Sehr geehrter Herr Pärli
Mein Klient hat eine Beistandschaft nach Art. 393 Abs. 1 ZGB, Art. 394 Abs. 1 ZGB i.V.m. 395 Abs. 1 ZGB.
Unter anderem habe ich im Rahmen der Vertretungsbeistandschaft den Auftrag ihn beim Erledigen der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, insbesondere sein Einkommen und Vermögen sorgfältig zu verwalten.
Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass er gemäss mir vorliegendem Lohnausweis 2016 ein Einkommen von Fr. 26'105.00 (brutto) und im 2017 Fr. 23'950.00 (brutto) verdient hat. Abgezogen werden in beiden Jahren die Beiträge der AHV, IV, EO, ALV, NBUV. Bei der beruflichen Vorsorge erfolgen keine ordentlichen Beiträge.
Seit Januar 2017 arbeitet er bei einem Foodstand vor eine grösseren Warenhaus. Es besteht kein Arbeitsvertrag. Den Lohn erhält er bar auf die Hand. Mein Klient ist sich bewusst, dass es sich bei diesem Anstellungsverhältnis um Schwarzarbeit handelt. Er möchte dies auch so belassen. Es sei ihm bewusst, dass er sich strafbar mache und ihm Leistungen im Alter, wie AHV, entgehen.
Welcher Foodstand, Arbeitszeiten, etc. sind mir nicht bekannt. Auch die Höhe des Verdienstes ist mir unbekannt.
Teilweise lebt er unter dem sozialhilferechtlichem Existenzminimum. Er will sich weder beim Sozialamt noch beim RAV anmelden.
Meine Fragen:
Bin ich als Beiständin verpflichtet, eine Meldung an die entsprechenden Stellen zu machen, dass mein Klient einer Schwarzarbeit nachgeht?
Wenn ja, bei welcher Stelle im Kanton Zürich bin im meldepflichtig?
Ist ein Foodstand wie ein Restaurant zu handhaben und somit einem GAV unterstellt?
Meines Wissens muss der (legale) Arbeitgeber meinem Klienten für die Jahre 2016 und 2017 bei der beruflichen Vorsorge versichern. Korrekt?
Meines Wissens werden die beiden Verdienste kummuliert und auch der durch Schwarzarbeit generierte Lohn ist BVG-pflicht. Stimmt dies?
Besten Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Silvia Ulrich
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Ulrich
Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
I) Zur Schwarzarbeit
Ihr Klient ist als Folge der Schwarzarbeit nicht sozialversichert. Dabei entgehen ihm Versicherungsbeiträge, was sich negative aus seine späteren Rentenansprüche auswirkt. Besonders gravierend ist der fehlende Versicherungsschutz bei einem Unfall.
Grundsätzlich ist es aber Sache des Arbeitgeber, die Sozialversicherungsbeiträge ordentlich abzurechnen. Wird die Schwarzarbeit bekannt, sind deshalb Sanktionen gegen den Arbeitgeber, nicht gegen den Arbeitnehmer vorgesehen. Anders verhält es sich hinsichtlich der Steuern, wer Einkommen nicht ordnungsgemäss deklariert, macht sich strafbar.
II) Zur Schweigepflicht des Beistandes
Nach Art. 413 ZGB unterstehen Sie als Beistand der Schweigepflicht. Nach Art .413 Abs. 2 ZGB ist der Beistand oder die Beiständin ist zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht überwiegende Interessen entgegenstehen.
Es geht also darum zu klären, ob die Meldung, dass ihr Klient in einem Schwarzarbeitsverhältnis steht, unter "überwiegende Interessen" fällt.
Als Beiständin müssen Sie also eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen. Was ist das Interesse ihres Klienten, die Schwarzarbeit nicht zu deklarieren? Wie weit steht die Deklaration der Schwarzarbeit aber auch im Interesse des Klienten (Versicherungsschutz)? Welche Interessen der Öffentlichkeit sind tangiert (Schwarzarbeit ist schädlich für die Volkswirtschaft)?
Durchbrechung der Schweigepflicht sollte nicht leichtfertig erfolgen, denn sie könnte sich nachhaltig negative auf das Vertrauensaverhältnis zwischen Beistand und verbeinständeten Person auswirken.Dazu kommen Sanktionen für den Beistand, falls sich die Durchbrechung als nicht gerechtfertigt erweist.
Im vorliegenden Fall lohnt sich sicher, den Klientin möglichst zu überzeugen, die Schwarzarbeit bei seinem Arbeitgeber zu legalisieren, als Beiständin können Sie hier entsprechende Unterstützung beim Vorgehen gegenüber dem Arbeitgeber bieten. Erst wenn all diese Bemühungen nichts fruchten, könnte allenfalls eine Meldung in Frage kommen.
Im Kanton Zürich besteht die Möglichkeit einer online-Meldung über Schwarzarbeit: https://awa.zh.ch/internet/volkswirtschaftsdirektion/awa/de/arbeitsbedingungen/schwarzarbeit/meldeformular_schwarzarbeit.html ; auf dieser Webseite finden Sie weitere Informationen zum Thema.
III) BVG-Pflicht beim legalen Arbeitgeber
Sie sehen das völlig richtig, bei einem Einkommen von >21 150 Franken/Jahr besteht eine BVG-Pflicht.
IV) Kummulation des legalen mit dem illegalen Verdienst
Vorab, der illegale Verdienst muss natürlich vorerst offengelegt werden, nur so besteht die Möglichkeit einer Berücksichtigung des Zweiteinkommens.
Das BVG regelt den Fall einer Person, die bei einem Arbeitgeber die BVG-Eintrittsschwelle erreicht und daneben eienen weiteren Teilzeitjob hat, wie folgt:
Art. 46 Erwerbstätigkeit im Dienste mehrerer Arbeitgeber
(…)
2 Ist der Arbeitnehmer bereits bei einer Vorsorgeeinrichtung obligatorisch versichert, kann er sich bei ihr, falls ihre reglementarischen Bestimmungen es nicht ausschliessen, oder bei der Auffangeinrichtung für den Lohn zusätzlich versichern lassen, den er von den anderen Arbeitgebern erhält.
3 Dem Arbeitnehmer, der Beiträge direkt an eine Vorsorgeeinrichtung bezahlt, schuldet jeder Arbeitgeber jeweils die Hälfte der Beiträge, die auf den bei ihm bezogenen Lohn entfallen. Die Höhe des Arbeitgeber-Beitrages ergibt sich aus einer Bescheinigung der Vorsorgeeinrichtung.
4 Die Vorsorgeeinrichtung übernimmt auf Begehren des Arbeitnehmers das Inkasso gegenüber den Arbeitgebern.
In der Verordnung zum BVG werden diese Bestimmungen weiter konkretisiert. Siehe zum Ganzen eine übersichtliche Information hier: http://vfa-fpa.ch/web/wp-content/uploads/D-Merkblatt-Erwerbstaetigkeit-mehrere-Arbeitgeber.pdf
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli