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Sanktion wegen Einstelltagen bei der Arbeitslosenversicherung

Veröffentlicht:
05.03.2025
Kanton:
Wallis
Status:
Neu
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Die Weisung zur Anwendung des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe vom 1. Oktober 2024 sieht in Bezug auf die Arbeitslosenversicherung unter anderem folgendes vor:

20.1.1

Ist die punktuelle Bedürftigkeit der Person die Folge der Aussetzung von Tagegeldern einer Sozialversicherung (z.B. Arbeitslosenversicherung) aufgrund von mangelnder Mitwirkung, muss eine Sanktion ergriffen werden (vgl. Kapitel 22).

22.2.1 Bedingungen

Eine Sanktion ist gerechtfertigt, wenn die betroffene Person eine ihrer Verpflichtungen als Empfänger von materieller Hilfe nicht erfüllt oder einer zumutbaren Anordnung nicht nachkommt. Eine Kürzung kann insbesondere erfolgen, wenn der Empfänger:

• (…) Wenn von der Arbeitslosenversicherung eine Sanktion gegen eine Person verhängt wird, ist diese Beschränkung durch die Tatsache gerechtfertigt, dass die Person durch die von der Versicherung ergriffene Sanktion in der Verantwortung ist und dies nicht durch einen entgegengesetzten Entscheid der Sozialhilfe aufzuheben ist (selbst während eines allfälligen Einspracheverfahrens); wenn die Personen die Sanktion des Versicherers bestreitet und obsiegt, wird das Budget rückwirkend neu berechnet, um die erhobene Sanktion zu beseitigen und den von der Versicherung erhaltenen Betrag mit einzuschliessen;

22.2.2 Verfahren

Ausser in Ausnahmefällen ist die betroffene Person, ehe ein Sanktionsentscheid gegen sie erlassen wird, mittels einer schriftlichen Mahnung auf die Folgen ihres Verhaltens aufmerksam zu machen.

Die zuständige Behörde erlässt eine hinreichend begründete, schriftliche Verfügung und stellt sie der betroffenen Person mit Angabe der Rechtsmittel und der Beschwerdefristen zu. In der Verfügung sind Art, Beginn und Dauer der Sanktion anzugeben. In der Verfügung ist ausserdem anzugeben, welche Anforderungen und Bedingungen der Begünstigte für die Aufhebung der Sanktion zu erfüllen hat.

Nach Ablauf der Sanktionsfrist untersucht die Behörde die Situation erneut und prüft, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Kürzung weiterhin gegeben sind. Bei Bedarf erlässt sie einen neuen Sanktionsentscheid.

Es wird unter Punkt 20.1.1 festgehalten, dass eine Sanktion ergriffen werden muss mit Hinweis auf Kapitel 22.2.1. Dort steht: eine Kürzung kann erfolgen wenn….

  • Stützen wir uns nun auf die Kann-Formulierung oder ist es gerechtfertigt zu sanktionieren, sobald Einstelltage seitens Arbeitslosenversicherung verfügt wurden?

Nun zur Dauer und Höhe der Sanktion. Hier stellt uns der Kanton einen Sanktionskatalog zur Verfügung der unserer Ansicht nach unterschiedlich interpretiert werden kann.

  • Beispiel 1: Eine Person meldet sich neu für Sozialhilfe an. Es zeigt sich, dass ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder möglich ist. Es wird eine Auflage erteilt, sich beim RAV anzumelden und den Anspruch abzuklären.
    • Hält sich die Person nicht an die Auflage so käme hier gemäss Sanktionskatalog auf S. 2 der zweite Punkt zum Zuge 15-30% für 1-3 Monate. Grundsätzlich wäre aber auch eine Verweigerung der Geltendmachung eines finanziellen Leistungsanspruchs möglich, somit 20-30% für 1-3 Monate.
  • Beispiel 2: Eine Person meldet sich neu für Sozialhilfe an, weil sie Einstelltage vom RAV erhalten hat.
    • Ist dies nun eine fehlende Zusammenarbeit mit Behörden (Punkt 1 auf S. 2 vom Sanktionskatalog) als 5 bis 15% von 1 bis 3 Monaten oder eine Verweigerung der Geltendmachung eines finanziellen Anspruchs. (20-30% für 1-3 Mt./ bzw. im Fallbeispiel wäre der versicherte Verdienst klar, somit die direkte Einrechnung von einem hypothetischen Einkommen? Somit nur noch Unterstützung mit Nothilfe möglich)
    • Wie sieht hier die Rechtmässigkeit des Verfahrens unter Kapitel 22.2.2 aus. Hier wird klar aufgeführt, dass vor einer Sanktion zunächst eine hinreichend begründete, schriftliche Verfügung erlassen werden muss. Ist es dann rechtmässig, direkt zu sanktionieren?

Wann sprechen wir von fehlender Zusammenarbeit und wann von Verweigerung der Geltendmachung eines finanziellen Leistungsanspruchs?

 

Vielen Dank für das Prüfen unserer Anfrage.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich gerne folgendermassen beantworte:

1. Sanktion bei Verletzung der Pflichten gegenüber der Arbeitslosenversicherung: Ein Kann oder ein Muss?

Sie schreiben richtig, dass Kapitel 20.1.1 und Kapitel 22 der Weisung zur Anwendung des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe nicht ganz deckungsgleich sind. In Kapitel 20.1.1 steht, dass bei Bedürftigkeit aufgrund mangelnder Mitwirkung bei der ALV eine Sanktion ergriffen werden muss. In Kapitel 22 steht, dass eine Sanktion verhängt werden kann.

Um herauszufinden, ob in den Fällen von Pflichtverletzungen gegenüber der Arbeitslosenversicherung zwingend eine Sanktion zu ergreifen ist oder diese nur ergriffen werden kann, habe ich deshalb die gesetzlichen Bestimmungen herangezogen.

In Art. 33 Abs. 1 des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe (GES) werden die Pflichten von bedürftigen Personen aufgeführt. Dazu gehört, alles zur Vermeidung, Begrenzung oder Beendigung der gewährten Hilfe zu unternehmen (lit. a). Zudem sind sämtliche zumutbaren Anstrengungen zum Erhalt oder zur Wiedererlangung der Selbständigkeit zu unternehmen (lit. b). In Art. 41 der Verordnung über die Eingliederung und die Sozialhilfe (VES) werden die Pflichten von 33 Abs. 1 GES präzisiert, in dem dort festgehalten wird, dass unter anderem mit den Behörden der Arbeitslosenversicherung zusammenzuarbeiten ist (lit. c). Werden diese Pflichten verletzt, können die Unterstützungsleistungen nach Art. 38 GES gekürzt werden. Es kommt hinzu, dass in der Sozialhilfe in jedem Fall die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Prinzipien (Rechtsgleichheit, Treu und Glauben und Verhältnismässigkeit) zu beachten sind.  

Darauf folgt für mich, dass die rechtlichen Grundlagen im Kanton Wallis so ausgestaltet sind, dass eine Sanktion – auch im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen gegenüber der Arbeitslosenkasse – erfolgen kann aber nicht zwingend muss. Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob einerseits ein Verschulden vorliegt und ob die verwaltungsrechtlichen Prinzipien wie das Verhältnismässigkeitsprinzip eine Sanktion im konkreten Fall als richtig erscheinen lassen.

2. Wann fehlender Zusammenarbeit und wann Verweigerung der Geltendmachung der Arbeitslosentaggelder?

Richtig ist, dass im Kanton Wallis bei fehlender Mitwirkung nicht in allen Fällen nur die Möglichkeit einer Sanktion besteht. Nach Art. 40 GES kann dann – nicht als Sanktion – ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden, wenn ein Sozialhilfeempfänger auf Einkommen verzichtet hat oder er sich weigert, dieses geltend zu machen. In Kapitel 22.3.1 der obgenannten Weisungen wird präzisiert, dass ein hypothetisches Einkommen unter anderem dann angerechnet werden kann, wenn eine Person einen (bezifferbaren und vollstreckbaren) finanziellen Leistungsanspruch nicht geltend macht (z.B. Versicherungsleistungen, Unterhaltsbeiträge).

Daraus folgt meiner Ansicht nach, dass die Sozialhilfe immer dann Arbeitslosentaggelder als hypothetisches Einkommen anrechnen kann, wenn ein Klient sicher einen Anspruch auf ein in der Höhe feststellbares Arbeitslosentaggeld hat, die Sozialhilfe ihn aufgefordert hat, Arbeitslosentaggelder geltend zu machen und in Aussicht gestellt hat, was die Konsequenzen einer Nichtanmeldung sind und die bedürftige Person sich dennoch weigert, sich bei der Arbeitslosenkasse anzumelden. Kann der Anspruch nicht beziffert werden, sind die Unterstützungsleistungen nach Sanktionskatalog dagegen nach vorgängiger Androhung um 20 – 30% zu kürzen (allerdings muss ich gestehen, dass ich den Sanktionskatalog diesbezüglich nicht eindeutig finde, denn als Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden, die zu einer 15 – 30% Kürzung führt, wird auch die Verweigerung der Anmeldung beim RAV aufgeführt, was einer Nichtgeltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosentaggelder gleichkommt). Das bedeutet aus meiner Sicht, dass bei Personen, die sich neu zum Bezug von Sozialhilfe anmelden, nicht direkt hypothetisches Einkommen angerechnet werden kann. Zuerst muss die Person aufgefordert werden zur Geltendmachung und die Konsequenzen müssen aufgezeigt werden. Allenfalls braucht es auch eine Zusammenarbeit mit der Arbeitslosenkasse, denn ohne sicheres Wissen über einen Anspruch auf Arbeitslosentaggelder und die Höhe dieser scheint mir eine Anrechnung von hypothetischem Einkommen – auch angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung - schwierig zu sein.

Wurde eine bedürftige Person von der Sozialhilfe aufgefordert, sich bei der Arbeitslosenkasse anzumelden und tut sie dies oder hat sie dies bereits vor Beginn der Unterstützung getan, verweigert sich eine bedürftige Person nicht grundsätzlich, ihren Anspruch geltend zu machen. Die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens ist dann nicht angezeigt.  Verletzt die unterstützte Person aber nach der Anmeldung ihre Pflichten gegenüber der Arbeitslosenkasse (z.B. zu wenig Bewerbungen), können die Unterstützungsleistungen nach vorgängiger Pflichtauferlegung und Mahnung gekürzt werden. Dies bedeutet, dass auch eine Sanktion im Zeitpunkt der Neuanmeldung nicht sofort verfügt werden kann. Vom Umfang her erachte ich die Differenzierung zwischen «fehlender Zusammenarbeit» und «Verweigerung der Zusammenarbeit» als schwierig. Ich kann mir aufgrund der Formulierung vorstellen, dass mit «fehlende Zusammenarbeit» gemeint ist, dass die Pflichten nicht vollumfänglich erfüllt werden (z.B. zu wenige Arbeitsbemühungen) und bei der «Verweigerung» explizit oder implizit zum Ausdruck gebracht wird, dass sich eine bedürftige Person verweigert mitzuwirken (z.B. gar keine Arbeitsbemühungen). Eine abschliessende Beurteilung ist mir jedoch nicht möglich.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen helfen zu können.

Freundliche Grüsse