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Rückzahlung Sozialhilfe aus BVG-Kapital

Veröffentlicht:
15.09.2022
Kanton:
Wallis
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Guten Tag

Wir haben einen Klienten der aktuell von der Sozialhilfe lebt. Nun wurde ihm ein grösserer Betrag aus seiner BVG Auffangeinrichtung ausbezahlt. Muss er die bezogene Sozialhilfe mit diesen Geldern zurückzahlen. Er hat z.Z. keine anderen Einkommen. 

Freundlicher Gruss

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Grüezi

Das ausbezahlte Freizügigkeitsguthaben kann von der Gemeinde zurückverlangt werden, sofern dafür im kantonalen Recht eine Grundlage besteht.

Nach Art. 52 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe (GES) des Kantons Wallis vom 10.09.2020, SGS 850.1 ist eine Person, die Leistungen in Form materieller Hilfe erhalten hat, zu deren Rückerstattung gehalten, wenn sie zu einem bedeutenden Vermögen gekommen ist. Nach Art. 61 Abs. 2 der Verordnung über die Eingliederung und die Sozialhilfe des Kantons Wallis (VES) vom 21.04.2021, SGS 850.100 müssen rechtmässig bezogene ordentliche Sozialhilfeleistungen (Art. 52 GES) in Anwendung von Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b GES gefordert werden, wenn der Begünstigte einen über die im Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung (ELG) vorgesehenen Freibeträge hinausgehenden Betrag erhält. Und nach Art. 61 Abs. 3 VES erlässt das Departement eine Weisung über die Bedingungen, die Berechnung und die Modalitäten der Rückerstattungen.

Das Departement für Gesundheit, Soziales und Kultur hat die „Weisung zur Anwendung des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozialhilfe“ am 1. Juli 2021 erlassen und in Kapitel 23. die Rückerstattung geregelt (vgl. https://www.vs.ch/documents/218528/4675720/Weisung+zur+Anwendung+des+Gesetzes+%C3%BCber+die+Eingliederung+und+die+Sozialhilfe.pdf/73d0852c-e08d-3b0d-b88f-7726dd1a4d32?t=1625130089706&v=1.3). Nach Kapitel 23.3.1 ist die Rückerstattung zu verlangen, wenn der erhaltene Betrag die im Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung vorgesehenen Freibeträge übersteigt (Art. 61 Abs. 1 VES), nämlich: Fr. 30'000.- für Alleinstehende; Fr. 50'000.- für Paare und Fr. 15'000.- pro Kind. Das Verfahren ist in Kapitel 23.9 geregelt. Eine Rückerstattung muss somit geprüft werden, wenn das Kapital über dem massgebenden Freibetrag liegt.

Das Bundesgericht hat in BGE 148 V 114 vom 24. November 2021 (8C_441/2021) die Praxis des Kantons Aargau bestätigt, dass bezogenen Freizügigkeitsguthaben zur Rückerstattung wirtschaftlicher Sozialhilfe verwendet werden können (E. 7.3.1). Es hat aber festgehalten, dass dem Vorsorgeschutz Rechnung getragen werden muss. Pensionskassenguthaben, die ausgezahlt werden (Art. 16 FZV), können auch nach ihrer Auszahlung nur beschränkt gepfändet werden (Art. 93 SchKG). Die Kapitalzahlung muss also in eine Rente umgerechnet und anschliessend die pfändbare Quote berechnet werden. Eine Pfändung ist nur bis zur Höhe der jährlichen Rente möglich (E. 7.4). Konkret heisst das, dass das Betreibungsamt bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimus zu ermitteln hat, welche Rente sich mit dem erhaltenen Guthaben im Vollzugszeitpunkt unter Beachtung einer erwartbaren durchschnittlichen Lebenserwartung kaufen liesse. Das, wenn es die Sozialhilfebehörde auf die Zwangsvollstreckung ankommen lässt (E. 7.4).

Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung ist auch auf die Walliser Rückerstattungspraxis bei Vermögensanfall durch Freizügigkeitsguthaben anwendbar.

Vgl. dazu ausführlich das Dossier „Rückzahlung der Sozialhilfe mit Pensionskassenguthaben – das Bundesgericht stützt umstrittene Aargauer Praxis“ vom 27. Januar 2022 auf https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/armut-sozialrechte/rueckzahlung-sozialhilfe-pensionskassenguthaben.

 

Ich hoffe, die Angaben sind hilfreich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 15.9.2022

Karin Anderer