Ein Sozialhilfeklient ist an einer Erbschaft beteiligt. Der Erblasser (Vater des Klienten) ist 2017 verstorben. Die Erbschaft besteht zur Hauptsache aus einer Liegenschaft. Zwecks Vertretung des Klienten bei der Erbteilung wurde durch die KESB eine Beistandschaft errichtet.
Die Liegenschaft wurde nun verkauft, der Verkauf durch die KESB genehmigt und die Erbteilung steht bevor.
Der Klient ist 2018 nach A. gezogen. Da er keine Möglichkeit hatte, auf das Vermögen aus der Erbschaft zuzugreifen, wird er seither durch das Sozialamt A. finanziell unterstützt. Vor seinem Zuzug wurde er an seinem bisherigen Wohnort P. ebenfalls finanziell unterstützt. Eine grundbuchamtliche Sicherung wurde versucht, scheiterte aber daran, dass ein Miterbe des Klienten damit nicht einverstanden war. Der Klient hat diverse laufende Betreibungen, vermutlich auch Verlustscheine. Es ist davon auszugehen, dass der Erbteil nicht ausreichen wird, sämtliche bekannte Schulden (laufende Betreibungen / Rückzahlung Sozialhilfe Gemeinde P. / Rückzahlung Sozialhilfe Gemeinde A.) zurückzuzahlen. Betreffend Sozialhilfe steht fest, dass jedes Sozialamt seine Leistungen, welche es in der Zeit vom Todestag bis zur Verrechnung erbracht hat, zurückfordern kann.
Für das Sozialamt A. stellen sich nun folgende Fragen:
- In welcher Konkurrenz stehen die Schulden aus den laufenden Betreibungen / Pfändungen zur Rückzahlung der durch die Sozialhilfe bevorschussten Leistungen? Welche Schulden gehen vor bzw. wer erhält welchen Anteil, wenn das Erbe nicht ausreicht, sämtliche Schulden zu begleichen?
- Wie könnte das Sozialamt vorgehen um seinen Anteil zu sichern / einzufordern (rechtliche Grundlagen)? > diese Frage wurde im Forum "Sozialhilferecht" am 20.06.21 durch Anja Loosli Brendebach beantwortet, für die restlichen Fragen wurde an dieses Forum verwiesen.
- Sollten die Schulden aus den laufenden Betreibungen vorgehen, kann beim Betreibungsamt geltend gemacht werden, dass ein Teil des Erbes als laufende Lebenshaltungskosten angerechnet wird? Wenn ja, aufgrund welcher rechtlicher Grundlage?
Welchen Anspruch haben die Sozialämter, wenn der Erbteil nicht ausreicht, die gesamten bevorschussten Leistungen (Sozialhilfe) zurückzuzahlen? Wird dies prozentual zu den bevorschussten Leistungen abgerechnet?
Frage beantwortet am
Doris Platania
Expert*in Schuldenberatung
Sehr geehrter Herr Kuhn,
entschuldigen Sie bitte die späte Rückmeldung.
Zu Ihren Fragen:
1. Sozialhilfschulden sind gegenüber Schulden aus laufenden Betreibungen nicht privilegiert. Sie müssen genauso über den Betreibungsweg angemeldet werden, wie andere Schulden. Es würde somit nach den laufenden Pfändungsgruppen betrachtet werden. Wer zuerst seine Forderung beim Betreibungsamt angemeldet hat, erhält auch zuerst das Geld.
Falls es bei den gemeldeten Gläubigern privilegierte Schulden, wie z.B. Schulden der Krankenkasse (KVG-Prämien) gibt, werden Diese bevorzugt behandelt.
3. Insofern das Erbe für den Lebensunterhalt gebraucht würde, könnte das Betreibungsamt zu dem Schluss gelangen, dass das Erbe vollumfänglich für den Lebensunterhalt genutzt werden könnte. Der Klient könnte dann so lange von der Sozialhilfe abgemeldet werden, bis das Erbe aufgebraucht ist.
Diesbezüglich finden Sie im Anhang die betreffenden Auszüge aus dem Basler SchKG-Kommentar, die diesen Sachverhalt erläutern. Auch wenn die Erbschaft nicht als Einkommen zählt, könnte die Argumentation im Kommentar unter Art. 93 N 3 (gelb markiert) analog beigezogen werden. Wie das Bundesgericht in BGE 92 III 6 ausgeführt hat, wäre eine Begrenzung des unpfändbaren Betrages auf zwei auf die Pfändung folgende Monate notwendigen Mitteln bei dauernder Erwerbsunfähigkeit des Schuldners und unter Umständen auch schon bei stark verminderter Erwerbsunfähigkeit nicht gerechtfertigt bzw. wäre zu knapp. Im SchKG-Kommentar (Art. 93 N 3) sprechen sie davon, unter Umständen den gesamten Betrag zu belassen.
Wie oben formuliert, müssten die Sozialämter die Leistungen über den Betreibungsweg geltend machen.
Je nach Höhe des Erbes und im Interesse des Klienten, könnte auch eine geregelte Schuldensanierung Sinn machen, um eine längerfristige Perspektive zu ermöglichen. Dann müssten sich alle Sozialämter unter Umständen mit einem Teilerlass der Forderungen einverstanden erklären.
Mit dem Rest des Geldes könnte dann entsprechend der Lebensunterhalt bestritten werden, so dass eine Ablösung von dem Sozialamt, zumindest vorrübergehend, möglich wäre.
Falls Sie weitere Fragen haben, melden Sie sich bitte.
Freundliche Grüsse
Doris Platania