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Sozialhilfeschulden bei den Ergänzungsleistungen

Veröffentlicht:
17.04.2025
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag zusammen

Wir sind ein Sozialdienst im Kanton Bern. Wir haben Fälle, bei denen unsere Klienten keine oder weniger Ergänzungsleistungen erhalten, weil ihnen bei der EL ein Vermögensverzicht (z.B. hoher Geldverbrauch, Übertragung Liegenschaft oder Romance Scam) oder ein Einkommensverzicht (z.B. Verzicht auf Nutzniessung)einrechnet. Gemäss Ziff. 3444.02 WEL können bezogene Sozialhilfeleistungen bei der EL als Schuld berücksichtigt werden, wenn wir die Rückforderung rechtskräftig verfügt haben. Hier stellt sich für uns die Frage, aus welchen Gründen wir die Rückforderung verfügen können. Wann können wir dies gestützt auf eine selbstverschuldete Bedürftigkeit machen? Oft (nicht immer) handelt es sich um einen EL-Bezug im Zusammenhang mit Heimeintritte und die unterstützten Personen waren ohne Heimeintritt nicht auf Sozialhilfe angewiesen. Gibt es noch andere Gründe, gestützt auf die wir eine Rückforderung verfügen können? Ist es z.B. ausreichend, zu verfügen, dass Sozialhilfe im Umfang von CHF XX bezogen wurde und, dass Sozialhilfe grundsätzlich rückerstattungspflichtig ist?

Besten Dank

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Sozialhilfeschulden führen EL-rechtlich als Schul zu einer Milderung des Vermögens, wenn sie wirtschaftlich relevant sind. Vgl. dazu BGer 9C_884/2013 vom 9. April 2014, insb E. 5 und BGer 9C_365/2018 vom 12.9.2018.

Entscheidend ist gemäss dem Bundesgericht, dass die Sozialhilfeschuld des Beschwerdegegners gegenüber den Sozialen Diensten tatsächlich und rechtmässig entstanden sowie in der Höhe einwandfrei belegt ist. Damit belastet sie die wirtschaftliche Substanz des Vermögens des Versicherten und ist zu berücksichtigen.

Klar ist dies, wenn - wie in der Anfrage erwähnt und in der WEL nun verankert, wenn die Rückerstattung rechtskräftig verfügt wurde.

Im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung könnten auch Fälle zu einer Anrechnung führen, wo eine Schuld eindeutig besteht und etwa eine entsprechende Rückerstattungsvereinbarung erfolgte.  Auch sonst kann die Sozialhilfeschuld einer EL-beziehende Person zur Rückerstattung höchstens dann abgezogen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des kantonalen Sozialhilferechts für eine Verpflichtung zur Rückerstattung der Sozialhilfe erfüllt sind und ernsthaft damit gerechnet werden muss, dass die Sozialhilfebehörde die Rückerstattung durchsetzen wird.

 

Im Kanton Bern sind Rückerstattungsschulden in der Sozialhilfe primär über eine Vereinbarung zu konkretisieren. Nur subsidiär kann verfügt werden. Vgl dazu Art. 44 Abs 2 SHG Bern).

Eine solche Vereinbarung bzw. Verfügung kann geprüft werden, wenn dafür die Voraussetzungen gemäss Art. 40ff. SHG bestehen.

Damit eine Rückerstattungsvereinbarung gültig ist, bzw. eine entsprechende Verfügung zulässig ist, sind die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen genau zu prüfen. 

Es gibt gemäss Art. 40 SHG Fallgruppen des rechtmässigen Bezuges, wo die Rückerstattung mit einer späteren Verbesserung der wirtschaftlichen Situation verlangt werden kann. Dazu gehören auch die Fälle der Bevorschussung etwa von Sozialversicherungsleistungen bzgl. der entsprechenden Nachzahlungen. Es gibt auch Fälle des unrechtmässigen Bezuges, im Kanton Bern u.a . auch die in grober Weise selbstverschuldete Bedürftigkeit (Art. 40 Abs. 4 SHG BE).

Die Tatsache alleine, dass EL-rechtlich Verzichtsvermögen vorliegt, dürfte zur Annahme dieses Tatbestandes aber nicht genügen. Damit ein grobes Selbstverschulden vorliegen würde, müsste die zeitliche und sachliche Nähe der Handlung, die zu einem Verzichtsvermögen in der EL führt, zum Sozialhilfebezug gross sein. Die Person müsste absehen können, dass ihr Handeln einen Sozialhilfebezug notwendg macht. 

Offen ist auch, ob eine so verfügte Schuld, die aus unrechtmässigem Verhalten erfolgte, tatsächlich in der EL abziehbar ist. Zumal wegen des Verbots des Rechtsmissbrauchs in der EL ein strenger Massstab gilt, welche Schulden in Abzug gebracht werden können (vgl. die Praxis zum Verzichtsvermögen).

Ich hoffe, das dient.

Prof. Peter Mösch Payot