Nach dem Tod ihres Mannes meldete sich Frau J. beim Sozialdienst an. Wieder erwarten, erfüllte sie die Anspruchsvoraussetzungen für eine AHV-Hinterbliebenenrente. Dank dieser Rente, konnte sie das Sozialamt nach 4 Monaten verlassen. Lebt aber am Existenzminimum. Gleichzeitig erhielt Frau J. von ihrem verstorbenen Ehemann ein Kapital aus der Säule 3a (CHF 15'975.-). Kann das Sozialamt dieses Kapital beschlagnahmen, um die geleistete Sozialhilfe zurück zu fordern?
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Hirsbrunner
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Nach Ihrer Beschreibung verstarb der Ehemann im letzten Jahr. Gemäss Kap. E.2.5 der SKOS-Richtlinien, die nach Art. 8 SHV BE, für den Kanton Bern gelten (nach wie vor die bis 31.12.20 geltende Fassung), sind ausgelöste Guthaben der 2. Säule und der Säule 3a liquides Vermögen und nach Eintritt der Fälligkeit für den zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden. Diese Empfehlung wird so verstanden, dass das Auslösen dieser Guthaben nicht zu einem Vermögensanfall führt, der der Rückerstattung unterliegt, sofern der Vermögensfreibetrag von Fr. 25'000 bei einer Einzelperson übersteigt (Art. 40 Abs. 1 SHG BE, Art. 11b Abs. 1 lit. b SHV BE in Verbindung mit Kap. E.3.1 SKOS-RL gültig bis 31.12.20). Hingegen wird klargestellt, dass diese Guthaben für den zukünftigen Lebensunterhalt zu verwenden sind, und zwar im Zeitpunkt der Fälligkeit.
Es stellt sich demnach die Frage, wann das Guthaben aus der 3. Säule als fällig zu betrachten ist. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat im Urteil BV.2011.00093 vom 15. Mai 2013 festgehalten, dass die Fälligkeit sich nach dem Zeitpunkt richtet, zu dem die Anspruchsberechtigung geklärt ist. Erst dann trete auch die Fälligkeit der Forderung ein (vgl. E.7.2).
Bezogen auf Ihren Fall bedeutet dies, dass zum Zeitpunkt zu dem klar war, dass Ihre Klientin anspruchsberechtigt ist, die Fälligkeit eingetreten ist. Falls dieser Zeitpunkt nicht klar ist, könnten Sie dies mit der Einrichtung klären, die das Säule 3a-Konto führte.
Wie vorhin ausgeführt, darf die Sozialhilfe ab diesem Zeitpunkt verlangen, dass die unterstützte Person das Kapital für ihren künftigen Lebensunterhalt verwendet, d.h. es findet eine Ablösung statt und wie gesagt keine Rückerstattung aus Vermögensanfall. Es kann aber aus zweierlei Gründen dennoch eine Rückerstattung geben:
1. Fall der Bevorschussung
Hat die Sozialhilfe über den Fälligkeitszeitpunkt hinaus wirtschaftlicher Hilfe erbracht, weil z.B. die Einrichtung das Kapital verspätet auszahlte, dann kommt das einer Bevorschussung ab Zeitpunkt Fälligkeit gleich. In diesem Fall kann die Sozialhilfe die ab Fälligkeit erbrachte wirtschaftliche Hilfe gestützt auf Art. 40 Abs. 3 SHG BE zurückfordern.
2. Rückerstattung aufgrund künftig verbesserter Einkommensverhältnisse
Art. 40 Abs. 1 SHG BE lässt eine Rückerstattung auch zu, wenn jemand sich mit einem Einkommen von der Sozialhilfe ablösen kann. Es wird dann eine Rückerstattung aus diesem Einkommen geprüft. Wann dies der Fall ist, wird in Art. 11b Abs. 1 lit. a SHV BE und im Handbuch für die Sozialhilfe im Kanton Bern (BKSE) unter dem Stichwort Rückerstattungspflicht Ziff. 4.3.3 erklärt. In diesem Fall würde man das Kapital aus der Säule 3a analog dem Freizügigkeitsguthaben auf das Jahr umschlagen und einen jährlichen Verzehr berechnen.
Sie erwähnen, dass Ihre Klientin nach wie vor am Existenzminimum lebt, so dass die unter 2. erwähnte Rückerstattung kaum in Frage kommt. Hingegen erscheint die unter 1. ausgeführte Rückerstattung als nicht ausgeschlossen, wobei der Fälligkeitszeitpunkt ausschlaggebend ist. Jedenfalls hat die Sozialhilfe die Rückerstattung zu begründen. Es ist Ihrer Klientin zu raten, dass sie eine anfechtbare Verfügung verlangt, damit sie die rechtliche Begründung und die Berechnung überprüfen kann.
Wenn die Klientin schliesslich einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat, dann sollte die Sozialhilfe in aller Regel mit der EL gedeckt sein (ausser es wird ein Vermögensverzicht eingerechnet), so dass in diesem Fall eine Rückforderung aufgrund des 3. Säule-Kapitals automatisch entfällt.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder