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Sozialhilfe / Liegenschaft

Veröffentlicht:
28.09.2020
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag 

Ich betreue im Rahmen einer Vertretungsbeistandschat für Finanzen und Administration einen Klienten. Der Klient besitzt eine Eigentumswohnung, welche er jedoch nicht mehr selber bewohnen kann. Er befindet sich seit gut einem halben Jahr im Heim und eine Rückkehr ist ausgeschlossen. 

Da die Heimkosten höher sind als der Maximalbetrag bei der EL, habe ich ergänzend Sozialhilfe beantragt. Zudem habe ich einen Antrag um Uebernahme der Räumungs- und Reinigungskosten der Wohnung gestellt, da die Wohnung veräussert werden muss. Nachdem die Verkehrswertschätzung relativ tief ausgefallen ist und befürchtet werden muss, dass der Verkaufserlös gerade mal für die Rückzahlung der Hypothek reicht, habe ich vorsorglich zudem um Uebernahme der Maklergebühren ersucht. 

Die zuständige Gemeinde hat nun entschieden, dass sie zwar die Kosten für den Heimaufenthalt übernimmt, jedoch werden sämtliche Kosten für die Wohnung abgelehnt. Das bedeutet, dass ich grundsätzlich kein Geld gesprochen erhalten habe um die Wohnung zu räumen, reinigen und anschliessend zu veräussern. Im Gegenzug aber will die Gemeinde ein Pfandrecht auf der Wohnung errichten um sich schadlos zu halten. 

Im Rahmen meiner Arbeit habe ich alle Guthaben bei Versicherungen geltend gemacht (auch vor Mandatserrichtung). Weiter ist der Klient so weit abgebaut, dass er praktisch kein Taschengeld bezieht, welches ich ansparen konnte. So ist eine kleine Summe zusammengekommen, welche nun für die Räumung/Reinigung knapp reichen könnte. Der Makler ist unter Umständen bereit, das Risiko einzugehen, dass der Verkaufserlös nicht für alle Ausgaben reicht und ein kleineres Honorar verlangen wird. 

Fragen:

Kann die Gemeinde ein Pfandrecht errichten, obwohl sie jegliche Kostenübernahmen für die Wohnung ablehnt? 

Darf ich Einnahmen/Rückerstattungen sowie nicht genutzte Taschengelder des Klienten für die Räumung/Reinigung der Wohnung verwenden? 

Muss ich diese Einnahmen (Rückerstattungen) der Gemeinde melden oder stehen diese dem Klienten zu, da diese vor dem SH-Bezug angefallen sind? 

Hat der Klient Schadensminderungspflicht gegenüber der Gemeinde mit Einnahmen aus Veräusserungen von Dingen/Sachen etc. aus der Wohnung (z.B. Auto in den Export, evt. Bilder etc). ? 

Hat der Klient nicht grundsätzlich darauf Anspruch, dass alle seine Verpflichtungen durch die Sozialhilfe übernommen werden, so z.B. Hypothekarzinsen, Stockwerkeigentümerbeiträge etc. bis die Wohnung veräussert ist? Oder ist es statthaft, dass der Klient sich verschuldet und es schlussendlich zur Zwangsveräusserung der Liegenschaft kommt? 

Wäre es unter den gegebenen Umständen im Rahmen meines Auftrages (Vertretung Finanzen)zwingend eine Beschwerde beim Kantonalen Sozialdienst einzureichen? 

Gibt es noch andere gesetzlichen Vorgaben, welche ich berücksichtigen muss ? 

 

Besten Dank und mit freundlichen Grüssen

Regula Wyss, Beiständin KESD Region Lenzburg 

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Wyss

Vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

1. Kann die Gemeinde ein Pfandrecht errichten, obwohl sie jegliche Kostenübernahmen für die Wohnung ablehnt? 

Rechtliche Grundlagen: In der Sozialhilfe gilt das Subsidiaritätsprinzip, gemäss dem jeder Anspruch auf Sozialhilfe hat, dessen eigene Mittel nicht genügen und der Drittmittel nicht ausreichend oder rechtzeitig erhältlich machen kann (§ 5 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Aargau [SHG AG]. Eigene Mittel sind nach § 11 SHG AG demnach anzurechnen. Als eigene Mittel zählen jegliche Einnahmen wie auch Vermögen (in § 11 der Sozialhilfe- und Präventionsverordung des Kantons Aargau [SPV] wird ausdrücklich festgehalten, dass zum Vermögen auch Grundeigentum gehört). Vermögen ist unter Ansetzung einer Frist grundsätzlich zu verwerten (§ Abs. 2 SHG AG). Ist die Verwertung nicht möglich, nicht zumutbar oder im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt, hat die Hilfe suchende Person eine Rückerstattungsverpflichtung zu unterzeichnen. Die Rückerstattungsforderung wird im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs fällig. Bei Grundeigentum ist die Rückerstattung pfandrechtlich sicherzustellen (§ 11 Abs. 5 SHG AG). Diese Lösung sehen auch die SKOS-Richtlinien (Kapitel 2.2 SKOS-Richtlinien) vor, auf die in § 10 SPV verwiesen wird. Der Vermögensfreibetrag beträgt pro Person Fr. 1‘500.-- (§ 11 Abs. 5 SPV). Ob es sich im konkreten Fall um einen erheblichen Vermögenswert handelt, also um einen, welcher über dem anwendbaren Freibetrag liegt, zeigt sich bei der Prüfung des Verkehrswertes beziehungsweise des mutmasslichen Veräusserungserlöses. Dabei sind Hypothekarschulden und allfällige andere mit der Liegenschaft zusammenhängende Schulden in Abzug zu bringen. Ist der mutmassliche Erlös also kleiner als Fr. 1‘500.--, ist von einer Verwertung abzusehen bzw. darf die Sozialhilfe eine solche nicht verlangen. Ist der mutmassliche Erlös höher als Fr. 1‘500.--, ist zu prüfen, ob der Verkauf möglich und zumutbar ist. Gemäss Sozialhilfehandbuch und Kapitel 2.2 SKOS-Richtlinien spricht gegen eine Verwertung, wenn jemand in der eigenen Liegenschaft zu günstigen Konditionen wohnt, die Unterstützung wohl nur kurz dauern wird und das Grundeigentum als Altersvorsorge dient und die Pensionierung kurz bevorsteht. Ebenfalls gegen die Errichtung einer grundpfangesicherten Forderung spricht gemäss SKOS, wenn die Liegenschaft im Begriff ist, verkauft zu werden.

Schlussfolgerung: Falls Sie als Beiständin belegen können, dass der mutmassliche Verkaufserlös (Verkaufspreis – Hypothekarschulden und allenfalls weitere mit der Liegenschaft zusammenhängende Schulden) tatsächlich den Betrag von Fr. 1‘500.-- nicht übersteigt, darf die Gemeinde den Verkauf nicht verlangen. In diesem Fall scheint es mir auch nicht angezeigt, eine Rückzahlungsverpflichtung zu verlangen und diese gar grundpfandrechtlich zu sichern, weil das Vermögen dann vermutlich innerhalb des Freibetrags liegt. Können Sie als Beiständin nicht belegen, dass das Vermögen bzw. der mutmassliche Verkaufserlös innerhalb des Freibetrags liegt, wollen und können die Liegenschaft aber verkaufen, so sind meiner Meinung nach die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer Grundpfandverschreibung ebenfalls nicht gegeben bzw. diese unverhältnismässig ist, weil auf eine Verwertung ja gerade nicht verzichtet wird. 

2. Darf ich Einnahmen/Rückerstattungen sowie nicht genutzte Taschengelder des Klienten für die Räumung/Reinigung der Wohnung verwenden? 

Eigene Mittel sind nach § 11 SHG AG anzurechnen. Als eigene Mittel zählen jegliche Einnahmen. In § 11 SPV wird präzisiert, dass Einkünfte alle geldwerten Leistungen, insbesondere Einkommen inklusive 13. Monatslohn, Gratifikationen und einmalige Zulagen, Versicherungsansprüche, Renten, Unterhaltsbeiträge, Verwandtenunterstützungsbeiträge und ähnliches seien.

Schlussfolgerung: Damit steht fest, dass Sie alle Versicherungsleistungen, die Sie für den Klienten erhältlich machen konnten und die während der Unterstützung geflossen sind, der Sozialhilfe melden müssen und diese grundsätzlich als Einnahmen anzurechnen sind (alle Versicherungsleistungen, die bereits vor Unterstützungsaufnahme geflossen sind, stellen Vermögen dar, wofür allerdings der Vermögensfreibetrag von Fr. 1‘500.-- gilt). Anders sehe ich dies mit der angesparten Sozialhilfe bzw. Taschengeld, solange diese den Freibetrag von Fr. 1‘500.-- nicht übersteigt. In diesem Umfang können Rechnungen wie Räumungskosten usw. bezahlt werden. Bezahlen Sie Rechnungen und sparen danach erneut Geld an, das den Betrag von Fr. 1‘500.-- nicht übersteigt, kann damit meiner Meinung nach wieder eine Rechnung bezahlt werden.    

3. Muss ich diese Einnahmen (Rückerstattungen) der Gemeinde melden oder stehen diese dem Klienten zu, da diese vor dem SH-Bezug angefallen sind? 

Ich verweise hierzu auf meine Antwort zu Frage 2.

4. Hat der Klient Schadensminderungspflicht gegenüber der Gemeinde mit Einnahmen aus Veräusserungen von Dingen/Sachen etc. aus der Wohnung (z.B. Auto in den Export, evt. Bilder etc)?

Bezüglich dieser Frage möchte ich betreffend die rechtlichen Ausführungen auf die Frage 1 verweisen. Aufgrund des Subsidiaritätsprinzips ist Vermögen grundsätzlich zu verwerten. Die Behörde kann eine Frist ansetzen, bis wann Vermögen zu verwerten ist. Verwertet die unterstützte Person das Vermögen nicht innert angemessener Frist, kann die Sozialhilfe die Unterstützungsleistungen kürzen oder gar einstellen (§ 5a Abs. 1 Lit. b Ziff. 2).

Schlussfolgerung: Verlangt die Sozialhilfe die Verwertung, ist diese vorzunehmen bzw. die Verwertung zu versuchen. Verlangt die Sozialhilfe die Verwertung nicht, erfolgt aber eine solche und erzielen Sie einen Erlös, ist dieser der Sozialhilfe als Einnahme zu melden. Ob dieser an die Unterstützungsleistungen anzurechnen ist, hängt insgesamt davon ab, ob der Vermögensfreibetrag erreicht ist oder nicht.

5. Hat der Klient nicht grundsätzlich darauf Anspruch, dass alle seine Verpflichtungen durch die Sozialhilfe übernommen werden, so z.B. Hypothekarzinsen, Stockwerkeigentümerbeiträge etc. bis die Wohnung veräussert ist? Oder ist es statthaft, dass der Klient sich verschuldet und es schlussendlich zur Zwangsveräusserung der Liegenschaft kommt?

In § 17f SPV hält der Kanton Aargau unter «Sonderbestimmungen» fest, welche situationsbedingten Leistungen die Sozialhilfe zu übernehmen hat. Dazu gehören folgende Kosten: Zahnarztkosten für schmerzstillende Zahnbehandlung, Auslagen für öffentliche Verkehrsmittel unter bestimmten Voraussetzungen, eine Pauschale für allgemeine Erwerbsunkosten, eine Motivationsentschädigung für die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen, ein Einkommensfreibetrag und eine Integrationszulage.

Für weitere situationsbedingte Leistungen ist beim Kantonalen Sozialdienst ein Gesuch einzureichen (§ 17a SPV). Nach Meinung der SKOS, sind unumgängliche Kosten im Zusammenhang mit der Abklärung des Werts der Liegenschaft, der Sicherung der Forderung oder des Verkaufs der Liegenschaft (z.B. Notariatskosten, Kosten für die Besorgung eines Grundbuchauszugs) von der Sozialhilfe als situationsbedingte Leistungen zu übernehmen, allerdings aus dem Verkaufserlös zurückzuahlen, wenn die Liegenschaft verkauft wird (SKOS-Papier "LIegenschaften im In- und Ausland"). Dies kann meiner Ansicht nach aber nur gelten, wenn davon auszugehen ist, dass der voraussichtlich zu erzielende Erlös die situationsbedingten Leistungen deckt.

Wohnkosten werden nur für bewohntes Eigentum übernommen.

Schlussfolgerung: Die mit dem nicht bewohnten Eigentum in Zusammenhang stehenden Kosten können nicht als Wohnkosten übernommen werden, da Ihr Klient nicht mehr in der Liegenschaft wohnt.  Sie können aber beim Kantonalen Sozialdienst ein Gesuch um Übernahme dieser Kosten als situationsbedingte Leistungen stellen. Dies ist meiner Ansicht nach aber nur zu bewilligen, wenn davon auszugehen ist, dass der Erlös die Ausgaben für den Verkauf deckt.

6. Wäre es unter den gegebenen Umständen im Rahmen meines Auftrages (Vertretung Finanzen) zwingend eine Beschwerde beim Kantonalen Sozialdienst einzureichen? 

Ich bin keine Expertin im Erwachsenen- und Kindesschutzrecht. Ich möchte deshalb keine verbindliche Aussage machen. Ich stelle mir aber vor, dass die Erhältlichmachung von ausreichend Sozialhilfeleistungen durchaus zu den Aufgaben einer Finanzvertretung gehört und Sie deshalb befugt sind, entsprechende Verfügungen der Sozialhilfe zu verlangen und diese anzufechten.

7. Gibt es noch andere gesetzlichen Vorgaben, welche ich berücksichtigen muss ?

Meiner Meinung nach habe ich Ihnen sämtliche relevanten gesetzlichen Grundlagen des Sozialhilferechts in meinen obigen Ausführungen genannt.  

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach