Guten Tag
Im Vorsorgeauftrag kann man die vorsorgebeauftragte Person berechtigen Substitutionsvollmachten zu erteilen und Hilfpersonen beizuziehen.
Angenommen, im Vorsorgeauftrag wurde dies nicht explizit festgehalten, wie muss die Vorsorgebeauftragte Person in einem solchen Fall vorgehen, wenn Sie Aufträge an Dritte erteilen möchte?
Vielen Dank für Ihre Antwort und freundliche Grüsse,
Annina Spirig
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Spirig
Nach Art. 365 Abs. 1 ZGB vertritt die beauftragte Person im Rahmen des Vorsorgeauftrags die auftraggebende Person und nimmt ihre Aufgaben nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über den Auftrag sorgfältig wahr.
Art. 396 Abs. 3 OR beschränkt den Umfang der Vertretungsmacht:
3 Einer besonderen Ermächtigung bedarf der Beauftragte, wenn es sich darum handelt, einen Vergleich abzuschliessen, ein Schiedsgericht anzunehmen, wechselrechtliche Verbindlichkeiten einzugehen, Grundstücke zu veräussern oder zu belasten oder Schenkungen zu machen.
Solche risikoreichen Geschäfte kann eine vorsorgebeauftragte Person also nur mit einer besonderen Ermächtigung, die im Vorsorgeauftrag möglichst genau zu bezeichnen sind, abschliessen. Darunter fallen auch Geschäfte von besonderer Tragweite, wie die Führung eines Unternehmens (ESR-Komm, Langenegger, Art. 365 N 3 und 7; FHB Kindes- und Erwachsenenschutzrecht-Fountoulakis, N 4.30 f.; a.A. ZK-Boente, Art. 365 N ).
Die vorsorgebeauftragte Person hat, gemäss Art. 398 Abs. 3 OR, die Interessen der urteilsunfähigen Person wahrzunehmen und eine Pflicht zur persönlichen Auftragserfüllung (ESR-Komm, Langenegger, Art. 365 N 3). Die vorsorgebeauftragte Person selbst hat keine Substitutionsbefugnis, fehlt also eine solche Ermächtigung im Vorsorgeauftrag, kann sie keine Substituten beiziehen. Substitution bedeutet, die Übertragung des Auftrags (oder Teile davon) an eine andere Person (ESR-Komm, Langenegger, Art. 360 N19; ZK-Boente, Art. 365 N 68 f.; FHB Kindes- und Erwachsenenschutzrecht-Fountoulakis, N 4.35; BSK ZGB I-Jungo, Art. 360 N 29).
Für den Beizug einer Hilfsperson bedarf es keiner besonderen Ermächtigung. Hier wird die Hilfsperson für die Ausführung des Auftrags beigezogen, die vorsorgebeauftragte Person bleibt allein für die richtige und sorgfältige Ausführung des Auftrags verantwortlich (BSK ZGB I-Jungo, Art. 360 N 29).
Sollten sich Fragen zur Auslegung und Ergänzung des Vorsorgeauftrags ergeben, z.B. über die Vertretungsbefugnisse, empfehle ich der vorsorgebeauftragten Person, sich im Rahmen von Art. 364 ZGB an die zuständige KESB zu wenden.
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 10.8.2021
Karin Anderer