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Sozialhilfe und Erbschaft: Anspruchskonkurrenz bei laufender Pfändung?

Veröffentlicht:
10.06.2021
Kanton:
Appenzell Ausserrhoden
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Ein Sozialhilfeklient ist an einer Erbschaft beteiligt. Der Erblasser (Vater des Klienten) ist 2017 verstorben. Die Erbschaft besteht zur Hauptsache aus einer Liegenschaft. Zwecks Vertretung des Klienten bei der Erbteilung wurde durch die KESB eine Beistandschaft errichtet.

Die Liegenschaft wurde nun verkauft, der Verkauf durch die KESB genehmigt und die Erbteilung steht bevor.

Der Klient ist 2018 nach A. gezogen. Da er keine Möglichkeit hatte, auf das Vermögen aus der Erbschaft zuzugreifen, wird er seither durch das Sozialamt A. finanziell unterstützt. Vor seinem Zuzug wurde er an seinem bisherigen Wohnort P. ebenfalls finanziell unterstützt. Eine grundbuchamtliche Sicherung wurde versucht, scheiterte aber daran, dass ein Miterbe des Klienten damit nicht einverstanden war. Der Klient hat diverse laufende Betreibungen, vermutlich auch Verlustscheine. Es ist davon auszugehen, dass der Erbteil nicht ausreichen wird, sämtliche bekannte Schulden (laufende Betreibungen / Rückzahlung Sozialhilfe Gemeinde P. / Rückzahlung Sozialhilfe Gemeinde A.) zurückzuzahlen. Betreffend Sozialhilfe steht fest, dass jedes Sozialamt seine Leistungen, welche es in der Zeit vom Todestag bis zur Verrechnung erbracht hat, zurückfordern kann.

Für das Sozialamt A. stellen sich nun folgende Fragen:

  1. In welcher Konkurrenz stehen die Schulden aus den laufenden Betreibungen / Pfändungen zur Rückzahlung der durch die Sozialhilfe bevorschussten Leistungen? Welche Schulden gehen vor bzw. wer erhält welchen Anteil, wenn das Erbe nicht ausreicht, sämtliche Schulden zu begleichen?
     
  2. Wie könnte das Sozialamt vorgehen um seinen Anteil zu sichern / einzufordern (rechtliche Grundlagen)?
     
  3. Sollten die Schulden aus den laufenden Betreibungen vorgehen, kann beim Betreibungsamt geltend gemacht werden, dass ein Teil des Erbes als laufende Lebenshaltungskosten angerechnet wird? Wenn ja, aufgrund welcher rechtlicher Grundlage?
     

Welchen Anspruch haben die Sozialämter, wenn der Erbteil nicht ausreicht, die gesamten bevorschussten Leistungen (Sozialhilfe) zurückzuzahlen? Wird dies prozentual zu den bevorschussten Leistungen abgerechnet?

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Herr Kuhn

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Die Fragen 1 und 3 sind Fragen der Schuldenberatung, für die ich keine Expertin bin. Es ist meiner Ansicht nach deshalb sinnvoll, wenn Sie diese beiden (und auch die abschliessende) Fragen auf sozialinfo.ch in der Rubrik «Schuldenberatung» stellen und sie von den Experten zu diesem Thema beantworten lassen.

Die Antwort auf die Frage 3 kann ich Ihnen aber sehr gerne geben.

Es gibt eine zivilrechtliche Möglichkeit, den Rückerstattungsanspruch der Sozialhilfe aus einer Erbschaft zu sichern; den sogenannten Erbteilsabtretungsvertrag an Dritte. Dieser ist in Art. 635 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Durch die Erbteilsabtretung entsteht ein obligationenrechtlicher Anspruch des Dritten (z.B. des Sozialamts) auf den Nachlassliquidationserlös. Die veräussernde Partei ist dabei der Erbe/die Erbin, die seinen/ihren Anteil veräussert/abtritt. Das ist nur die Person, welche den Erbabteilung abtreten will oder soll und nicht alle Erben. Es bedarf als Form nach Art. 635 Abs. 2 ZGB keiner besonderen Form. Anerkannt ist aber offenbar, dass wie bei der Abtretung z.G. eines anderen Erben (Art. 635 Abs. 1 ZGB) die einfache Schriftform dennoch notwendig ist. Einer amtlichen Beglaubigung bedarf es dagegen nicht. Dem Schuldner muss die Abtretung zudem angezeigt werden.

Ich rate der Gemeinde deshalb, einen Erbteilsabtretungsvertrag mit dem Klienten abzuschliessen, um ihren Anteil zu sichern. Allenfalls braucht es dazu die Rücksprache mit der KESB. Auf jeden Fall macht es Sinn, mit dieser Kontakt aufzunehmen

Ich sende untenstehend eine Mustervorlage für einen Erbteilsabtretungsvertrag und eine Anzeige an den Schuldner (gerne wollte ich diese als Beilage meiner Antwort senden, was mir technisch aber leider nicht möglich war).

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach

 

Erbanteilsabtretung

 

Ich, … (Name, Geburtsdatum, Adresse einfügen), bin Erbe/Erbin der am … (Datum einfügen) verstorbenen/des am … (Datum einfügen) verstorbenen … (Name und persönliche Daten Erblasser*in einfügen). Mein Erbanteil an der Erbmasse beträgt … (z.B. ½, je nach Anzahl der Erben).

Ich trete den auf meinen Erbteil entfallenden Nachlass-Liquidationserlös im maximalen Umfang der von der Sozialhilfe an mich (und meine Familie) erbrachten Unterstützungsleistungen an … (Koordinaten Sozialhilfe einfügen) ab.

Die Sozialhilfe erhält dadurch einen obligatorischer Anspruch auf Herausgabe des auf mich entfallenden Liquidationserlöses im maximalen Umfang der von der Sozialhilfe für mich und meine Familie erbrachten Unterstützungsleistungen.

Die Sozialhilfe erwirbt dadurch keine Mitgliedschaftsrechte, sie partizipiert nicht an der Erbteilung und hat keine Bestimmungsrechte im Rahmen der internen Willensbildung (Einstimmigkeit). Diese Interessen müssen nach wie vor von mir wahrgenommen werden.

Ich hafte trotz Erbanteilsabtretung an die Sozialhilfe als Solidarschuldner*in für Erbschaftsschulden weiter.

Ich werde den Miterben/die Miterben... (Name und Adresse des/r Miterben einfügen) umgehend nach Unterzeichnung eine Kopie der Erbanteilsabtretung zustellen.

 

 

Ort, Datum                                                              

 

Unterschrift abtretender Erbe                                 

 

…………………………                                            

 

 

Zustimmung der Sozialhilfe

 

Ort, Datum                                                              

 

Unterschrift Sozialhilfe

 

 

…………………………

 

 

 

Anzeige der Forderungsabtretung an den Schuldner (Überschrift weglassen, da Brief)

 

 

(Name, Adresse des/r abtretenden Erben/Erbin einfügen)

 

 

Einschreiben

(Name, Adresse des/der Miterben einfügen)

 

 

Ort, Datum

 

Anzeige der Forderungsabtretung

 

Sehr geehrte/r Frau/Herr/ Lieber ….

 

Beiliegend erhalten Sie/erhältst Du eine Kopie meiner Abtretungserklärung vom … (Datum einfügen) an … (Name des/r neuen Gläubigers/in einfügen). Aufgrund dessen erhält die Sozialhilfe (genaue Bezeichnung einfügen) Anspruch auf Herausgabe des auf mich entfallenden Nachlass-Liquidationserlöses im maximalen Umfang der von der Sozialhilfe an mich (und meine Familie) ausgerichteten Unterstützungsleistungen.

 

Beste Grüsse

 

 

Unterschrift abtretender Erbe

 

 

…………………………

 

 

Beilage