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Sozialhilfebudget für Mutter und Kind bei (Mutter-und Kind) Heimaufenthalt

Veröffentlicht:
08.06.2021
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Eine junge Klientin (07.01) bezieht gemäss WSH-Entscheid vom 28.07.2020 seit 01.01.2020 WSH. Aufgrund der stets wechselnden Wohn-/familiärenverhältnisse ist das WSH-Budget enorm komplex.

Mit Geburt Ihres Sohnes L. vom 13.02.2021 hat sich die Situation nochmals verändert. Am 11.03.2021 ist sie gemeinsam mit ihrem Sohn ins Mutter-Kind-Haus Elim eingetreten.
Seither stimmt die Berechnung des WSH-Bedarfes meiner Meinung nach nicht.

Die Gemeinde kommt subsidiär für die Heimkosten von L. (Versorgerbeitrag 30Fr./Tag + Nebenkostenpauschale von 200Fr.) und von der Kindsmutter auf (Heimkosten (286Fr./Tag)+ Versorgerbeitrag 30Fr./Tag) . Die Gemeinde hat den Grundbedarf ins Budget eingerechnet, jedoch wieder vollumfänglich abgezogen, da sie davon ausgehen, dass die KM Kost + Logis im Mutter-Kind-Haus erhält. Dies erscheint mir nicht rechtmässig . Entsprechend haben wir Korrekturbudgets eingereicht (Gemäss SKOS GBL in stationären Aufenthalten). Die Gemeinde weigert sich, weshalb wir uns folgende Fragen stellen:

-Darf der Grundbedarf der KM abgezogen werden, weil die Gemeinde für die Heimkosten aufkommt? Wie wird der Versorgerbeitrag von 30Fr./Tag einbrechnet? Darf dieser als Einnahmen deklariert werden? 

-Darf die IV-Kinderrente (seitens Kindsvater) + (evtl. EL) ins Budget als Einnahmen der KM eingerechnet werden? Wenn ja, wie viel gilt als "unantastbares" Kindsvermögen?

-Erhält L. den gleichen Grundbedarf, wie Personen im stationären Aufenthalten, auch wenn er effektiv (Gemäss Mutter Kind Haus) nur 200Fr./Monat benötigt? 

-Benötigen wir einen neuen WSH-Entscheid, wenn sich die Verhältnisse (Geburt Kind) verändern?

-Benötigen wir einen neuen WSH-Entscheid, wenn Heimkosten/Versorgerbeiträge von der Gemeinde (subsidiär) übernommen werden sollen? 
-Wenn ja, bei welchen grundlegenden Ereignissen benötigen wir einen neuen WSH-Entscheid?

Besten Dank für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Gloor

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Es handelt sich im Wesentlichen um folgende 3 Themen:

 

1. Grundbedarf während Heimaufenthalt, Verhältnis zur Finanzierung der Heimkosten

Wegleitend für diese Frage im Luzerner Sozialhilferecht sind die SKOS-RL, da weder Gesetz noch Verordnung konkrete Regelungen dazu haben (§ 31 Abs. 1 SHG LU). Nach SKOS-RL C.3.2 Abs. 3 orientiert sich der Grundbedarf von Personen in stationären Einrichtungen an den kantonal anerkannten Beiträgen für persönliche Auslagen im Geltungsbereich des ELG. Im Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe wird dies auf Basis der kantonalen Verordnung zu den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV erläutert (C.3.2.3). Ohne Pflegebedürftigkeit beträgt die Pauschale pro Monat Fr. 458 und mit Pflegebedürftigkeit Fr. 343. Die SKOS-RL schweigen sich darüber aus, wie die Pauschale zu handhaben ist, wenn Mutter und Kind gleichzeitig stationär sind. Angesichts dessen, dass bei Zweipersonenhaushalten auch nicht einfach eine Verdopplung des Grundbedarfs stattfindet, sondern ein um den Äquivalenzfaktor erhöhten Grundbedarf (siehe SKOS-RL C.3.2 Abs. 2) zugestanden wird, könnte argumentiert werden, dass bei Elternteil und Kind im stationären Kontext ebenfalls keine Verdopplung stattfindet.

Hinweise zur Frage des Grundbedarfs des Kindes ergeben sich aus dem Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe:

  • Pflegekosten bei Unterbringung in sozialen Einrichtungen, C.3.2.3.3 b) (S. 27): Fr. 200 Nebenkosten + Fr. 10 Taschengeld (bis 6. Altersjahr)
  • Personen in stationären Einrichtungen, Pauschalen für 1. Kind Aufenthalt Frauenhaus/Haus Hagar (S. 79) bis vollendetes 11. Altersjahr: Fr. 60 + Windeln Fr. 80. Nicht erwähnt wird für welchen Zeitraum (Tag, Monat, Jahr), anzunehmen ist pro Monat + auf sehr gut begründetes Gesuch hin: Spezialauslagen.

Wenn die Gemeinde für das Kind Fr. 200 vergütet, hätte es noch Anspruch auf die Fr. 10 Taschengeld. Aus meiner Sicht ist dieser Betrag vertretbar, zumindest aus der Logik des Äquivalenzfaktors und da womöglich in den Heimkosten noch weitere Auslagen enthalten sind, die im Regelfall mit dem Grundbedarf zu finanzieren wären. Die Beträge Frauenhaus/Haus Hagar können nur für diese Institutionen greifen. Sie sind sehr tief angesetzt (bezogen auf den Monat), womöglich bieten diese beiden Einrichtungen Leistungen aus der Heimtaxe an, die normalerweise mit dem Grundbedarf zu bezahlen wären.

Fazit:

  • Die Mutter hat Anspruch auf den Grundbedarf bei stationärem Aufenthalt von Fr. 458 (Sie schreiben nichts von Pflegebedürftigkeit).
  • Das Kind hat Anspruch auf Fr. 200 Nebenkostenpauschale + Taschengeld von Fr. 10, Ansatz bei Unterbringung in sozialen Einrichtungen.

Erachtet die Gemeinde den Grundbedarf als in der Heimtaxe eingeschlossen, muss das Heim diesen Grundbedarf der Mutter bzw. dem Kind zukommen lassen. Im Ergebnis müssen Mutter und Kind die Grundbedarfe zur Verfügung haben.

 

2. Anrechnung IV-Kinderrente im Budget

Die IV-Kinderrente ist für den Kindesunterhalt vorgesehen. Diese darf an die wirtschaftliche Hilfe für das Kind vollumfänglich angerechnet werden (SKOS-RL D.1 Abs. 2). Es handelt sich hierbei nicht um zivilrechtlich geschütztes Kindesvermögen. Nur der Teil, der den Kinderbedarf übersteigt, wird zu geschütztem Kindesvermögen (vgl. zum Ganzen SKOS-RL D.1 Erl. c).

Die Kinderrente ermöglicht, dass das Kind in die EL-Berechnung des Vaters eingeschlossen wird. Dabei werden auch Heimkosten für das Kind berücksichtigt. Wurde dies abgeklärt?

Fazit:

  • Die Kinderrente ist im Umfang des Kindesbedarfs voll anrechenbar.

 

3. Neuer WSH-Entscheid bei Veränderungen

In verfahrensrechtlicher Hinsicht haben die Luzerner Gemeinden die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG) zu beachten, wobei Entscheide u.a. über die wirtschaftliche Hilfe nicht begründet werden müssen. Gegen Entscheide der Sozialhilfe ist die Einsprache möglich (vgl. § 5 SHV LU).

Das VRG spricht nicht von Verfügungen, sondern von Entscheiden, meint aber dasselbe. Wenn eine Behörde über Rechte und Plichten bestimmter Personen entscheidet, diese mit hoheitlicher Wirkung im Einzelfall u.a. ändert, handelt es sich um einen Entscheid im Sinne von § 4 VRG. Die Behörde trifft nach § 108 VRG einen Sachentscheid und hält die formalen Vorgaben nach § 110 ff. VRG ein, insbesondere die schriftliche Eröffnung nach § 112 Abs. 1 VRG mit Rechtsmittelbelehrung etc. (§ 110 Abs. 1 VRG).

Fazit:

  • Bei jeder Änderung der Rechte und Pflichten hat die Sozialhilfe formal im Sinne des VRG zu entscheiden und einen mit Einsprache anfechtbaren Entscheid zu erlassen. Einzig ist es ihr erlaubt auf eine Begründung zu verzichten.

Falls die Gemeinde sich weigert, einen formalen Entscheid zu erlassen, kann die Mutter eine Aufsichts- bzw. Rechtsverweigerungsbeschwerde gemäss § 180 Abs. 2 lit. b VRG beim Gesundheits- und Sozialdepartement (Bahnhofstrasse 15, Postfach 3768, 6002 Luzern) erheben.

 

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder