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ÜL / IV oder AHV-Vorbezug

Veröffentlicht:
10.11.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Ich berate einen Klienten, welcher im Januar 62 Jahre alt wird. Er hat sich zusammen mit seiner Ehefrau beim Sozialdienst angemeldet. Sie liegen momentan noch über dem Vermögensfreibetrag für Ehepaare und können somit (noch) nicht von der Sozilahilfe unterstützt werden. Sie arbeitet 70% mit einen Montaslohn von +/- Fr. 2'300.00 und kann evtl. auf das Jahr 2023 ihr Pensum auf 100% aufstocken. Er wurde nach 60 Jahren ausgesteuert und ist bis mind. Mitte Mai 2023 aufgrund von über zehn Knieoperationen und -problemen 100% krankgeschrieben. Nun stellt sich mir die Frage, welche Leistungen am ehesten sinnvoll wären und in welcher Reihenfolge:

- kann eine IV-Abklärung gleichzeitig wie eine ÜL-Abklärung laufen?

- ist eine Unterstützung der IV sinnvoller als ÜL bzw. AHV-Vorbezug?

Welche Anmeldung und Prüfung sehen Sie als erste Priorität?

 

Besten Dank für Ihre Antwort. 

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

 

Guten Tag!

A) In einem solchen Fall ist eine IV-Anmeldung sinnvoll, wenn absehbar ist, dass die Knieoperationen/-probleme zu dauernden Einschränkungen führen, welche Leistungen der IV zur Folge haben können. Etwa Hilfsmittel, Hilflosenentschädigungen (wenn Probleme bei alltäglichen Lebensverrichtungen bleiben) oder auch Renten bei bleibenden zu erwartenden gesundheitsbedingten Erwerbseinbussen. Bzw. die Notwendigkeit nach Eingliederungsmassnahmen, um solche zu reduzieren.

Eine erste entsprechende Abschätzung ist mit ärztlichem Rat möglich.

 

B) Eine Anmeldung bei der IV ist vor einem AHV-Vorbezug ratsam, weil so der Besitzstand ausgelöst wird. Das heisst, dass IV-Leistungen, die höher sind als die der AHV (Hilflosenentschädigung, Hilfsmittel, ev. auch Rente) so geltend gemacht werden und bleiben betragsmässig auch nach dem AHV-Vorbezug vorbehalten (ev. mit rückwirkender Gewährung, wenn der entsprechende Entscheid über die IV-Leistungen später erfolgt.

C) Gleiches gilt mit Blick auf mögliche Leistungen bei Invalidität und/oder Altersleistungen der Pensionskasse, falls eine solche besteht. 

D) Unabhängig davon ist eine Meldung für Überbrückungsleistungen sinnvoll, wenn diese hier überhaupt in Frage kommen. Diese könnten nämlich auch in Frage kommen, wenn aus der IV kein Anspruch besteht und auch schon für den Zeitraum, wo noch kein AHV-Vorbezug (mit EL-Ergänzung) möglich ist: Dafür müsste die Aussteuerung nach 60 nach Januar 2021 erfolgt sein. Und es müssten prima vista die weiteren Voraussetzungen gegeben sein können:

So muss der Betroffene mindestens 20 Jahre in der AHV versichert gewesen sein, davon mindestens 5 Jahre nach Vollendung des 50. Altersjahrs, und dabei jährlich ein Nettoerwerbseinkommen über der jeweiligen Eintrittsschwelle für das BVG verdient haben, oder entsprechende Erziehungs- und Betreuungsgutschriften gemäss AHVG geltend machen können. Vgl. zu den Beträgen Anhang 4 der Wegleitung zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (WÜL, Stand 1.1.2022)

Im Weiteren ist die Vermögensschwelle von CHF 100000 bei Ehegatten zu unterschreiten. Wobei daran auch Freizügigkeitsguthaben über CHF 509860 angerechnet würde (Art. 3, 5 und 6 ÜLG; Art. 4 ÜLV)

Abgesehen davon müssten die anerkannten Ausgaben gemäss ÜLG (ähnlich berechnet wie in der EL) die anrechenbaren Einnahmen übersteigen).

Im Weiteren darf die Person weder einen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben noch die Altersrente nach Artikel 40 AHVG vorbeziehen. Dies ist vorliegend aber noch nicht der Fall, bis die IV über ein entsprechendes Gesuch positiv entschieden hat.

Der Anspruch auf ÜL endet im Übrigen am Ende des Monats, in dem Frauen das 62. und Männer das 63. Altersjahr erreichen, wenn dann ein Anspruch auf EL zur ordentlichen AHVAltersrente (64 Frauen/65 Männer) wahrscheinlich ist.

 Die Prüfung des Anspruches auf EL auf den Zeitpunkt des ordentlichen Rentenalters hin, ist für jede ÜL-beziehende Person von Amtes wegen vorzunehmen, wenn ein EL-Anspruch absehbar ist (Art. 3 Abs. 1 lit. b ÜLG).

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot