Sehr geehrte Damen und Herren
Ein Klient, welcher mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt wird, wird in finanziellen Angelegenheiten durch seine Neffen vertreten. Im Februar 2018 hat der Klient eine Steuerrückzahlung in Höhe von Fr. 3013.80 erhalten. Seine Neffen haben sich daraufhin das Geld auf ihr Konto überwiesen, mit der Begründung die Rechnung im Jahr 2017 bezahlt zu haben. Auf Anfrage wurde uns ein entsprechender Beleg vorgelegt, der beweist, dass der Neffe die Zahlung der Steuerrechnung vorgenommen hat.
Uns stellt sich nun die Frage, ob die Steuerrückzahlung zum aktuellen Zeitpunkt als Einnahme betrachtet werden muss und dem Klienten somit weniger Leistungen ausbezahlt werden müssen oder ob der Geldbetrag effektiv dem Neffen zusteht und somit keinen Einfluss auf die höhe der Sozialhilfeleistungen hat.
Besten Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Sozialdienst Uri Ost
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Schürze
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Eine Rückzahlung von zuviel vorausbezahlten Steuern stellen Einnahmen dar, die der Sozialhilfe im Sinne des Subsidiaritätsprinzips vorgehen (Art. 3 und 27 SHG UR). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, wenn der Rückzahlungsbetrag dem Klienten zugestanden hat. Dabei kommt es darauf an, welche Abmachungen zwischen Klienten und Neffen der damaligen wohl internen Schuldübernahme (Art. 175 OR) durch den Neffen zugrunde lagen. Wurde diese Schuldübernahme etwa unter die Bedingung gestellt, dass diese nur erfolgt, wenn die Steuerrückzahlung an den Neffen geleistet wird, bin ich der Meinung, dass der Klient seinen Anspruch bereits zu diesem Zeitpunkt aufgegeben hat, so dass die aktuelle Steuerrückzahlung effektiv dem Neffen zusteht, d.h. nicht zu den finanziellen Verhältnissen des Klienten gerechnet werden kann. Wurde nichts dergleichen vereinbart, ist die Steuerrückzahlung dem Klienten zuzurechnen. Der Neffe hat aufgrund der Schuldübernahme lediglich eine Forderung gegenüber dem Klienten, soweit er damals diese Schuldübernahme nicht als Schenkung betrachtet hat.
Ohnehin könnte man hinterfragen, ob der Neffe nicht seine Vertretungsmacht (Art. 33 OR) überschritten hat, als er die Kontoüberweisung zu seinen Gunsten veranlasst hat. In diesem Fall wäre es an ihm, das Geld zurückzuzahlen. Dies wäre wohl eher zu verneinen, wenn der Neffe tatsächlich eine bestehende Forderung gegenüber dem Klienten hatte.
Kommt man zum Ergebnis, dass die Steuerrückzahlung dem Klienten zugestanden hat und diese rechtmässig auf das Konto des Neffen überging, verhält es sich so, dass der Klient den Betrag statt für seinen Lebensunterhalt zur Schuldentilgung verwendet hat. Entscheidend ist im vorliegenden Fall jedoch, dass die Rückzahlung nicht mehr im Vermögen des Klienten ist, sondern in jenem des Neffen. D.h. der Klient verfügte innert offenbar kurzer Zeit nicht mehr über das Geld. Nach dem Tatsächlichkeitsprinzip (vgl. Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Dike 2014, S. 214) ist es daher nicht mehr möglich, das Geld anzurechnen, als wäre es noch vorhanden, d.h. der Klient gilt weiterhin als bedürftig im bisherigen Umfang.
Immerhin ist zu prüfen, ob die künftigen Unterstützungsleistungen gekürzt werden können wegen der Verletzung der Meldepflicht, soweit vorgängig eine Mahnung erfolgt ist (Art. 31 SHG i.V.m. Art. 30 Abs. 2 SHG). Hierbei ist dem Klienten das Verhalten des Neffen als Vertreter in finanziellen Angelegenheiten anzurechnen (vgl. Art. 32 ff. OR). Es ist aber aus meiner Sicht von einer Kürzung abzusehen, wenn dahinter ein Unvermögen des Klienten steht, selber sein Einkommen zu verwalten. Eine Rückerstattung wegen unrechtmässigen Bezugs kämme, wenn überhaupt, für die Zeit in Frage, als das Geld auf dem Konto des Klienten lag.
Nach dem Gesagten bleibt zu klären, ob die Schuldübernahme im Jahr 2017 an Bedingungen geknüpft war. War sie das nicht bzw. können solche nicht nachgewiesen werden, handelt es sich um eine Schuldenrückzahlung und somit um einen Vermögensverzicht, wenn die vom Neffen getätigte Kontoüberweisung rechtmässig war. Kann der Vermögensverzicht nicht mehr rückgängig gemacht werden, darf dem Klienten im Budget das weggegebene Geld nicht angerechnet werden, als wäre es noch vorhanden. Da aber der Klient zur rechtzeitigen Meldung verpflichtet gewesen wäre, kann eine Kürzung gestützt auf Art. 31 SHG geprüft werden, sofern eine vorgängige Mahnung erfolgt ist. Es wäre jedoch davon abzusehen, wenn der Klient nicht in der in der Lage ist, seine finanziellen Verhältnisse zu erfassen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort eine Entscheidungshilfe im konkreten Fall gegeben zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder