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Rückzahlung Sozialhilfe bei Vermögen über Vermögensgrenze bei Bezug

Veröffentlicht:
09.09.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Das Ehepaar S. bezog vom Juli bis September 2017 sowie ab Juni 2018 Sozialhilfe im Kanton Graubünden.  Die Sozialhilfe war eine Ergänzung, da die IV-Rente der Ehefrau sowie die IV-Kinderrente und der unregelmässige Lohn des Ehemannes nicht ausreichten.

Durch die Aufnahme der Beistandschaft und der damit verbundenen finanziellen Abklärungen zeigte sich dann, dass die Ehefrau Vermögen besitzt, welches die Vermögensgrenze der Sozialhilfe übersteigt. Sie besitzt ein Drittel eines Hauses in Italien. Zudem hatte sie sogenannte Gutscheine bei der Post in Italien von ca. CHF 16000.-. Die Eheleute hatten diese Gutscheine nicht angegeben, da sie glaubten, dass dies die Anteilsscheine für das Haus seien. Die korrekten finanziellen Verhältnisse wurden den Sozialen Diensten bei Bekanntgabe mitgeteilt. Es wurde zudem mit den Vorbereitungen gestartet, die Gutscheine einlösen zu können.

Das Ehepaar hat sich nun im Juni 2019 getrennt. Die gerichtilche Trennung ist am Laufen. Aufgrund der Trennung konnte die Frau von der Sozialhilfe abgelöst werden. Sie hat eine IV-Rente und Ergänzungsleistungen. Das Kind lebt bei ihr. Der Mann bezieht weiterhin Sozialhilfe. Inzwischen konnten zudem die Gutscheine eingelöst werden. Dazu mussten verschiedene Abklärungen gemacht und entsprechende Vorbereitungen getroffen werden.

Fakten: Die Angaben zum Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe wurden zu Beginn nicht vollständig/korrekt gemacht. Es bestand bei Anmeldung für Sozialhilfe ein Vermögen über der Vermögensgrenze. Beim Bezug von Sozialhilfe waren die Leute verheiratet. Das Vermögen ist von Seiten der Frau.

Frage: Welchen Anteil hat die Frau aus rechtlicher Sicht aus ihrem Vermögen an die bezogene Sozialhilfe zu geben? Muss die bezogene Sozialhilfe zurückbezahlt werden? Muss die Frau, da sie zum Zeitpunkt des Sozialhilfebezuges verheiratet war, auch den Anteil des Mannes zurückbezahlen? Wie sieht es mit dem Anteil des Sohnes aus?

Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Kubli

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Nach Art. 1 Abs. 1 des Kantonalen Unterstützungsgesetzes des Kantons Graubünden (BR 546.250) ist bedürftig, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann. Aus dieser Formulierung kann implizit gelesen werden, dass eine Unterstützungseinheit diejenigen Personen bilden, die sich zivilrechtlich (Familie) zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet sind (Art. 163 Abs. 1 ZGB, Art. 278 Abs. 2 ZGB). Dies sind zusammenlebende Ehegatten und ihre im selben Haushalt lebenden unmündigen Kinder (Art. 276 Abs. 1 ZGB). Die Bedürftigkeit wird dann aufgrund eines pauschalen Gesamtbudgets berechnet. Alle anrechenbaren Eigenmittel werden allen anerkannten Ausgaben gegenübergestellt. Danach hängt die Bedürftigkeit einer Person nicht von ihrer individuellen Bedürftigkeit sondern von der Bedürftigkeit ihrer Bedarfsgemeinschaft ab (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 458ff.).

Aus diesen Ausführungen muss geschlossen werden, dass auch eine allfällige Rückerstattung wegn unrechtmässigem Bezug von Unterstützungsleistungen wegen verschwiegenem Vermögen die Unterstützungsleistungen für die gesamte Unterstützungseinheit betrifft oder mit anderen Worten: sollte die Ehefrau vorliegend rückerstattungspflichtig sein, hat sie nicht nur die für sich erhaltenen Unterstützungsleistungen sondern auch die für ihren Ehemann (solange sie nicht getrennt gelebt haben, also bis Juni 2019) und ihren gemeinsamen Sohn zurückzuerstatten.

Es gilt deshalb zu klären, ob die Ehefrau eine Rückerstattungspflicht trifft.

In Art. 11 des Unterstützungsgesetzes ist in Abs. 3 festgehalten, dass rückerstattungspflichtig ist, wer zu Unrecht Unterstützungsleistungen bezogen hat. Wann ein Bezug unrechtmässig ist, wird im Unterstützungsgesetz nicht geregelt. In Art. 1 der Ausführungsbestimmungen zum kantonalen Unterstützungsgesetz (ABzUG, BR 546.270) ist dann aber festgehalten, dass für die Bemessung der Unterstützungsleistungen die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-RL) von April 2005 einschliesslich des Kapitels "Praxishilfen" massgebend seien. Gemäss Kapitel E.3.2 SKOS-RL sind unrechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen insbesondere solche, die ausgerichtet wurden, weil die Hilfesuchenden ihre Pflicht, wahrheitsgetreu Auskunft zu geben, verletzt haben oder mit anderen Worten: auf die kein Anspruch bestanden hätte, die aber ausgerichtet wurden, weil die hilfesuchende Person nicht über ihre wahren Verhältnisse informierte.

Vorliegend hat das Ehepaar bei der Unterstützungsaufnahme weder über die Liegenschaft in Italen noch über die Gutscheine der Post in Italien informiert. Damit hat das Ehepaar erwirkt, dass die Sozialhilfe zu viel Leistungen ausbezahlt hat, denn Vermögen ist nach Kapitel E.2.1 bei der Ermittlung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.

Klar erscheint mir, dass der Betrag von CHF 16'000.-- für die Gutscheine der Post vollumfänglich zurückzuerstatten ist, da es sich dabei um relativ schnell zu verflüssigendes Vermögen handelt. Dabei sind wie oben ausgeührt, sämtliche Unterstützungsleistungen ab Juni 2017 bis zum Maximalbetrag von CHF 16'000.-- zurückzuerstatten (allenfalls kann der in Kapitel E.2.1 SKOS-RL verankerte Vermögensfreibetrag von CHF 10'000.-- berücksichtigt werden, denn der Freibetrag wäre ja bei korrekter Deklaration gewährt worden und in diesem Umfang können die Unterstützungsleistungen als rechtmässig erfolgt gelten).

Bezüglich der Liegenschaft in Italen stellt sich der Sachverhalt komplizierter dar. Gemäss Kapitel -e.2.1 i.V.m. E.2.2 SKOS-RL sind Liegenschaften zu verwerten, auch wenn sie im Ausland liegen. Hätten die Klienten die Liegenschaft deklariert, wären sie unterstützt und von ihnen verlangt worden, dass sie die Liegenschaft der Ehefrau bzw. den Anteil daran veräussern. Hätten die Klienten mitgewirkt, wäre die Veräusserung bis zur Ablösung der Ehefrau aber nicht möglich gewesen, wäre allenfalls später nach Ablösung der Ehefrau und des Sohnes eine Rückforderung nach Kapitel E.3.1 SKOS-RL erfolgt, wenn die Liegenschaft tatsächlich veräussert worden wäre. Da die Klienten aber ihre Auskunftspflicht verletzt haben, steht nicht fest, ob sie die Liegenschaft hätten veräussern können und wann dies erfolgt wäre und wieviel zurückverlangt worden wäre. Es besteht deshalb die Möglichkeit zu sagen, dass die Klienten nach Kapitel E.3.2 SkOS-RL deshalb zu Unrecht Leistungen bezogen haben, weil sie ihre Auskunftspflicht verletzt haben und von ihnen die Veräusserung deshalb gar nicht rechtzeitig verlangt werden konnte. Dann könnte gestützt darauf die Unterstützungsleistungen der gesamten Einheit bis zur Trennung und bis zum Wert des Liegenschaftsanteils zurückgefordert werden. Oder es besteht die Möglichkeit zu sagen, dass es bzgl. der Liegenschaft ein rechtmässiger Bezug war, weil eben unklar ist, ob die Liegenschaft hätte veräussert werden können und dann die Rückerstattung bei Veräusserung nach Kapitel E.3.1 SKOS-RL zu verlangen (hiezu müsste von der Sozialhilfe immer wieder nach dem Stand gefragt werden). Ich habe leider keine Rechtsprechung zu diesem Thema im Kanton Graubünden gefunden. Viele Kantone wählen beim Verschweigen von Liegenschaften aber den Unrechtsbezug, was von der Rechtsprechung z.B. im Kanton Basel-Stadt geschützt wird. 

Ergänzend möchte ich ausführen, dass die Rückerstattungsforderung aufgrund der Unterstützungseinheit nicht nur gegenüber der Ehefrau besteht, auch wenn es ihre Vermögenswerte sind, sondern auch gegenüber dem Ehemann.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach