Guten Tag
Eine EL-Bezügerin im AHV-Rentenalter lebt in einem Pflegeheim. Sie ist Nutzniesserin einer Liegenschaft (Wohnung). Sowohl das Pflegeheim wie die Wohnung befinden sich im Kanton Nidwalden.
Die Wohnung wurde bereits im 2005 dem Sohn verkauft. Bis zum Heimeintritt im August 2017 bewohnte die Klientin die Wohnung selber. Nach Renovationsarbeiten ist die Wohnung seit dem 01.05.2018 an Dritte vermietet.
Die EL hat den Anspruch letztmals am 29.03.18 berechnet. Es resultiert ein Anspruch von knapp CHF 1'000.00 pro Monat. Nebst AHV- und PK-Rente sind die Einnahmen nicht existenzdeckend. Der Sohn stellt nun, stellvertretend für die Mutter, Antrag auf WSH.
Die EL berechnet bei den Vermögenserträgen einen Ertrag aus Nutzniessung wie folgt:
Mietertrag (gemäss Schatzung des Steueramtes zum Zeitpunkt des Verkaufs im 2005)
abzüglich Unterhalt (Stand 2005)
abzüglich Hypothekarzins (Stand 2005)
Fragen:
1) Ist es rechtens, wenn die EL für die Berechnung des EL-Anspruchs ab 01.01.2018 auf die Verhältnisse von 2005 abstützt?
2) Wie ist der Ertrag aus Nutzniessung in der WSH abzubilden resp. zu berechnen?
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Annamaria Dell'Amore
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag Frau Dell’Amore
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.
Zu Frage a)
Wird eine Liegenschaft verschenkt und im Gegenzug ein Nutzniessungsrecht eingeräumt, wird festgestellt, ob ein Vermögensverzicht stattfand. Um festzustellen, ob die Nutzniessung eine adäquate Gegenleistung ist, wird auf den steuerrechtlichen Mietertrag im Zeitpunkt der Handänderung abgestellt, welcher anschliessend kapitalisiert wird (vgl. BGE 122 V 394 Erw. 4a). Ist der so berechnete Nutniessungswert tiefer (Differenz > 10%) als der damals verschenkte Liegenschaftswert, dann wird von einem Verzichtsvermögen ausgegangen. So wie Sie schildern, geht es in Ihrem Fall aber nicht um Frage der Feststellung von Verzichtsvermögen, sondern um die Anrechnung eines jährlichen Ertrags aus der Nutzniessung als Einkommen. In diesen Fällen ist nicht einzusehen, weshalb die Ausgleichskasse nicht auf aktuelle Werte abstellt.
Als die von Ihnen erwähnte EL-Verfügung erlassen wurde, war die Liegenschaft noch nicht vermietet. Nach Rz. 3433.02 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV Stand 1.1.18 [WEL] ist bei vermieteten Wohnungen auf den vertraglich vereinbarten Mietzins oder auf den ortsüblichen Mietzins abzustellen, wenn der vereinbarte Mietzins offensichtlich zu tief ist. Steht die Wohnung leer, ist auf den ortsüblichen Mietzins abzustellen. Dies gilt auch, wenn jemand nicht mehr von seinem Nutzniessungsrecht Gebrauch macht, d.h. nicht mehr selber in einer Nutzniessungsliegenschaft wohnt, die Wohnung aber leer stehen lässt (vgl. Rz. 3482.14 WEL). D.h. in Ihrem Fall wäre bis zur Vermietung auf den ortsüblichen Mietzins und danach auf den effektiven Mietzins abzustellen gewesen, soweit dieser nicht offensichtlich zu tief wäre. Vom Steuerwert für die Mieteinnahmen gehen die EL aus, wenn auf die Nutzniessung verzichtet wurde (Rz. 3482.12 WEL), d.h. wenn Ihre Klientin zu Gunsten ihres Sohnes komplett auf die Nutzniessung verzichtet hat. In diesem Fall wird vom steuerrechtlichen Mietwert ausgegangen, wovon die Kosten abgezogen werden, die vom Nutzniesser im Zusammenhang mit der Nutzniessung üblicherweise übernommen werden wie Hypothekarzinsen und Unterhalt (vgl. Rz. 3482.12 WEL) Für die Bemessung des Mietwerts ist von demjenigen Ertrag auszugehen, der bei der Vermietung der Liegenschaft tatsächlich erzielt werden könnte, d. h. von einem marktkonformen Mietzins. Die von Ihnen dargelegte Bemessung, erscheint aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, insb. wenn auf das Jahr 2005 abgestellt wird. Ich empfehle Ihnen deshalb, eine Einsprache gegen die Verfügung einzureichen. Dabei ist aufgrund der Komplexität des Falles empfehlenswert, einen rechtlichen Beistand beizuziehen. Bevor Sie zu diesem Schritt übergehen, rate ich Ihnen, zunächst bei der zuständigen Sachbearbeitung bei der Ausgleichskasse nachzufragen. Handelt es sich um einen Fehler, könnte dieser ohne weiteres korrigiert werden. Dabei ist wichtig, dass Sie die Einsprachefrist im Auge behalten und genügend Zeit vorsehen, um einen rechtlichen Beistand beizuziehen.
zu Frage b)
Grundsätzlich hat die Sozialhilfe die tatsächlich vorhandenen Mittel anzurechnen. Wenn die Mietzinseinnahmen Ihrer Klientin zukommen, sind diese im Budget als Einnahmen zu berücksichtigen. Sind diese etwa nicht marktkonform, oder verzichtet die Klientin anderswie auf die Mieteinnahmen, dann käme § 8 SHV zum Tragen. Danach sind Einkünfte und Vermögenswerte auf die verzichtet wird, vollumfänglich als eigene Mittel anrechenbar. Wie bereits in einer früheren Forumsanfrage dargelegt, ergibt sich aus den Erläuterungen des Regierungsrates zu § 8 SHV, dass ein Vermögensverzicht im Sinne der Bestimmung lediglich angerechnet werden darf, wenn solche Einkünfte bzw. Vermögenswert, real noch zur Verfügung stehen, jedoch nicht beansprucht werden (Bericht des Regierungsrates vom 9. Dezember 2014 zur Vollzugsverordnung zum Gesetz über die Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung, SHV, NG 761.11). Die Erläuterungen des Regierungsrates gewährleisten damit, dass § 8 SHV mit dem allgemeinen Bedürftigkeitsgrundsatz nach Art. 17 SHG im Einklang steht. Dies würde bedeuten, dass bspw. bei einer nicht marktkonformen Vermietung zunächst eine Mietzinserhöhung erfolgen müsste bzw. die Mietparteien bereit sind, einen höheren Mietzins zu zahlen.
Nach dem Gesagten erscheint es sinnvoll, eine Einsprache gegen die EL-Verfügung in Erwägung zu ziehen und die effektiven Einnahmen aus der Vermietung anzurechnen bzw. Verzichtseinkommen entsprechend § 8 SHV zu berücksichtigen, soweit real vorhanden.
Ich hoffe, die Ausführungen helfen Ihnen, die weiteren Schritte in Ihrem Fall einzuleiten.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder