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Übernahme Massnahme

Veröffentlicht:
07.01.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Liebes Expertenteam

Die KESB X hat uns um Übernahme einer Beistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB angefragt.

Bei Durchsicht der Akten wird festgestellt, dass die KESB X gestützt auf Art. 416 ABs. 1 ZGB eine Zustimmung zum Erbauskauf mittels Vergleich erteilt hat (es bestand eine Erbengemeinschaft der betroffenenPerson und ihre (zerstrittenen) Kinder). Der Nachlass bestand aus liquiden Mitteln und Grundstücken im Ausland. Mit der Zustimmung gemäss Art. 416 ZGB scheidet die betroffene Person gegen Bezahlung von Betrag K per Saldo aller Ansprüche aus der Erbengemeinschaft aus. Die Erbengemeinschaft wird von den Kindern fortgeführt. Von Betrag K wurde ein Teil auf ein Sperrkonto bezahlt, welches dazu dient, den Anteil an anfallenden Steuer- Nachsteuern- und Strafsteuerforderungen sowie sämtliche anfallenden Kosten betr. Übertragung der Grundstücke an die Kinder zu begleichen (Anteil gemäss Erbquoten). Die betroffene Person haftet mit max. diesem Betrag auf dem Sperrkonto, ein höherer Betrag würde von den Kindern getragen.

Zum aktuellen Zeitpunkt wurde die letzte Rate des Erbauskaufes an die betroffene Person überwiesen, hingegen ist mit der Übertragung  der Grundstücke aktuell eine Kanzlei vor Ort im Ausland beauftragt resp. die Übertragung der Grundstücke ist noch nicht erfolgt.

Bei unserer Behörde gibt es nun Stimmen, welche aussagen, dass es sich dabei noch um ein hängiges Verfahren handle, insbesondere der Vollzug der Grundstücksübertragung sowie das Vorliegen der Steuerforderungen müssten abgewartet werden und seien noch von der alten Behörde zu kontrollieren. Dies insbesondere auch wegen allfälliger Haftungsfragen.  Eine Übernahme zum aktuellen Zeitpunkt sei deshalb nicht gegeben.

Wie beurteilen Sie die Situation?

Besten Dank für Ihre Antwort im Voraus!

N. Giger

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Giger

Wenn die Zustimmung der KESB erfolgt und in Rechtskraft erwachsen ist, liegt kein hängiges Verfahren mehr vor.

Ich nehme an, dass es mit der Übernahme auch zu einem Wechsel der Beistandsperson kommt. Die Argumentation, dass der Vollzug noch abgewartet werden müsse, überzeugt mich nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass neu einzusetzende Beistandspersonen Aufgaben weiterführen und z:b. Steuerforderungen aus früheren Perioden zu bearbeiten haben oder Haftungsfällen nachgehen müssen, die vor ihrer Amtseinsetzung entstanden sind. Deshalb hat eine neu zuständige KESB auch immer wieder mit Angelegenheiten zu tun, die sich bereits vor der Übernahme verwirklichten.

Denkbar wäre, dass die Massnahme übertragen und die bisherige Beistandsperson noch im Amt belassen wird, bis die anstehenden Aufgaben erledigt sind. Sollte die bisherige Beistandsperson in unmittelbar nächster Zeit die mit dem Erbauskauf zusammenhängenden Aufgaben abschliessen können und eine Übernahme durch eine neue Beistandsperson einen unverhältnismässigen Aufwand bedeuten, könnte das ein wichtiger Grund nach Art. 442. Abs. 5 ZGB sein, der gegen eine Übernahme spricht (ESR-Komm-Wider, Art. 442 ZGB N 15; Empfehlung der KOKES vom März 2015, Übernahme einer Massnahme des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts nach Wohnsitzwechsel (Art. 442 Abs. 5 ZGB), in: ZKE 2016 S. 167).

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 8.1.2020

Karin Anderer