Guten Tag,
folgende Situation stellt sich derzeit auf unserem Sozialdienst:
Herr B. wird seit etwa einem Jahr mit WSH unterstützt. Der Mietzins der Wohnung, in welcher er allein lebt, liegt über den kantonalen Richtlinien. Aus diesem Grund wurde dem Klienten eine Auflage betreffend Bemühungen um eine günstigere Wohnung erteilt. Diese Auflage wurde vom Klienten von Anfang an nicht erfüllt, da er definitiv nicht aus seiner Wohnung ausziehen möchte. In der Folge wurde ihm der Mietzins gekürzt und seit einiger Zeit nur noch der Anteil gemäss kantonalen Richtlinien ausbezahlt. Soweit sind wir mit dem Vorgehen der unterstützenden Gemeinde W. einverstanden.
Nun wurde dem Klient entgegen unserer Empfehlung weiterhin eine Auflage betreffend Bemühungen um eine günstigere Wohnung erteilt. Da er sich weiterhin weigert, eine günstigere Wohnung zu suchen, wurde eine Kürzung des GB um 15% zusätzlich zur sowieso schon gekürzten Miete verfügt. Ist dies so rechtlich korrekt? Aus unserer Sicht handelt es sich hier um eine doppelte Sanktionierung!?
Der Klient geht einer Erwerbstätigkeit nach, eine Auflage betreffend Arbeitsbemühungen ist auf Grund der Unverhältnismässigkeit zwischen erzieltem Einkommen und Auslagen für den Arbeitsweg erteilt worden. Es gibt bereits eine Kürzung um 15% sowie eine Einstellung der erwerbsbedingten Auslagen, da zu Beginn der Unterstützung die Bemühungen um eine Arbeitsstelle nicht nachgewiesen worden. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde in 1. Instanz abgewiesen.
Aktuell besteht also folgende Sanktion:
-> Mietzins lediglich gemäss Richtlinien (CHF 850.00 statt 1'070)
-> keine Übernahme der erwerbsbedingten Auslagen
-> Kürzung des GB um 15%
Da der Klient auch weiterhin keine Bemühungen um eine günstigere Wohnung macht und auch noch zwei/dreimal die Bemühungen um eine Anstellung nicht oder nicht fristgerecht eingereicht hat, sieht die Gemeinde nun eine Kürzung auf das verfassungsrechtliche Existenzminimum der Nothilfe vor, wie es im Kanton Nidwalden gemäss SHG möglich ist.
1) Welcher Mietzins muss im Rahmen der Nothilfe übernommen werden? Dieser gemäss Mietvertrag oder lediglich dieser gemäss kantonalen Richtlinien?
2)Müssen im Rahmen der Nothilfe wieder die Auslagen für den Arbeitsweg entrichtet werden?
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
F. Müller
Sozialdienst NW
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre interessante Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
In den Richtlinien zur Bemessung der Unterstützung des Kantons Nidwalden steht, dass im Fall eines Mietzinses über dem Grenzwert entweder verlangt werden darf, dass auf den nächstmöglichen Termin die Wohnung gewechselt wird oder dass der nicht mehr der tatsächliche sondern der Mietzins nach Grenzwert der Richtlinien bezahlt wird. Dies heisst für mich klar, dass im Kanton Nidwalden nicht parallel eine Auflage gemacht werden darf, eine günstigere Wohnung zu suchen und gleichzeitig der Mietzins auf den Grenzwert gesetzt wird. Es ist eine "entweder oder" Regel. Bezahlt die Gemeindee - wie vorliegend - nur noch den Grenzwert nach den Richtlinien, darf sie nicht gleichzeitig eine Auflage machen, eine günstigere Wohnung zu suchen. In diesem Fall darf sie die Unterstützungsleistungen nach Art. 22 ABs. 2 SHG NW auch nicht auf Nothilfe kürzen. Oder mit anderen Worten: eine Doppelsanktion ist nach den Richtlinien tatsächlich nicht möglich.
Was heisst dies im vorliegenden Fall? Die Gemeinde muss sich meiner Meinung nach rückwirkend entscheiden, welchen Weg sie eischlägt: Auflage mit Sanktion oder Bezahlung Grenzwert.
Wählt sie die Bezahlung des Grenzwerts, so darf sie nun nicht kürzen, schon gar nicht auf Nothilfe d.h. sie muss auch die bereits erfolgte Kürzung rückwirkend aufheben. Dann stellt sich die Frage nach dem Mietzins und Berufsauslagen während Nothilfe nicht.
Wählt die Gemeinde die Auflage und die anschliessende Kürzung, so muss sie meiner Ansicht nach rückwirkend den tatsächlichen Mietzins bezahlen. In diesem Fall ist allerdings daran zu denken, dass die Unterstützungsleistungen nur dann nach Art. 22 Abs. 2 SHG NW auf Nothilfe nach Art. 12 BV gekürzt werden dürfen, wenn die Verweigerung, eine Wohnung zu suchen, eine schwere Widerhandlung gegen eine Auflage bedeutet. Dies bezweifle ich vorliegend, weil es meiner Ansicht nach rechtlich fraglich ist, von einem Klienten/einer Klientin zu verlangen, eine günstigere Wohnung zu suchen, zumal es eine andere Möglichkeit gibt, nämlich die Bezahlung des Grenzwerts der Wohnung.
Kann die Küzrung auf Nothilfe dennoch - ich habe, wie gesagt, Zweifel - als rechtlich korrekt eingestuft werden, so fehlt es meiner Ansicht nach in den kantonalen Richtlinien an einer Regelung, wie hoch die Nothilfe ist für die Wohnung. Art. 12 BV legt dies ebenfalls nicht fest. Dies haben die Kantone zu tun. In diesem Fall hilft die SKOS weiter. Die SODK hat eine Empfehlung abgeben. Ich werde Ihnen die Zahlen heraussuchen und in einer separaten Antwort zusenden. Mit Bestimmtheit kann ich festhalten, dass die Arbeitswegkosten nicht zu vergüten sind, weil diese nicht zum Gehalt von Art. 12 BV gehören, denn gemäss diesem besteht nur Anspruch auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben vorerst weitergeholfen zu haben.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach
Frage beantwortet am
Anja Loosli Brendebach
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Ich habe die Empfehlungen der SODK nun konsultiert und leider keine konkreten Zahlen zur Nothilfe gefunden, wohl aber Grundsätze, was zur Nothilfe gehört. Ich habe mich deshalb nochmals mit den kantonalen Grundlagen beschäftigt und finde erneut nichts zum Thema Bemessung der Nothilfe. Gerne würde ich betr. weiteres Vorgehen deshalb kurz mit Ihnen telefonieren. Mögen Sie mir Ihre Nummer geben (ich bin vom 10. - 17.2.2018 ferienhalber abwesend)?
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach