Sehr geehrte Frau Anderer
Wir haben für ein Ehepaar eine Vertretungsbeistandschaft in Finanzen und Administration geführt (gemeinsames Betriebskonto, als Kontoinhaber ist der Ehemann aufgeführt). Der Ehemann ist Mitte Oktober verstorben. Da die Finanzen eher knapp waren (Kontostand Betriebskonto per Todestag ca. Fr. 40‘000.00, offene Heimrechnungen per Todestag ca. Fr. 16‘000.00), wird in der Erbteilung kein Notariat eingeschaltet. Es besteht weder ein Testament noch ein Erbvertrag. Der Ehemann hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder. Das Verhältnis zwischen den Kindern ist stark zerstritten. Die Ehefrau hat ein Sparkonto auf ihren Namen (ca.14‘000CHF)
Meine Fragen sind folgende:
Wie ist der/die Vertreterin der Erbengemeinschaft zu ermitteln?
Kann der Teil der Ehefrau - die Hälfte - des gemeinsamen Betriebskonto (per Todestag; und mit vorher anfallenden Rechnungen verrechnet) auf das für die Ehefrau neu errichtet Betriebskonto überwiesen werden?
Oder ist es sinnvoller die Hälfte des gemeinsamen Betriebskonto per Todestag auf das neu errichtete Betriebskonto zu überweisen ohne vorherige Verrechnung der offenen Rechnungen? Somit könnten die offenen Rechnungen der Ehefrau über das neue Betriebskonto bezahlt werden und würden so in der Buchhaltung abgebildet. Über das gemeinsame Betriebskonto wird ab Todestag keine Buchhaltung mehr geführt.
Können wir die Beerdigungskosten und die offenen Heimrechnungen des verstorbenen Ehemanns noch über das gemeinsame Betriebskonto abwickeln? Dabei sind auch Kosten, welcher ein Teil der Erbengemeinschaft nicht goutiert (Essen, an welchem der Sohn die Teilnahme verweigerte). Oder brauchen wir diesbezüglich die Zustimmung der ganzen Erbengemeinschaft?
Gehört das Sparkonto (auf den Namen der Ehefrau lautend) in die Erbteilung oder können wir hier einen Kapitaltransfer auf das neu errichtete Betriebskonto vornehmen?
Vielen Dank für ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse
Susanne Thürig
Frage beantwortet am
Urs Vogel
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Erwägungen:
1. Mit dem Tod des Ehemannes endet die Beistandschaft von Gesetzes wegen (Art. 399 Abs. 1 ZGB) und gleichzeitig endet auch das Amt der Beiständin von Gesetzes wegen (Art. 421 Ziff. 2 ZGB). Somit erlischt auch die Vertretungskompetenz der Beiständin mit dem Tod der betroffenen Person.
2. Gemäss Ihren Angaben lautet das Betriebskonto über welches die Finanzverwaltung sowohl des Mannes als auch der Frau abgewickelt wurden, ausschliesslich auf den Namen des Mannes. Die Beiständin hat somit keinen Zugriff mehr auf dieses Konto, da die Vertretungskompetenz von Gesetzes wegen weggefallen ist und das Konto neu auf die Erben des verstorbenen Ehemannes lautet. Für den Rückzug von Geldern ist ausschliesslich die Erbengemeinschaft zuständig. Diese kann nur gemeinsam handeln, sei es durch einen gemeinsam bestimmten Erbenvertreter oder durch gemeinsames Handeln gegenüber der Bank.
3. Die offenen Rechnungen sind genau zu qualifizieren: Rechnungen, welche direkt die verstorbene Person betreffen (z.B. Arztrechnungen, Heimrechnungen etc.); Rechnungen, die die überlebende Ehefrau betreffen (z.B. Heimrechnungen) sowie Rechnungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Todesfalls (Beerdigungskosten, Leidessen etc.).
4. Um die Höhe des Nachlasses feststellen zu können ist vorab eine güterrechtliche Auseinandersetzung, also die Auflösung der Ehe vorzunehmen. Auszuscheiden ist das Eigengut der verstorbenen Person und die Hälfte der Errungenschaft. So wie Sie schreiben, scheint der Verstorbene über kein Eigengut zu verfügen. Zudem wurde sowohl die Errungenschaft des Verstorbenen wie auch diejenige der Ehefrau (die Renteneinkommen etc.) auf einem Konto verwaltet, das auf den Namen des Verstorbenen lautet. Die Ehefrau hat somit Anspruch auf die Hälfte dieser Vermögenswerte aus ehelichem Güterrecht. Das Problem stellt sich aber, dass auf dieses Konto nur noch die Erbengemeinschaft rechtsgültig zugreifen kann. Mit den Kindern ist somit in Vertretung der überlebenden Ehefrau diese Aufteilung vorzunehmen. Nur mit der Zustimmung von allen kann die Hälfte des Kontos des Verstorbenen auf das neu errichtete Betriebskonto der überlebenden Ehefrau transferiert werden.
5. Das Sparkonto der überlebenden Ehefrau fällt nicht unter die Erbteilung, da es sich dabei um Eigengut handelt, welches im Nachlass nicht zu berücksichtigen ist, es sei denn, dass das Sparguthaben aus Ersparnissen der Errungenschaft gebildet wurde. Dann müsste die Hälfte dieses Vermögenswertes dem Nachlass zu geschlagen werden.
6. Die offenen Rechnungen betreffend des verstorbenen Ehemannes (nicht aber die offenen Rechnungen betreffend die Ehefrau) und die Rechnungen im Zusammenhang mit dem Todesfall stellen Forderungen gegenüber dem Nachlass dar. Diese sind somit anschliessend mit Zustimmung aller Erben - nach der güterrechtlichen Aufteilung der Vermögenswerte und Überweisung auf das Konto der überlebenden Ehefrau - vom bisherigen Konto des Verstorbenen zu begleichen. Bleibt ein Rest übrig, so ist dieser nach den allgemeinen Regeln des Erbrechtes zu teilen, da weder eine letztwillige Verfügung noch ein Erbvertrag besteht. Die Zustimmung der KESB zu diesem Teilungsvertrag ist erforderlich (Art. 416 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB), es sei denn, dass die durch die Beiständin vertretene Ehefrau urteilsfähig und in der Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist und der Erbteilung selber zustimmen kann (Art. 416 Abs. 2 ZGB). Ist der Nachlass jedoch überschuldet, so ist die Ausschlagung für die verbeiständete Ehefrau zu prüfen.
Kulmerau, 28. Oktober 2019/Urs Vogel