Liebes Expertenteam
Frau X lebt seit Ende 2016 von der Sozialhilfe und beansprucht pro Woche mehr als 2 Stunden einen ambulanten Pflegedienst. Dieser wird über die Krankenkasse finanziert. Für mich stellt sich nun die Frage, ob eine Anmeldung für eine HE Lebenspraktisch bei der IV nicht angezeigt wäre. Meiner Meinung nach ist der Hilfebedarf ausgewiesen und das Wartejahr erfüllt. Für mich ist aber unklar, ob diese Anmeldung zu Ungunsten von Frau X ausfallen würde. Kann die Sozialhilfebehörde den ganzen Betrag als Einnahmen anrechnen? Im Schwyzer Handbuch über die Sozialhilfe bin ich nicht fündig geworden. Können Sie mir die relevanten rechtlichen Grundlagen angeben?
Vielen Dank.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler
Frage beantwortet am
Cathrin Habersaat-Hüsser
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Schwegler
Besten Dank für Ihre Anfrage. Ob eine Anmeldung bei der IV für lebenspraktische Begleitung angezeigt ist, lässt sich aufgrund des Fallbeschriebes nicht eruieren. Sind jedoch die Voraussetzungen nach Art. 42 IVG und Art. 38 IVV erfüllt, so ist eine Anmeldung vorzunehmen. Die rechtliche Grundlage dazu ergibt sich aus § 2 des Gesetzes über die Sozialhilfe (ShG) KT Schwyz. Dort ist die Subsidiarität geregelt welche besagt, dass Sozialhilfe nur gewährt wird, wenn die hilfesuchende Person sich nicht selbst helfen kann und Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Wenn jedoch ein Anspruch auf Hilflosenentschädigung (HE) bestehen könnte, muss dies im Rahmen der Subsidiarität zwingend geprüft werden, ansonsten kommt die Person ihrer Pflicht nicht nach. So auch die SKOS Richtlinien im Kapitel F.1: „Weil finanzielle Unterstützung immer subsidiär zu den anderen Hilfsquellen geleistet wird, macht die Sozialhilfe grundsätzlich alle zulässigen finanziellen Ansprüche gegenüber Dritten geltend.“ Die Subsidiarität findet sich auch in Kapitel A.4. Dort ist noch deutlicher ausgeführt, dass kein Wahlrecht zwischen vorrangiger Hilfsquellen und der Sozialhilfe besteht, sondern die Möglichkeiten der Selbsthilfe, die Leistungsverpflichtungen Dritter (Privat- und öffentlich-rechtliche Ansprüche) und freiwillige Leistungen Dritter vorrangig durch die Klientel geltend zu machen sind. Die SKOS Richtlinien sind aufgrund § 4 der Vollziehungsverordnung zum Gesetz über die Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung, ShV) und dem Regierungsratsbeschluss Nr. 9/2017 für den Vollzug der Sozialhilfe im Kanton Schwyz wegleitend.
Die zweite Frage ist nun, ob die Sozialhilfe diesen allfälligen Betrag an die Sozialhilfeleistungen anrechnen darf. Hier wäre die rechtliche Grundlage in der ShV in § 6 zu finden: „Zu den eigenen Mitteln (§ 15 des Gesetzes) gehören insbesondere alle Einkünfte und das Vermögen, Versicherungsleistungen und Sonderhilfen aufgrund besonderer Erlasse sowie familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsansprüche. Zuwendungen von privater Seite sind angemessen zu berücksichtigen.“
Das Bundesgericht führte zu dieser Frage folgendes aus:
„Die Hilflosenentschädigung verfolgt den gesetzlichen Zweck, die mit der Hilflosigkeit verbundenen präsumierten Kosten zu ersetzen. Entschädigt werden somit die behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten. Der Hilflosenentschädigung kommt folglich schadenersatzähnlicher Charakter zu (vgl. Robert Ettlin, Die Hilflosigkeit als versichertes Risiko in der Sozialversicherung, Diss. Freiburg 1998, S. 332 f.), und sie stellt - anders als etwa Renten oder Taggelder, die der Fristung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen - nicht Ersatzeinkommen dar. Die Geldleistung wird dem Hilflosen demzufolge im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung ausgerichtet und ist in diesem Sinne zweckgebunden. (…) Es erfolgt damit eine pauschalierte Entschädigung der behinderungsbedingten Aufwendungen“ (BGE 8C731/2009 vom 25. Februar 2010, E.3.1). Soweit behinderungsbedingte Mehrkosten durch eine Hilflosenentschädigung gedeckt würden, werde dafür nach dem Grundsatz der Subsidiarität keine Sozialhilfe gewährt (BGE 8C731/2009 vom 25. Februar 2010, E.3).
Somit ergibt sich, dass eine Anrechnung der Hilflosenentschädigung als Einkommen im Umfang der durch die Sozialhilfe übernommenen behinderungsbedingten Kosten zulässig ist. Welche Leistungen durch die Sozialhilfe im Rahmen von Situationsbedingten Leistungen (SIL) übernommen werden können, findet sich in den SKOS Richtlinien im Kapitel C.1.4: Hilfsmittel; Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause oder in Tagesstrukturen und Transport zur nächstgelegenen Behandlungsstelle, aber auch Prämien für Zusatzversicherungen zählen dazu. Sind sämtliche Kosten bereits durch die Krankenkasse gedeckt und werden auch die Prämien für die Zusatzversicherung nicht übernommen, so darf die HE auch nicht an die Sozialhilfeunterstützung angerechnet werden, sondern der Betrag ist der unterstützen Person zu belassen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben. Ansonsten dürfen Sie sich gerne nochmals melden.
Freundlich grüsst
Cathrin Habersaat
Sehr geehrte Frau Habersaat
Vielen Dank für diese ausführliche und aufschlussreiche Antwort!
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler