Guten Tag liebes Expertenteam
wir haben eine Übertragung erhalten von einem anderen Sozialdienst. Die Klientin musste aufgrund häuslicher Gewalt sich eine andere Wohnung suchen. Sie ist im Besitz von 70 Ziegen. Sie hat in unserer Region eine passende Wohnung gefunden. Sie konnte nur das ganze Haus mieten und möchte die zweite Wohnung untervermieten. Aktuell bezahlt sie Fr. 800.- mehr als für eine Person in unserer Region an Mietzins vorgesehen ist. Der Mietabzug wurde vom letzten Sozialdienst für den Übergangsmonat bereits vorgenommen.
Bezüglich der häuslichen Gewalt fand eine Schlichtungssitzung statt, wo vereinbart wurde, dass sie weiterhin mit ihren Ziegen auf dem Hof ihres gewalttätigen Partners unentgeltich bis Ende Juni wohnen könne, jedoch müsse sie im Gegenzug die Anzeige zurückziehen.
Wie ist sozialhilferechtlich mit der überteuerten Wohnung im Kontext zur Lebenssituation vorzugehen? Die Wahrscheinlichkeit, dass sie innert nützlicher Frist einen Mieter für die zweite Wohnung findet ist aufgrund der geographischen Lage des Hauses sehr gering.
Besten Dank für Ihre Ausführungen.
Mit freundlichen Grüssen
Sabine Bauer
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Bauer
Vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Grundsätzlich möchte ich auf meine Antwort zu Ihrer Frage vom 27.8.2018 verweisen, in der ich den Grundsatz bei überhöhten Mietzinsen ausgeführt habe. Dies bedeutet vorliegend, dass der überhöhte Mietzins grundsätzlich zu übernehmen ist, bis eine zumutbare günstigere Lösung zur Verfügung steht d.h. bis zum Ablauf der nächstmöglichen Kündigungsfrist oder bis zum Finden eines Untermieters, falls dies vorher ist und die Klienten ist aufzufordern zu künden und eine günstigere Wohnung zu suchen.
Nun gilt in der Sozialhilfe aber das Individualisierungsgebot, das besagt, dass die Unterstützung an die konkrete Situation anzupassen ist (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gsllen 2014, S. 251ff.).
Im vorliegenden Fall stellt sich deshalb zuerst die Frage, ob es der Klientin als Pflicht zur Verringerung der Bedürftigkeit (auch hier siehe meine Ausführungen zu Ihrer Frage vom 27.8.) zur Auflage gemacht werden kann, dass sie mit den Ziegen zu ihrem Partner zurückzieht und dort bis Juni (ich nehme an 2019) wohnt, dafür aber ihre Strafanzeige zurückzieht. Ich finde es sehr heikel, dies von der Klientin zu verlangen, da sie dadurch dem Recht beraubt würde, gegen ihren Partner strafrechtlich vorzugehen. Zudem wäre sie der Gefahr weiterer gewalttätigen Angriffe ausgesetzt. Ich würde dieses Vorgehen deshalb nicht wählen.
Es stellt sich aufgrund des Individualisierungsprinzips deshalb die weitere Frage, ob die Klientin länger als bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im von ihr gemieteten Haus wohnen bleiben darf, wenn sie keinen Untermieter findet, weil sie Ziegen hat. Meiner Ansicht nach ist es aufgrund der persönlichen Freiheit zwar durchaus zulässig, während der Unterstützung Tiere zu halten, dies darf jedoch grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Sozialhilfe höhere Kosten zu tragen hat. Aber auch hier gibt es Gründe, um die Kosten zu übernehmen z.B. wenn Tiere aus medizinisch indizierten therapeutischen Gründen gehalten werden. Wie sich die Situation in Ihrem Fall konkret verhält, weiss ich nicht. Das gilt es mit der Klientin zu klären. Hält sie die Ziegen aus Tierliebe sozusagen als Hobby, besteht meiner Ansicht nach kein Anspruch, dass die Sozialhilfe die deswegen entstehenden Kosten übernimmt. In diesem Fall gilt es zu klären, wie rasch die Klientin die Ziegen veräussern oder unentgeltlich oder günstig platzieren kann. So lange ist die Übernahme des überhöhten Mietzinses dann gerechtfertigt (ich denke, dass eine Lösung innerhalb der Kündigungsfrist gefunden werden könnte).
Weigern sich Klienten, der Auflage, zu künden und eine günstigere Wohnung zu suchen nachzukommen, kann nach Kapitel B.3 SKOS-Richtlinien nur noch der Grenzwert bezahlt werden.
Fazit: Der überhöhte Mietzins ist vorerst zu übernehmen. Parallel gilt es zu klären, ob die Rückkehr zum Partner zumutbar ist (meiner Ansicht nach nicht), weshalb die Klientin Ziegen hält und bis wann diese allenfalls verkauft oder umplatziert werden können. Auf diesen Zeitpunkt unter Beachtung der Kündigungsfristen ist die Kündigung bzw. die Suche einer Wohnung im Grenzwert zu verlangen mit dem Hinweis, dass ab diesem Zeitpunkt nur noch der Grenzwert bezahlt wir.
Die Klientin ist in die Entscheidung insofern einzubeziehen, als dass mit ihr zusammen der Sachverhalt zu eruieren ist und sie sich zum schliesslich geplanten Vorgehen vor der Anordnung äussern können muss.
Der Klientin kann und muss parallel auch die Möglichkeit gewährt werden, einen Untermieter zu suchen und so den Grenzwert nicht mehr zu übersteigen.
Ich hoffe, Ihnen damit weiterzuhelfen.
Ergänzend möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich meine Antwort auf Ihre Anfrage vom 27.8.2018 noch ergänz habe.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Guten Tag Frau Loosli
besten Dank für Ihre Erläuterungen.
Mit freundlichen Grüssen
Sabine Bauer