Sehr geehrter Herr Pärli
Eine Klientin von uns ist mit folgender Frage an uns gelangt:
Sie arbeitet in einem Pflegeheim im Hauswirtschaftlichen Dienst. Neuerdings müsse sie (und ihre Kolleginnen) selber für eine Stellvertretung sorgen, wenn sie am Wochenende krankheitshalber ausfallen. Sie wollte wissen, ob ihr Arbeitgeber dies wirklich von ihr verlangen kann. Meinem Gefühl folgend würde ich klar nein sagen, kann ein Arbeitgeber meiner Meinung nach nicht von einer erkrankten Person verlangen, dass sie auch noch für eine Stellvertretungslösung sucht. Aber wie verhält es sich tatsächlich? Können Sie mir weiterhelfen?
Besten Dank.
Freundliche Grüsse, Andrea Aldous
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Aldous
Ich gehe davon aus, dass Ihre Klientin in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis steht und somit die Bestimmungen des Obligationsrechts Anwendung finden.
Grundsätzlich ist die Organisation der Arbeit und somit auch die Bestellung einer Stellvertretung im Fall der krankheitsbedingten Abwesenheit von Arbeitnehmenden Sache der Arbeitgeberin. Dass eine Arbeitnehmerin krankheitsbedingt ausfällt, gehört zum typischen Arbeitgeberrisiko.
Zu beachten gilt es aber die allgemeine arbeitsrechtliche Treuepflicht, die ihre Grundlage in Art. 321a Abs. 1 OR findet. Demnach ist der Arbeitnehmer u.a. verpflichtet, die "berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren". Die Treuepflicht ist zwar in erster Linie eine Unterlassungspflicht (d.h., man darf die Interessen des Arbeitgebers nicht aktiv schädigen), beinhaltet aber auch ein aktives Tun, wenn es die Interessen der Arbeitgeberin erfordert.
Im Rahmen der arbeitsrechtlichen Treuepflicht kann aber von den Arbeitnehmenden durchaus eine Unterstützung der Arbeitgeberin bei der Suche nach Stellvertretungen im Krankheitsfall gefordert werden. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Rollenverteilung, d.h. für die Organisation der Arbeit ist die Arbeitgeberin zuständig und für die Ausführung der Arbeit die Arbeitnehmenden.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli