Zum Inhalt oder zum Footer

Rückforderung Krankentaggeld und IV-/PK-Rente durch Krankentaggeldversicherung / Hilflosenentschädigung

Veröffentlicht:
16.08.2023
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Frage 1:
Ist es zulässig, dass die Krankentaggeldversicherung für den gleichen Zeitraum die
Differenz zwischen dem Krankentaggeld und der IV-/PK-Rente zurückfordern kann? Oder gilt dieser Grundsatz
nur bis zum Betrag der IV-Rente, welche meist unter dem Betrag des Krankentaggeldes liegt?

Hier noch die entsprechenden Grundlagen.
Gemäss Bundesgericht kann der Krankentaggeldversicherer gestützt auf Art. 62 OR die Taggelder im Umfang der Überentschädigung von der versicherten Person zurückfordern, wenn die versicherte Person durch die laufenden Taggeldzahlungen und die rückwirkenden Rentenleistungen der IV überentschädigt worden ist (vgl. Urteil 4A_425/2013 vom 06.01.2014).

Die Vaudoise, die Vers. bei welcher es in einem unserer Fälle ging, hält in ihren AVBs fest, dass die Differenz zwischen den Leistungen der IV und dem versicherten Taggeld geschuldet sind.

Frage 2:
Ab 2024 gibt es eine Neuregelung der Hilflosenentschädigung der AHV. Die Wartezeiten wird auf 6 Monate reduziert. Sollen wir also bereits Anmeldungen starten für Personen, welche seit Juli 2023 hilfsbedürftig sind? Oder läuft der Bedarf faktisch dann erst ab Juni 2024?

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

Zu Ihrer ersten Frage:

Für den Fall, dass eine versicherte Person für den gleichen Zeitraum aufgrund des gleichen versicherten Ereignisses Anspruch sowohl auf ein Krankentaggeld wie auch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge hat, existieren in der beruflichen Vorsorge zwei gesetzliche Regelungen, die diese Leistungen koordinieren und so Überentschädigungen vermeiden sollen: Nämlich Artikel 26 und 24 Absatz 1 BVV 2.

Die Vorsorgeeinrichtung darf ihre Rentenzahlung aufschieben, solange der Versicherte ein Taggeld einer Krankenversicherung erhält, falls dieses mindestens 80 Prozent des entgangenen Lohnes deckt und die Krankentaggeld-Versicherung mindestens zur Hälfte durch den Arbeitgeber finanziert wurde (Artikel 26 BVV 2). Das gilt auch bei Taggeldern, die von einer Krankentaggeldversicherungen nach VVG gewährt werden.

Dieser Aufschub der Leistungen der PK setzt voraus, dass die Vorsorgeeinrichtung dies im Reglement vorsieht.

Auch in Fällen, wo der Krankentaggeldversicherer, der 80 Prozent des entgangenen Lohnes abdeckt, im Reglement bei rückwirkender Auszahlung einer Invalidenrente einen Teil des Krankentaggeldes zurückfordert, darf die Vorsorgeeinrichtung nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts die Invalidenleistungen aufschieben (BGE 142 V 466).

Deswegen kann es also zu der von Ihnen genannten Konstellation nur noch kommen, wenn die PK in Ihrem Reglement keinen Aufschub der PK-IV-Leistungen für die Zeit nach Ausschöpfung der Krankentaggelder kennen sollte.

Für diesen Fall aber ist die entsprechende Rückforderung durch die Krankentaggeldversicherung für den Fall, dass dies so im Reglement vorgesehen ist, zulässig.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

 

Zu Ihrer zweiten Frage bzgl. Hilflosenentschädigung aus der AHV.

Tatsächlich wird die Hilflosenentschädigung gemäss dem neuen AHV-Recht bereits nach einer Wartezeit von 6 Monaten, statt wie bisher nach einem Jahr gewährt. So Art. 43bis Abs. 2 AHVG.

Die Übergangsbestimmungen zur AHV-Reform kennen keine weiterführenden Regeln zur Frage des Geltungszeitpunktes dieser Neuerung.

Es ist deswegen davon auszugehen, dass in allen Fällen, wo per 1. Januar 2024 die Voraussetzung der Wartefrist (bestehende Hilflosigkeit während einem halben Jahr) erfüllt ist, auch ein entsprechender Anspruch besteht. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die entsprechenden Belege und Beweise der Hilflosigkeit seit Juli 2023 zu sammeln.

Für eine definitive Antwort sind dann die neuen Kreisschreiben abzuwarten. Diese können aber erst auf den Spätherbst erwartet werden. Nach meiner Einschätzung lässt aber die Rechtslage keine andere Praxis zu, als ich oben beschrieben habe.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot