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Umgang mit Fahrspesen und Benzingutscheinen

Veröffentlicht:
16.11.2021
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag Rechtsberatungsteam

Seit zwei Monaten unterstützen wir eine Frau mit materieller Hilfe. Sie konnte uns bis gesterm keinen Arbeitsvertrag vorlegen, heute hat sie uns ein Foto zugestellt, von einem Vertrag ab 1.11.2021. Im letzten Monat erhielt sie laut einem Mail von ihrem Arbeitgeber an sie, welches sie uns als Kopie zugestellt hat, Fr. 750.- Lon und Fr. 150.- Autospesen. Sie betreute eine ältere Dame in einer Nachbarsgemeinde und begleitet sie für Kommissionen und zu Arztbesuchen mit ihrem privaten Fahrzeug. 

Laut es Arbeitsvertrages arbeitet sie auf Basis von Stundenlohn von 25.- und erhält monatlich Fr. 1'500.- allenfalls noch Überstunden. Sie arbeitet jeweils alle zwei Wochen Dienstag, Mittwoch, Donnerstag.

Die PW Kosten werden im neuen Vertrag monatlich mit einer Pauschale von 250.- und einen Benzingutschein von Fr. 100.- beglichen. 

Im letzten Monat haben wir ihr die 150.- als Einkommen in der Sozialhilfe angerechnet. Wir konnten nicht eruieren, wie hoch die Fahrkosten waren. Sie wurde von uns gebeten, für den letzten und den aktuellen Monat die Fahrten aufzuschreiben. Bis heute hat sie diese nicht belegt. 

Unsere Frage an Sie: Wir wird die Pauschale und der Benzingutschein im Sozialhilfebudget berücksichtigt. Welche Auflagen müssen allenfalls gemacht werden?

Besten Dank für eine Rückmeldung 

Freundliche Grüsse 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

In der Sozialhilfe gilt das Subsidiaritätsprinzip, gemäss dem jeder Anspruch auf Sozialhilfe hat, dessen eigene Mittel nicht genügen und der Drittmittel nicht ausreichend oder rechtzeitig erhältlich machen kann (§ 5 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Aargau [SHG AG]. Eigene Mittel sind nach § 11 SHG AG demnach anzurechnen und stellen nach § 11 Abs. 1 der Sozialhilfe- und Präventionsverordung des Kantons Aargau (SPV) u.a. Einkünfte dar, welche aus allen geldwerten Leistungen, insbesondere Einkommen inklusive 13. Monatslohn, Gratifikationen und einmalige Zulagen, Versicherungsansprüchen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Verwandtenunterstützungsbeiträgen und ähnlichem bestehen können. Ob Spesen und Beiträge an Benzinkosten vom anrechenbaren Einkommen abgezogen werden können, ist weder im Gesetz noch in der Verordnung geregelt. Auch im Sozialhilfehandbuch des Kantons Aargau finden sich keine entsprechenden Regelungen. In § 10 SPV werden für die Bemessung der materiellen Hilfe die von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe erlassenen Richtlinien vom April 2005 (4. überarbeitete Ausgabe) für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) mit den bis zum 1. Januar 2017 ergangenen Änderungen, unter Vorbehalt der Absätze 4–5 und soweit das SPG beziehungsweise dessen Ausführungserlasse keine weiteren Abweichungen enthalten, gemäss Anhang verbindlich erklärt. Diese äussern sich ebenfalls nicht direkt zum Thema Spesen und Benzingutscheine als Abzug vom Erwerbseinkommen. In der Lehre findet sich dagegen der Schluss, dass die durch die Ausführung der Arbeit notwendigen entstandenen Auslagen mangels geldwertem Vorteil kein anrechenbares Einkommen bilden (Guido Wizent, Sozialhilferecht, Zürich/St. Gallen 2020, N 623). Dieser Schluss ist logisch. Geht man die Regelungen im Kanton Aargau und die SKOS-Richtlinien von der Seite der situationsbedingten Leistungen her an, kommt man ebenfalls zu diesem Schluss. So steht in Kapitel C.1.1. der im Kanton Aargau gültigen Fassung der SKOS-Richtlinien, dass die Erwerbstätigkeit in der Regel mit Auslagen verbunden ist, welche von der Sozialhilfe zu übernehmen sind. In der Bedarfsrechnung seien die effektiven Zusatzkosten für Erwerb und Integration vollumfänglich zu berücksichtigen, sofern diese das Erreichen der individuellen Ziele im Rahmen der Sozialhilfe unterstützen. Diese Kosten dürften nicht mit Integrationszulagen oder Einkommensfreibeträgen verrechnet werden. Die Kosten für die Benützung eines privaten Motorfahrzeuges seien dann zu berücksichtigen, wenn das Fahrziel nicht auf zumutbare Weise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden könne. Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Aargau findet sich die Regel, dass Auslagen, die im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehen würden, von der Sozialhilfe zu übernehmen seien. Die Kosten für die Benutzung eines privaten Motorfahrzeuges seien zu berücksichtigen, wenn dieses zwingend für die Ausübung der Berufstätigkeit benötigt (Angewiesenheit auf das Auto für Tätigkeit oder für Arbeitsweg) würde. Würden berufliche Gründe vorliegen, seien die Kosten für den Betrieb des privaten Motorfahrzeugs zusätzlich als situationsbedingte Leistungen zu übernehmen, wenn die im Grundbedarf eingerechneten Beträge für Verkehrsauslagen diese Betriebskosten nicht bereits decken. Sei aufgrund der beruflichen Situation ein Fahrzeug erforderlich, müsse die Entschädigung pro Kilometer oder die monatliche Pauschale so bemessen werden, dass die anfallenden Fixkosten für das Fahrzeug (Steuern und Abgaben, Versicherungsprämien und Unterhalt) von der unterstützten Person bezahlt werden können. Unterhaltskosten seien soweit zu übernehmen wie notwendig, um die Fahrsicherheit gemäss der Definition des Strassenverkehrsamtes zu gewährleisten.

Im Umkehrschluss heisst dies, dass Spesen und Benzinkosten, die vom Arbeitgeber für die Auslagen für ein Motorfahrzeug, auf das eine unterstützte Person beruflich angewiesen ist, im Umfang der Entschädigung für die Kilometer oder der Pauschale nicht als Einnahmen anzurechnen sind, weil sie sonst als situationsbedingte Leistungen von der Sozialhilfe bezahlt werden müssten.

Vorliegend ist deshalb folgendes Vorgehen zu wählen:

  1. Ist die Klientin zur Berufsausübung tatsächlich auf ein Motorfahrzeug angewiesen? Kann sie die von ihr betreute Dame nur mit ihrem Auto begleiten? Falls ja, sind die Auslagen für das Auto im Umfang der beruflichen Tätigkeit grundsätzlich nicht als Erwerbseinkommen anzurechnen.
  2. Falls die Klientin tatsächlich auf ihr Motorfahrzeug angewiesen ist, ist zu berechnen, wie hoch die Ausgaben für das Auto im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit sind. Dies kann mittels einer Pauschale oder mittels einer Entschädigung für die Kilometer gemacht werden. Einzubeziehen sind dabei nicht nur die Benzinkosten sondern auch Steuern, Abgaben, Versicherungsprämien und Unterhalt.
  3. Wählen Sie eine Kilometerentschädigung, muss die Klientin die im Monat im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit gefahrenen Kilometer angeben. Diese sind mit der Kilometerentschädigung zu multiplizieren. Dieser Betrag ist dann nicht als Einkommen anzurechnen. Mögliche Beträge für eine kostendeckende Kilometerentschädigungen lassen sich im Internet finden. So bezahlt z.B. der Kanton Baselland Fr. 0.70 als Kilometerentschädigung. An den Beweis der zurückgelegten Kilometer ist kein hoher Anspruch zu stellen. Sie müssen lediglich plausibel sein.
  4. Wird ein Pauschalbetrag gewählt, so ist der Durchschnitt der gefahrenen Kilometer zu ermitteln und dann mit der Kilometerentschädigung zu multiplizieren, um den Pauschalbetrag zu ermitteln. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn jemand längerfristig unterstützt wird und zur massvollen Einsetzung der Mittel nicht jeden Monat die gefahrenen Kilometer überprüft werden sollen. Die Pauschale kann z.B. aufgrund der in den ersten 3 Monaten gefahrenen Kilometer berechnet werden.

Fazit: Ist die Klientin für die Berufsausübung auf ihr Auto angewiesen, sind die vom Arbeitgeber vergüteten Spesen und Benzinkosten für das Auto im Umfang der errechneten Kilometerentschädigung (monatlich oder pauschal) nicht als Einnahmen anzurechnen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach