Geschätzte Frau Schnyder
Folgende Situation
Mutter, lebt in der Gemeinde Y, mit wiederkehrendem WSH-Anspruch in den letzten Jahren in verschiedenen Gemeinden. Aktuell erneuter WSH-Bezug.
Kind ist seit Geburt fremdplatziert. Die Gemeinde X, Unterstützungswohnsitz zum Zeitpunkt der Erstplatzierung, finanziert den Elternbeitrag sowie die Nebenkosten. Für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen (Alimente) sind an die unterstützende Gemeinde X abgetreten.
Frage: Bei welcher Gemeinde sind die krankheitsbedingten Kosten (z. B. Selbstbehalte, Franchise) der fremdplatzierten Kinder geltend zu machen? Auf welcher Rechtsgrundlage?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Annamaria Dell'Amore
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Dell’Amore
Besten Dank für Ihre Anfrage. Aufgrund Ihrer Schilderungen ist es mir nur teilweise möglich, die Sachlage zu erfassen. Insbesondere ist mir nicht klar, ob es sich bei dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt um einen interkantonalen oder innerkantonalen handelt. Auch wird nicht klar, ob es sich um eine Institution der IVSE handelt. Unklar ist auch, wie die Sorgerechtssituation sich bei der Mutter präsentiert.
Ich werde somit von einer Fragestellung ausgehen, die zwischen zwei verschiedenen Kantonen entstanden ist, d.h. dem Kanton der Gemeinde X und jenem der Gemeinde Y, ohne Bezug zu einer Einrichtung der Interkantonalen Vereinbarung über soziale Einrichtung (IVSE). Die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen beruhen daher auf dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (ZUG). Soweit es sich um eine innerkantonale Gegebenheit handelt, können die nachfolgenden Ausführungen nur verwendet werden, wenn das kantonale Sozialhilfegesetz in der Zuständigkeitsfrage auf das ZUG verweist.
Ihren Ausführungen zufolge hat das Kind seit Geburt den Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde X, welcher offenbar nicht unterbrochen wurde. Ein eigenständiger Unterstützungswohnsitz des Kindes regelt das ZUG in Art. 7 Abs. 3 ZUG. Unklar ist vorliegend, welcher Buchtstabe ausschlaggebend für dessen Etablierung ist bzw. war. Aus dem Umstand, dass das Kind einen ununterbrochenen eigenständigen Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde X hat, kann gefolgert werden, dass die Gemeinde X gemäss Art. 12 oder 20 ZUG unterstützungspflichtig ist.
Für welche Unterstützungen die Gemeinde X aufkommen muss, bestimmt Art. 3 Abs. 1 ZUG. Danach sind Unterstützungen im Sinne des ZUG Geld- und Naturalleistungen eines Gemeinwesens, die nach kantonalem Recht an Bedürftige ausgerichtet und nach den Bedürfnissen bemessen werden. In Abs. 2 von Art. 3 ZUG werden diversen Leistungen der Unterstützungscharakter abgesprochen mit der Folge, dass die aufgezählten Leistungen nicht vom zuständigen Kanton als Sozialhilfeleistungen übernommen werden müssen bzw. für diese das ZUG nicht zur Anwendung kommt. Es sind u.a. Leistungen mit Subventionscharakter (z.B. interkantonale Prämienverbilligung).
Die Krankheitskosten, allen voran Franchise und Selbstbehalt, sind nach den SKOS-Richtlinien (Kapitel B.5) typischerweise Sozialhilfeleistungen. Es sind also Kosten, die weder von den Versicherungen noch von den Kantonen im Sinne von Subventionen übernommen werden (dies im Gegenzug zu den Prämienbeiträgen). Demzufolge trifft die Gemeinde X die Unterstützungspflicht in Bezug auf die Krankheitskosten (insb. Selbstbehalt und Franchise). Dieser Schluss erfolgt unbesehen der Rechtslage der Gemeinde X und weiterer ungeklärter Punkte (siehe oben), er drängt sich jedoch auf.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort gedient zu haben.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder