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Rücktritt/Kündigung von temporärem Einsatzvertrag vor Einsatzbeginn - Konventionalstrafe nach Art. 337d OR zulässig?ag

Veröffentlicht:
15.01.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Mein Klient leistete im Juni 2020 einen zweiwöchigen Arbeitseinsatz (KW 25 und 26) für eine Temporärfirma. Am Freitag, 03. Juli 2020 ist ein Mitarbeiter der Temporärfirma extra zum Bahnhof am Wohnort meines Klienten gefahren, damit mein Klient einen neuen Einsatzvertrag ab 08. Juli 2020 unverzüglich unterschreibt. Mein Klient wurde mit dieser Vorgehensweise total überrascht und er fühlte sich verpflichtet den Vertrag, ohne genügend Bedenkzeit, sofort am Bahnhof zu unterschreiben. Am Montag, 06. Juli 2020 hat mein Klient mit dem Mitarbeiter der Temporärfirma telefoniert und ihm mitgeteilt, dass er den Einsatzvertrag am 08. Juli 2020 nicht antreten werde. Gemäss dem Einsatzvertrag vom 03. Juli 2020 gelten folgende Kündigungsfristen: «Während dieser Zeit kann der Einsatzvertrag von beiden Parteien jederzeit mit einer Kündigungsfrist von 2 Arbeitstagen gekündigt werden». Mit Schreiben vom 20. Juli 2020 wurde mein Klient von der Temporärfirma des Vertragsbruchs bezichtigt und es wurde Schadenersatz von Fr. 1800.00 gefordert. Die Schadenersatzforderung haben wir zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 17. August 2020 teilte die Temporärfirma mit: «Wir haben Klient bereits am Freitag, 03. Juli 2020 am Bahnhof X. besucht und ihn bestimmt nicht unter Druck gesetzt oder zur Unterschrift eines Einsatzvertrages gezwungen. Er hatte freie Wahl zwischen unserem Einsatz oder eines unserer Konkurrenten. Die Konkurrenz hatte einen Einsatz in L. als Hilfsschaler und im Gegenzug wir einen in R. als Bauarbeiter C. Er hatte genug Zeit die beiden Offerten zu vergleichen und hatte sich aus freiem Willen wegen der Distanz für unseren Einsatz entschieden und schlussendlich unterschrieben. Drei Stunden später hat er uns telefonisch abgesagt und wir haben ihn darauf aufmerksam gemacht, dass wir der Kundschaft bereits den Einsatz bestätigt haben und somit ein Vertragsbruch entstehen wird. Dies interessierte ihn überhaupt nicht und er beschimpfe uns. Er zeigte keine Einsicht. Dieses Verhalten hat und dazu bewegt, die Konventionalstrafe geltend zu machen und darauf zu bestehen, die Konventionalstrafe fristgerecht zu begleichen. »

Zwischenzeitlich stellten wir fest, dass die Konventionalstrafe mit den geleisteten Arbeitsstunden in der KW 26 verrechnet wurde. Das Feriengeld wurde ebenfalls zurückbehalten. Aus Sicht der Temporärfirma besteht nun eine offene Forderung meines Klienten gegenüber der Temporärfirma im Betrag von Fr. 400.00.

Wie beurteilen Sie die arbeitsrechtliche Situation aus Sicht meines Klienten? Ist dieses Vorgehen der Temporärfirma zulässig? Falls nein, wie kann sich mein Klient dagegen wehren?

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrter Herr Baumann

Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Sie erwähnen, dass gemäss dem Einsatzvertrag vom 03. Juli 2020 eine zweitätgige Kündigungsfrist gelten würde. Dies ist bei Temporärarbeit zulässig (siehe GAV-Personalverleih https://www.swissstaffing.ch/docs/de/GAV_Personalverleih/GAV_Personalverleih_2019-2020_Gesetzestext.pdf) .

Nun erwähnen Sie, dass Ihr Klient die Stelle nicht angetreten hat, was ein Vertragsbruch darstellt. Nach OR Art. 337 d OR muss eine ARbeitnehmer, der ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle nicht antritt oder sie fristlos verlässt, eine Entschädigung von einem Viertel des Lohns für einen Monat als Konventionalstrafe leisten.  Die Arbeitgeberin hat zudem Anspruch auf Ersatz weiteren Schadens.Ein solchen Mehrschaden muss aber von der Arbeitgeberin bewiesen werden. Der Arbeitnehmer wiederum kann geltend machen, der 1/4tel-Monatslohn sei höher als der Schaden ,der dem Arbeitgeber entstanden ist.

Der Arbeitgeber kann die Konventionalstrafe (1/tel des Monatslohnes) mit Lohnforderungen verrechnen. Es gilt hier auch nicht die Grenze des Verrechnungsverbotes, denn der Schaden (das Nichtantreten der Stelle) ist vom Arbeitnehmer ja willentlich zugefügt worden.

Was entnimmt sich dieser Rechtslage? Wenn der Arbeitgeber 1800 CHF geltend macht, so ist dies nur bei einem Monatslohn von 7200 zulässig. Selbst wenn dies so ist, kann der Arbeitnehmer noch immer geltend machen, dem Arbeitgeber sei gar nicht ein so grosser Schaden entstanden. Als Argument kann auch die zweitätige Kündigungsfrist ins Feld geführt werden, denn selbst bei Annahme der Stelle hätte der Arbeitnehmer nach zwei Tagen künden können.

Schwierig, die Vertragsunterzeichnung anzufechten, wer einen Vertrag unterschreibt, ist grundsätzlich verpflichtet, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Genügen Ihnen diese Auskünfte?

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

 

Kurt Pärli