Guten Tag
Ein Klient hat sich am 1. Juli 2022 für den Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe angemeldet. Gemäss Arztzeugnis ist er ab 1. Juli 2022 bis am 31. Juli 2022 zu 100% arbeitsunfähig. Im Monat Juni 2022 ging er noch seiner selbstständiger Erwerbstätigkeit nach und gemäss Einnahmen-Auslagenübersicht für den Monat Juni 2022 hat er einen Gewinn von CHF 1'850 erzielt. Diese Einnahmen hat er laufend via Twint eingenommen und erhielt solche Zahlungen bis Ende Juni 2022 (letzte Einnahme 30. Juni 2022 CHF 150). Vom 21. Juni 2022 bis am 30. Juni 2022 hatte er Zahlungseingänge in der Höhe von total CHF 1'100. Weiter erhielt er von seiner Mutter Mitte Juni 2022 einen Übertrag in der Höhe von CHF 1'500. Mit den Einnahmen bezahlte er die Wohnungsmiete Juni 2022 und die KK-Prämien Juni 2022. Es blieben ihm im Monat Juni 2022 für den Lebensbedarf noch CHF 1850.
- Wie geht man mit diesen Einnahmen, die er am Ende des Monats vor Unterstützungsbeginn noch erzielt hat, um? Gerade im Hinblick auf den Kontostand per 30. Juni 2022 (CHF 100)?
- Wie geht man allgemein mit Einnahmen am Ende des Monats vor Unterstützungbeginn um?
Besten Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte diese gerne wie folgt:
In der Sozialhilfe gelten sowohl das Final- (Ursachenunabhängigkeit) wie auch das Subsidiaritätsprinzip. Das Finalprinzip bedeutet, dass eine Person, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht rechtzeitig finanzieren kann und damit bedürftig ist, in die Unterstützung aufgenommen werden muss unbesehen davon, was die Gründe für die Bedürftigkeit sind (§ 27 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Luzern [SHG], SKOS-RL A.3 Abs. 5). Das Subsidiaritätsprinzip dagegen bedeutet, dass die Sozialhilfe das unterste Netz darstellt und nur finanzielle Unterstützung leistet, wenn sich jemand nicht selbst helfen oder ihm nicht durch Dritte geholfen werden kann (§ 3 SHG, SKOS-RL A.3 Abs. 2), wobei kein Wahlrecht zwischen Sozialhilfe und vorrangiger Hilfe besteht. Einnahmen sind somit anzurechnen (§ 3 SHG, SKOS-RL D.1). Bei der Anrechnung sind nach lit. d der Erläuterungen der SKOS-RL D.1 Einnahmen grundsätzlich in dem Monat anzurechnen, für dessen Lebensbedarf sie effektiv gedacht sind. Lohnzahlungen, die per Ende eines Monats bezahlt werden, sind deshalb im Folgemonat als Einnahmen anzurechnen (SKOS-RL D.1 Erläuterungen d). Im Praxisbeispiel ZESO 1/2006 kommt die SKOS zum Schluss, dass am Ende des Anmeldungsmonats ausbezahlter Lohn, der im Zeitpunkt der Anmeldung bereits aufgebraucht ist, dennoch bei der Berechnung der Bedürftigkeit für den Folgemonat angerechnet werden darf, auch wenn er nicht mehr vorhanden ist. Diese Praxis haben auch diverse Kantone wie z.B. der Kanton Basel-Stadt.
Daraus folgt, dass wenn man vorliegend streng dem Bedarfsdeckungs- und Finalprinzip folgt, der Antragsteller im Juli bedürftig ist und unterstützt werden muss, da er im Zeitpunkt der Anmeldung (1.7.2022) nur noch Fr. 100.-- auf dem Konto hatte. Wenn man dem Gedanken folgt, dass die Lohnzahlungen für Juni für die Deckung des Lebensunterhalts im Juli bestimmt sind, auch wenn sie nicht mehr vorhanden sind, so ist zu prüfen, ob der Antragsteller über solchen Lohn verfügt. Die Zahlung der Mutter von Fr. 1'500.-- Mitte Juni darf nicht berücksichtigt werden, da diese nicht Ende Monat erfolgt ist und offenbar für die Bestreitung des Lebensunterhalts im Juni diente. Die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit erfolgten über den ganzen Monat verteilt und dienten dem Antragsteller offenbar auch, um den Lebensunterhalt im Juni zu decken. Er scheint sozusagen von der Hand in den Mund zu leben und mit den Einnahmen des jeweiligen Monats den Lebensbedarf dieses Monats zu bezahlen.
Fazit: Vorliegend scheint der Klient deshalb ab Juli bedürftig zu sein. Anders könnte man es sehen, wenn der Klient in einem Angestelltenverhältnis war und den Junilohn Ende Monat ausbezahlt erhalten hat und dieser damit zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Juli gedacht war.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse