eltern gesperrt, sog. «Sperrkonto»). Es wird bei der Budgetberechnung nicht berücksichtigt. Befinden sich Vermögensbeträge auf einem auf die Eltern oder einen Elternteil lautenden Konto, das jedoch eine Bezeichnung auf das Kind hat, kann nicht ohne weiteres von geschütztem Kindesvermögen ausgegangen werden. Diese Beträge können bei der Budgetberechnung dann berücksichtigt werden, wenn aus den Kontoauszügen ersichtlich ist, dass sie von den Eltern nachweislich rechtmässig für den Unterhalt des Kindes verwendet werden. Ist jedoch von geschütztem Kindesvermögen auszugehen, gelten die hiervor angeführten Grundsätze.

Fazit: Die Sozialhilfe kann von den Eltern verlangen, dass das Kindesvermögen, das geschützt ist, von den Eltern auf ein Sperrkonto überwiesen wird. Tun sie dies nicht und verwenden das Geld für ihre eigenen Bedürfnisse, darf die Sozialhilfe dieses Geld grundsätzlich dennoch nicht im Budget der Eltern berücksichtigen, da die Eltern das Geld dann unrechtmässig verwendet haben. Vielmehr ist zu prüfen, ob dies straf- und zivilrechtliche Konsequenzen hat.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach