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Schweigepflichtentbindung im (aufgrund neuem Datenschutzgesetz) angepasstem Heimvertrag

Veröffentlicht:
29.12.2023
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Datenschutz, Persönlichkeitsschutz und Haftung

Guten Tag

Als Beiständin wurde mir der angepasste Pensions-, Pflege- und Betreuungsvertrag zugestellt, welche ich in Vertretung der Klientin unterzeichnen soll. Die Anpassung erfolgte im Kontext des Inkrafttreten des totalrevidierten DSG.

Der Vertrag enthält unter anderem einen Punkt, gemäss welchem die Klientin die Ausgleichskassen, Ärztekasse, behandelnde Ärztinnen und Therapeuen sowie "ähnlich gelagerte Partner" von der Schweigepflicht gegenüber dem Alters- und Pflegeheim befreit. Eine inhaltliche Eingrenzung der Entbindung wird in der Vertragsklausel nicht vorgenommen.

Ist eine solche Formulierung problematisch und liegt es in solchen Konstellationen im Auftrag einer Beistandsperson, eine durch solche allgemeinen Formulierungen relativ weit reichende Schweigepflichtentbindung zu hinterfragen und auf eine Anpassung des Vertrags hinzuarbeiten? Falls ja, welche Empfehlungen bezüglich dem Vorgehen und konkreter Formulierungsalternativen können Sie mir machen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Datenschutz, Persönlichkeitsschutz und Haftung

Guten Tag!

Zu Ihrer Frage sind drei unterschiedliche Aspekte zu beachten.

a) Es stellt sich zunächst die Frage, ob und inwieweit Sie als Beiständin überhaupt befugt sind und den Auftrag haben, vertretungsweise für die betroffene Person Vollmachten auszustellen für den Informationsaustausch des Heimes mit Dritten. Das ist einerseits von Ihrem Mandat abhängig. Andererseits aber auch davon, inwieweit die betroffene Person, unabhängig von Ihrem Auftrag, bezüglich der Frage des Informationsaustausches urteilsfähig ist. Ist sie dies, so ist in Anwendung von Art. 19c ZGB und Art. 407 sowie Art. 406 ZGB primär die Einwilligung der betroffenen Person einzuholen.

b) Mit Blick auf solche Vollmachten zum Informationsaustausch mit Dritten ist zu beachten, dass damit auch Berufsgeheimnisse dieser Dritten betroffen sein können. Insb. wenn mit der Vollmacht diese Drittperson, zum Beispiel eine Ärztin, aufgefordert werden soll, Informationen an das Heim weiterzugeben. 

Viele dieser Träger von Berufsgeheimnissen verlangen, um sicher zu sein, durch ihr Vorgehen nicht dieses Geheimnis zu verletzen, dass von ihnen selber vorgelegte Formulare verwendet werden. Deswegen sind zum Teil solche "Generalvollmachten" der Heime insoweit nutzlos.

c) Zu Ihrer eigentlichen Frage: Gemäss Ihrer Darstellung ist die Schweigepflichtsentbindung Teil des Heimvetrages und entbindet primär Dritte wie «Ausgleichskassen, Ärztekasse, behandelnde Ärztinnen und Therapeuten sowie "ähnlich gelagerte Partner".

Folgendes ist hier beachtlich:

aa) Solche Entbindungen/Vollmachten sollten grundsätzlich auch formal unabhängig vom Vertrag formuliert und unterschrieben werden, damit diese Formulare dann auch unabhängig vom Vertrag (dessen übriger Inhalt ja diese Dritten nichts angeht) verwendet werden können. Im Vertrag kann/sollte nur die allgemeine Pflicht des Betroffenen dargestellt sein. Etwa so, dass die Heimbewohnerin/der Heimbewohner verpflichtet ist, Ärztinnen, Therapeutinnen, Krankenversicherungen etc. von den entsprechenden Schweigepflichten zu entbinden. Dies ist zu ergänzen mit dem Zweck des entsprechenden Informationsbeschaffung. Z.B. «soweit dies notwendig ist, damit das Heim seine Dienstleistungen sachgemäss erbringen, bzw. finanzieren lassen kann.

bb) Anzugeben ist dann nicht nur im Vertrag, sondern auch in der Vollmacht/Schweigepflichtsentbindung, immer möglichst präzise, aus welchem (zulässigen) Grund die Informationen bei Dritten eingeholt werden sollen.  Z.B. «… soweit dies notwendig erscheint, um die Dienstleistungen der Betreuung und Pflege sachgemäss zu erbringen, bzw. finanzieren zu lassen.»

cc) Es ist in der Vollmacht ebgenso präzise aufzuführen, wer gegenüber wem welche Informationen zu welchem Zweck einholen darf:

Im vorliegenden Fall sollen offensichtlich Dritte berechtigt/verpflichtet werden, Informationen gegenüber dem Heim weiterzugeben.

Dabei ist es unabdingbar, dass in einer Vollmacht KONKRET genannt wird, WER WELCHE Informationen zu welchem Zweck dem Heim weitergeben kann.

Eine Formulierung wie «weitere Partner» ist auf jeden Fall zu wenig präzise, als dass eine Unterschrift gültig eine entsprechende Berechtigung der Drittperson zur Informationsweitergabe bewirken könnte.

Auch sollten die TherapeutInnen und ÄrztInnen, ebenso Ärztekasse/Krankenversicherung in der Vollmacht konkret genannt werden.

dd) Bei der Verwendung der Vollmacht ist zu beachten, dass entweder für jede Drittperson eine eigene Vollmacht verwendet wird, oder dass bei einer Entbindungserklärung mit eigentlichen Listen der entbundenen Personen technisch sichergestellt wird, dass bei der Verwendung für die Dritten NUR die konkrete betroffene entbundene Drittperson sichtbar ist.

ee) Auf den Vollmachten ist im weiteren immer auszuführen, dass sie jederzeit widerrufbar sind.

Fazit: Als Beistandsperson rate ich Ihnen also primär zu untersuchen, ob Sie in diesem Fall überhaupt befugt sind zur Vertretung für den Entbindung der Schweigepflicht in diesen Bereichen. Wenn ja, rate ich Ihnen, das Heim anzuhalten, Entbindungserklärungen vorzulegen, die den hier genannten Anforderungen entsprechen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot