Guten Tag
Ich bin Beistand eines jungen Erwachsenen (19 Jahre). Er hat in seiner Schulzeit schon einige Schulheime kennen gelernt. Eine Rückkehr nach Hause war aufgrund massiven Vertrauensbrüchen gegenüber den Eltern nicht mehr möglich. Er hat seine Eltern bereits mehrfach bestohlen und störe das restliche Familiengefüge.
Im letzten Jahr wohnte er befristet in einem Studentenzimmer und wurde von der Sozialhilfe einer anderen Gemeinde unterstützt. Danach hatte er während einigen Monaten einen unsteten Aufenthalt. Kurzzeitig wohnte er im Januar und Februar dieses Jahres wieder bei den Eltern und hat eine erneute Chance erhalten. Aufgrund eines neuerlichen Vorfalls (Gelddiebstahl), kann er nun nicht mehr bei seinen Eltern bleiben. Eine Zwischenlösung geht nun ebenfalls zu Ende. Vor 10 Tagen haben die neuerliche WSH beantragt. Die Abklärungen laufen. Die unterstützungspflichtige Gemeinde verweigert dem Klienten nun die Unterstützung bezüglich Wohnen (Kostengutsprache für Notschlafstelle), da Junge Erwachsene bei ihren Eltern wohnen müssen. Sie verlangen, dass er sich an seine Eltern wendet. Falls diese nicht bereit seien ihn wieder aufzunehmen, müssen sie zumindest für die Kosten aufkommen.
Aus meiner Sicht besteht aktuell aufgrund unüberbrückbaren Differenzen keine Möglichkeit für eine Rückkehr ins Elternhaus. Von den Eltern kann auch nicht erwartet werden, dass sie die Kosten für ihren Sohn erneut übernehmen. Dies wäre meines Erachtens im Rahmen der Verwandtenunterstützung durch die Gemeinde abzuklären.
Kann hier von der Wohngemeinde eine Kostengutsprache, zumindest für die Notschlafstelle) verlang werden?
Besten Dank.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Achermann
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Ich entnehme Ihrer Anfrage, dass die Gemeinde nicht die Zuständigkeit bestreitet, sondern die Bedürftigkeit Ihres Klienten. Dabei ist als Erstes festzuhalten, dass die Gemeinde die Unterstützung keinesfalls verweigern darf, wenn die um Unterstützung ersuchende Person, keine verfügbaren Eigenmittel hat oder allfällige Ansprüche gegenüber Dritten nicht umgehend realisierbar sind. Dies ergibt sich aus dem Tatsächlichkeitsprinzip, welches sich wiederum aus § 27 SHG (LU) ergibt. § 27 SHG hält im Wesentlichen fest, dass ein Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe besteht, wenn jemand seinen Lebensbedarf nicht rechtzeitig oder nicht hinreichend mit eigenen Mitteln, durch Arbeit oder Leistungen Dritten bestreite kann. Der Kanton Luzern kennt hier nur eine Ausnahme bei Vermögensverzicht, wobei auch in diesem Fall die Bedürftigkeit nicht abgesprochen, sondern lediglich die wirtschaftliche Hilfe reduziert werden darf (§ 32 SHG i.V.m. § 13 SHV).
Verweigern demnach die Eltern das Wohnen im elterlichen Haus sowie die finanzielle Unterstützung, ist der junge Erwachsene bedürftig im Sinne des Gesetzes. Die Sozialhilfe hat in diesen Fällen wirtschaftliche Hilfe auszurichten, sicher als Bevorschussung im Hinblick auf allfällige Unterhalts- oder Verwandtenunterstützungsleistungen (Kap. F. 2 der SKOS-Richtlinien, welche für den Kanton Luzern für die Bemessung wegleitend sind, § 31 Abs. 1 SHG).
Zweifellos halten die SKOS-Richtlinien in Kap. B.4, die gerade bei jungen Erwachsenen auch im Kanton Luzern Anwendung finden (implizit § 9 Abs. 2 lit. a SHV L) fest, dass von ihnen erwartet wird, bei den Eltern zu wohnen, sofern sie keine Erstausbildung abgeschlossen haben und keine unüberbrückbaren Differenzen bestehen. Denkbar sind aber auch andere Rechtfertigungsgründen, z.B. wenn der junge Erwachsene (ohne Ausbildung) bereits eine eigene Familie gegründet hat, mit welcher er zusammenleben will.
Aber auch daraus ergibt sich für Ihre Frage, dass nach den SKOS-Richtlinien ein Zusammenleben mit den Eltern verneint werden muss, da aufgrund der von Ihnen geschilderten Situation von einer unüberbrückbaren Differenz auszugehen ist. Demnach ist die Bedürftigkeit Ihres Klienten aus der Warte des ausserhalb des elterlichen Haushalts lebenden jungen Erwachsenen zu beurteilen (sieh dazu Kap. B.4 SKOS-Richtlinien). D.h. auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Entscheid der Luzerner Gemeinde nicht gesetzeskoform.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass selbst bei einem zumutbaren Zusammenwohnen mit den Eltern überprüft werden muss, ob die Eltern überhaupt leistungsfähig sind. Diese sind denn auch so einzubeziehen, wie dies bei Wohn- und Lebensgemeinschaften der Fall ist mit der Besonderheit, dass grundsätzlich kein Wohnkostenanteil von der Sozialhilfe finanziert wird, ausser die Eltern sind nicht in der Lage, diesen zu übernehmen (Kap. B.4 SKOS-Richtlinien). Verweigern die Eltern die Mitwirkung oder die Zahlung, muss bei jungen Erwachsenen (anders als bei der eher fragwürdigen Rechtsprechung zu den Konkubinaten) von Bedürftigkeit ausgegangen werden, so wie bereits am Anfang erwähnt. Der oder die junge Erwachsene kann nämlich nicht wie bei Konkubinaten die Bedürftigkeit mit einem Auszug aus dem elterlichen Haushalt herbeiführen, wenn ihm das Zuhausewohnen eben gerade zugemutet wird.
Schliesslich ist zu erwähnen, dass auch nicht ein Grund der Unterstützungsverweigerung sein darf, wenn der Klient an den unüberbrückbaren Differenzen Schuld ist. Nach Finalprinzip (vgl. Kap. A.4 SKOS-Richtlinien zur Bedarfsdeckung) dürfen die Ursachen für die Bedürftigkeit nicht berücksichtigt werden. Mit anderen Worten seine Bedürftigkeit ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Frage zu stellen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen eine Hilfestellung gegeben zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder